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Victor Dubuisson

Der große Blonde ohne Schuhe

Von Maximilian Bielefeld, Fotos: Hugo Boss, Getty Images

Victor Dubuisson redet nicht gerne, er spielt lieber Golf. Also gingen wir mit ihm Golf spielen. Irgendwann muss der Ryder-Cup-Star doch schließlich auftauen. So weit die Theorie ...

Mit Journalisten zu sprechen gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen." Bam! Das hat gesessen. Für das Interview mit Victor Dubuisson haben wir extra einen Französisch sprechenden Kollegen angeheuert, doch schon der erste Satz fühlt es sich an, als würde uns Klaus Kinski gegenüberstehen. Nein, dieser Vergleich hinkt, denn Victor Dubuisson ist weder ein cholerischer Schreihals, noch flackert der Wahnsinn in seinen Augen, vielmehr muss man ganz genau hinhören, um die Worte zu verstehen, die der Franzose inmitten des Getümmels am ersten Abschlag der BMW International Open in München von sich gibt. "Ich meine natürlich Französische Journalisten!", schiebt er seinem Begrüßungssatz hinterher und lächelt milde. Die Situation ist zumindest halbwegs gerettet.

Keine 20 Minuten ist es her, dass ihn ein VIP-Shuttle nach einem verpassten Flug - in Paris blockierte gewalttätiger Protest gegen Uber-Fahrer den Flughafen - vor dem Clubhaus in Eichenried absetzte, und nun sind es nicht einmal mehr zwölf Minuten bis zu Victors Pro-Am- Startzeit. Auf dem Abschlag tänzeln bereits drei nervöse Amateurspielpartner, doch Victor hat noch etwas zu erledigen: "Ich muss mich erst warm spielen. Entschuldigt mich bitte!" Keine 30 Sekunden nachdem er in Richtung Driving Range davongeschlichen ist, spurtet eine Dame mit einem Schuhkarton und einigen Polohemden unter dem Arm, die sich wenig später als seine Assistentin herausstellen soll, hinter im her und murmelt halb zu sich selbst und halb in unsere Richtung: "Wo ist er hin? Er braucht doch noch seine neuen Golfschuhe. Habt ihr Victor gesehen?" Spätestens jetzt ist klar, dass uns das wohl außergewöhnlichste Interview unserer bisherigen Karrieren als Sportjournalisten bevorsteht.

Victor Dubuisson: Junior Ryder Cup 2006: Olaf Schubert hatte die Klamotten rausgelegtVictor Dubuisson: Junior Ryder Cup 2006: Olaf Schubert hatte die Klamotten rausgelegt
Junior Ryder Cup 2006: Olaf Schubert hatte die Klamotten rausgelegt

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ICH BIN GOLFER UND MÖCHTE ALS PROFI WAHRGENOMMEN WERDEN. MEIN PRIVATLEBEN GEHT NIEMANDEN ETWAS AN.
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Zugegeben, keiner von uns konnte vor dem 10. November 2013 mit dem Namen Victor Dubuisson etwas anfangen. Doch dann zeigte der Franzose bei den Turkish Airlines Open in Belek an jenem Tag Weltklassespielern wie Ian Poulter, Justin Rose und keinem Geringeren als Tiger Woods die Grenzen auf und gewann sein erstes European-Tour-Turnier. Es war aber nicht nur die Stärke des Starterfelds, sondern auch die Art und Weise, in der Dubuisson den Sieg nach Hause fuhr - eine furiose 63er-Runde von Tiger Woods am Freitag konterte er mit einer eigenen 63 am Samstag -, die nahelegte, dass hier keine Eintagsfliege, sondern eine für die nächsten Jahre ernst zu nehmende Golfmacht am Werk war. Drei Monate nach diesem Sieg sorgte er dann in den USA für Furore, als er sich im Finale der WGC Accenture Match Play Championship ein Duell, das insgesamt fünf Extralöcher benötigte, mit Jason Day lieferte, das ihn mehrere Male mit dem Rücken zur Wand sah. Jason Day gewann dieses Match des Jahres zwar am Ende, doch wenn in ferner Zukunft einmal über das WGC Match Play von 2014 gesprochen wird, dann garantiert nur über Victor Dubuissons Houdini-Schläge, die weder von drei Meter tiefen Bunkern noch von Kakteen oder Kamerakabeln verhindert werden konnten. "Golden Hands" ist seit diesem Duell in der Wüste von Arizona Victors Spitzname in den Staaten und die Vergleiche mit Seve Ballesteros sollten sich für alle amerikanischen Golffans beim Ryder Cup 2014 bitter bewahrheiten. Denn dort spielte der Rookie aus Cannes gemeinsam mit Graeme McDowell in den klassischen Vierern nicht nur das bis dahin ungeschlagene amerikanische Killer-Duo Mickelson/ Bradley mit 3&2 an die Wand, sondern fertigte auch Jimmy Walker und Rickie Fowler mit 5&4 ab. Dass sich Tom Watson beim Team-Meeting zu der Aussage "Ihr Jungs stinkt im klassischen Vierer!" verleiten ließ, war zu großen Teilen das Verdienst von Victor Dubuisson. Das wusste auch sein Mitspieler Graeme McDowell. "Ich sage euch: Dieser Typ ist der neue Superstar. Glaubt mir!", schwärmte er nach der Runde auf der Pressekonferenz, während der Besungene wie immer still und in sich gekehrt neben ihm saß und weder eine Miene verzog, noch Fragen mit Antworten würdigte, die länger als einen Satz ausfielen.

