Keine 20 Minuten ist es her, dass ihn ein VIP-Shuttle nach einem verpassten Flug - in Paris blockierte gewalttätiger Protest gegen Uber-Fahrer den Flughafen - vor dem Clubhaus in Eichenried absetzte, und nun sind es nicht einmal mehr zwölf Minuten bis zu Victors Pro-Am- Startzeit. Auf dem Abschlag tänzeln bereits drei nervöse Amateurspielpartner, doch Victor hat noch etwas zu erledigen: "Ich muss mich erst warm spielen. Entschuldigt mich bitte!" Keine 30 Sekunden nachdem er in Richtung Driving Range davongeschlichen ist, spurtet eine Dame mit einem Schuhkarton und einigen Polohemden unter dem Arm, die sich wenig später als seine Assistentin herausstellen soll, hinter im her und murmelt halb zu sich selbst und halb in unsere Richtung: "Wo ist er hin? Er braucht doch noch seine neuen Golfschuhe. Habt ihr Victor gesehen?" Spätestens jetzt ist klar, dass uns das wohl außergewöhnlichste Interview unserer bisherigen Karrieren als Sportjournalisten bevorsteht.
»ICH BIN GOLFER UND MÖCHTE ALS PROFI WAHRGENOMMEN WERDEN. MEIN PRIVATLEBEN GEHT NIEMANDEN ETWAS AN.«
Mittlerweile hat Victor seinen Ball beim Pro-Am in München mit dem Driver aufs erste Fairway geprügelt und die neuen Schuhe scheinen ihm zu passen. Da sein Sponsor Hugo Boss uns eine halbe Stunde mit Victor zugesichert hat, willigt er ein und erlaubt uns, ihm neun Löcher lang zu folgen und Fragen zu stellen. Scharf ist er darauf nicht, daran lässt sein gequältes Lächeln keinen Zweifel, schließlich sind wir Journalisten. Aber zum Glück sind wir keine Franzosen und so werden wir diese Front Nine in Eichenried schon gemeinsam überstehen.
Victor, die Golfwelt weiß wenig über dich. Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Darin tue ich mich wirklich schwer, weiß ich nicht. Das ist schwierig für mich.
Was bist du denn für ein Typ? Eher ruhig, schüchtern?
Ich bin ganz normal. Ich bin jemand ohne große Besonderheiten, ganz einfach eben. Es ist nicht leicht für mich, über meine eigene Person zu sprechen.
Gibt es ein Adjektiv, das dich am treffendsten beschreiben würde?
Cool.
Du gibst kaum Interviews und schottest dich sehr ab.
Ich bin ein Golfspieler und möchte auch als Profi wahrgenommen werden. Darüber können wir gerne sprechen. Mein Privatleben allerdings geht die Leute nichts an. Es ist schließlich mein Leben, ich frage die anderen doch auch nichts darüber. Also sollen sie es mich auch nicht fragen und das respektieren. Das meine ich übrigens gar nicht böse: Ich rede einfach nicht gerne über mich und verhalte mich in der Öffentlichkeit sehr diskret.
Und woran musst du deiner Meinung noch am meisten arbeiten?
Ich arbeite schon seit langer Zeit an meinem Putting, weil mir da einfach die Konstanz fehlt. Mit meinem Coach arbeite ich an der Technik, versuche ständig dazuzulernen.
Stimmt es, dass Graeme McDowell dich vor dem Ryder Cup zum Essen eingeladen hat, um etwas mehr über dich zu erfahren?
Ja, ja, das stimmt! Wir kannten uns zwar schon ein bisschen, aber nicht wirklich gut. Er wollte also, dass wir gemeinsam ins Restaurant gehen, um mehr über mich zu erfahren. Im Ryder Cup spielt man ja in einem Team, also ist es gut, sich ein wenig besser zu kennen.
Über was hast du mit ihm gesprochen?
Wir sind Freunde, gehen oft essen und reden über alles. Wie man es mit einem guten Freund eben macht. Wir haben uns eigentlich schon immer gut verstanden und sind uns dadurch noch ein bisschen näher gekommen.
Hat er dir geholfen, dich besser zu integrieren? Viele Spieler sagen, dass sie Victor Dubuisson kaum kennen würden...
Ganz so ist es nicht, ich habe schon ein paar Freunde. Vor allem mit den französischen Spielern verstehe ich mich sehr gut. Mit ihnen habe ich den meisten Kontakt. Aber es stimmt schon, dass ich oft allein bin.
Einfach weil du eine Art Einzelgänger bist?
Ja, würde ich sagen.
Es kursiert die Geschichte, dass du während des Ryder Cup deinen Schläger auf der Toilette vergessen haben sollst. Ist das wahr?
Ja, das war sogar mit McDowell! Während der Partie musste ich dringend auf die Toilette und dann habe ich meinen Putter da einfach stehen lassen und bin ohne ihn wieder raus. Ich hatte ihn einfach völlig vergessen. [lacht]
Passiert dir so etwas häufiger, schließlich bist du heute auch ohne Schuhe hier aufgekreuzt?
Nein, ich bin eigentlich sehr fokussiert. Ich weiß auch nicht, was da mit mir los war. Absicht war es auf jeden Fall nicht [lacht].