Mittlerweile hat Victor seinen Ball beim Pro-Am in München mit dem Driver aufs erste Fairway geprügelt und die neuen Schuhe scheinen ihm zu passen. Da sein Sponsor Hugo Boss uns eine halbe Stunde mit Victor zugesichert hat, willigt er ein und erlaubt uns, ihm neun Löcher lang zu folgen und Fragen zu stellen. Scharf ist er darauf nicht, daran lässt sein gequältes Lächeln keinen Zweifel, schließlich sind wir Journalisten. Aber zum Glück sind wir keine Franzosen und so werden wir diese Front Nine in Eichenried schon gemeinsam überstehen.

Victor Dubuisson:
Victor, die Golfwelt weiß wenig über dich. Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Darin tue ich mich wirklich schwer, weiß ich nicht. Das ist schwierig für mich.

Was bist du denn für ein Typ? Eher ruhig, schüchtern?
Ich bin ganz normal. Ich bin jemand ohne große Besonderheiten, ganz einfach eben. Es ist nicht leicht für mich, über meine eigene Person zu sprechen.

Gibt es ein Adjektiv, das dich am treffendsten beschreiben würde?
Cool.

Du gibst kaum Interviews und schottest dich sehr ab.
Ich bin ein Golfspieler und möchte auch als Profi wahrgenommen werden. Darüber können wir gerne sprechen. Mein Privatleben allerdings geht die Leute nichts an. Es ist schließlich mein Leben, ich frage die anderen doch auch nichts darüber. Also sollen sie es mich auch nicht fragen und das respektieren. Das meine ich übrigens gar nicht böse: Ich rede einfach nicht gerne über mich und verhalte mich in der Öffentlichkeit sehr diskret.

Und woran musst du deiner Meinung noch am meisten arbeiten?
Ich arbeite schon seit langer Zeit an meinem Putting, weil mir da einfach die Konstanz fehlt. Mit meinem Coach arbeite ich an der Technik, versuche ständig dazuzulernen.

Stimmt es, dass Graeme McDowell dich vor dem Ryder Cup zum Essen eingeladen hat, um etwas mehr über dich zu erfahren?
Ja, ja, das stimmt! Wir kannten uns zwar schon ein bisschen, aber nicht wirklich gut. Er wollte also, dass wir gemeinsam ins Restaurant gehen, um mehr über mich zu erfahren. Im Ryder Cup spielt man ja in einem Team, also ist es gut, sich ein wenig besser zu kennen.

Über was hast du mit ihm gesprochen?
Wir sind Freunde, gehen oft essen und reden über alles. Wie man es mit einem guten Freund eben macht. Wir haben uns eigentlich schon immer gut verstanden und sind uns dadurch noch ein bisschen näher gekommen.

Victor Dubuisson: Ryder Cup 2014: Siehst du dieses Licht?
Ryder Cup 2014: Siehst du dieses Licht?
Hat er dir geholfen, dich besser zu integrieren? Viele Spieler sagen, dass sie Victor Dubuisson kaum kennen würden...
Ganz so ist es nicht, ich habe schon ein paar Freunde. Vor allem mit den französischen Spielern verstehe ich mich sehr gut. Mit ihnen habe ich den meisten Kontakt. Aber es stimmt schon, dass ich oft allein bin.

Einfach weil du eine Art Einzelgänger bist?
Ja, würde ich sagen.

Es kursiert die Geschichte, dass du während des Ryder Cup deinen Schläger auf der Toilette vergessen haben sollst. Ist das wahr?
Ja, das war sogar mit McDowell! Während der Partie musste ich dringend auf die Toilette und dann habe ich meinen Putter da einfach stehen lassen und bin ohne ihn wieder raus. Ich hatte ihn einfach völlig vergessen. [lacht]

Passiert dir so etwas häufiger, schließlich bist du heute auch ohne Schuhe hier aufgekreuzt?
Nein, ich bin eigentlich sehr fokussiert. Ich weiß auch nicht, was da mit mir los war. Absicht war es auf jeden Fall nicht [lacht].

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