Una Famiglia - Europas Ryder Cup Film

Una Famiglia

Europas Ryder Cup Film

05.12.2024 | Von Rüdiger Meyer

Nachdem 'Full Swing' den Ryder Cup 2025 aus US-Perspektive gezeigt hat, betrachtet die DP World Tour mit dem YouTube-Film 'Una Famiglia' den Kontinentalwettstreit durch die Linse des siegreichen europäischen Teams von Luke Donald

Vierzehn Monate nach dem triumphalen Ryder Cup in Rom hat die europäische Seite einen 95-minütigen Hinter-den-Kulissen-Blick auf das Event veröffentlicht. Die emotional aufgeladene Doku "Una Famiglia", die den Idealismus und den Teamgeist in den Vordergrund stellt, ist der perfekte Gegenentwurf zu dem, was gerade auf US-Seite passiert, wo die Bezahlung der Spieler offenbar bereits beschlossene Sache ist.

Regisseur und Produzent Jim Williams drückt dabei gekonnt alle emotionalen Knöpfe bei seinen Protagonisten und beim Publikum. Umso bemerkenswerter, als dass das Ganze im Kern nicht das ist, was man von einer "Fly on the Wall"-Doku erwarten würde. Die unmittelbaren Einblicke in das Event fehlen. Kabinen-Motivationsreden von Luke Donald oder private Momente, wie man sie von vielen Sportdokus kennt, sind nicht zu finden. Der Großteil von "Una Famiglia" wird mit retrospektiven Interviews bestückt, die allem Anschein nach mehr als ein halbes Jahr nach dem Event durchgeführt wurden. Dass dennoch bei allen Beteiligten die Leidenschaft für den Ryder Cup durchkommt, spricht dafür wie besonders dieses Turnier ist - gerade auf europäischer Seite. Wir haben uns die Doku angeschaut und zehn Beobachtungen festgehalten, die uns dabei aufgefallen sind.

1. Familienbande?

Der Titel "Una Famiglia" spielt darauf an, dass das Erfolgsrezept des europäischen Teams die Zusammengehörigkeit war. Gleich mehrfach fällt der Satz "Wir waren wie eine Familie". Unglücklicherweise kommt dies in der Dokumentation nicht so rüber, denn neben Luke Donald und seinen ehemaligen bzw. zukünftigen Vizekapitänen Paul McGinley und José-Maria Olazábal wurden auf Spielerseite lediglich Rory McIlroy, Shane Lowry, Jon Rahm, Tommy Fleetwood und Ludvig Åberg interviewt. Die anderen sieben Spieler finden nur am Rande in Archivmaterial statt, wobei einige (Sepp Straka, Nicolai Højgaard) selbst dort fast vollständig ignoriert werden. Offenbar gibt es auch in der Ryder-Cup-Familie einige Stiefkinder.

2. Diane Donald hat die Hosen an (Timecode 17:00)

Der Film macht deutlich, dass Luke Donalds Ehefrau Diane, was die Arbeit im Hintergrund angeht, fast mehr für den europäischen Erfolg geleistet hat als ihr Ehemann. Mit sorgfältig ausgewählten Geschenken und speziellen Ideen förderte die Amerikanerin den europäischen Teamgeist. Und als das Kamerateam das Ehepaar gemeinsam in seiner Küche erwischt, wird deutlich, dass Luke zu Hause nicht unbedingt das Sagen hat. Sein (gespielt) frustrierter Kommentar: "Ich versuche hier eine nette Geschichte über Dich zu erzählen und Du unterbrichst mich."

3. Severiano Ballesteros als Spirit Animal (Timecode 26:45)

Auch in Rom wurde wieder einmal deutlich, welche Bedeutung der Spanier auch heute noch für Europas Team hat. Als die gesamte Mannschaft für eine Proberunde in den Marco Simone Golf & Country Club kam, wurde sie auf dem ersten Tee von einem Opernsänger samt kleinem Orchester sowie einem überlebensgroßen Banner von Seve empfangen, auf dem geschrieben stand: "Für immer in unserem Herzen". Es dürfte einer der letzten Ryder Cups in Europa gewesen sein, bei dem dies noch möglich ist. Schließlich werden immer weniger Spieler Seve noch bewusst erlebt haben. Ludvig Åberg war beispielsweise 12 als Ballesteros 2011 verstab, Nicolaj Højgaard sogar nur 10 Jahre alt.

4. Caddyschnack (Timecode 33:00)

Einer der coolsten Momente der Doku kommt, als Luke Donald sich an die unbesungenen Helden des Ryder Cups wendet: die Caddies. Eine spezielle Ehrung hat er dabei für Billy Foster übrig, der an mehr Ryder Cups als jeder andere Europäer beteiligt war. 1987 trug er die Tasche für Gordon Brand, später folgten Jobs für Seve Ballesteros, Darren Clarke, Lee Westwood und zuletzt Matt Fitzpatrick. Als Erinnerung an seine 15 Ryder Cups bekam Foster von Donald eine Replika des Ryder Cups überreicht, was für sämtliche Caddies eine große Motivation bedeutete, sich ebenfalls in die europäischen Annalen einzutragen.

5. Tränen lügen nicht (Timecode 35:35)

Einer der großen Motivationstricks von Luke Donald war ein individuelles Video, das er für jeden seiner Spieler anfertigen ließ und ihnen am Montag um 17 Uhr in ihren Hotelzimmern vorspielte. Darin erzählen besondere Vertraute (Shane Lowrys Eltern, Matt Fitzpatricks Bruder Alex, Tommy Fleetwoods Sohn oder Rory McIlroys Caddie) wie stolz sie auf ihren Liebsten sind. Das Resultat war als ob man das Ende von "Feld der Träume" oder "Wie ein einziger Tag" schaut: Kein Auge blieb trocken. Selbst ein späterer Zusammenschnitt beim gemeinschaftlichen Treffen verlagerte noch einmal die Niagara-Fälle in den europäischen Teamraum. So erinnern sich Rahm und Fleetwood schmunzelnd daran wie sie in Tränen ausbrachen während Ludvig Åberg neben ihnen nicht wusste, wie er reagieren soll.

6. Spanischer Treppenwitz (Timecode 43:00)

Wer die erste Staffel der Netflix-Doku "Full Swing" gesehen hat, weiß, dass Matt Fitzpatrick nichts dem Zufall überlässt. Dass ausgerechnet er das große Gala-Event auf der Spanischen Treppe beinahe verpasst hätte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Mit seiner damaligen Verlobten und heutigen Ehefrau Katherine Gaal traf er eine Stunde verspätet ein, weil er den Anschluss zum Konvoi verloren hatte und sich alleine durch den römischen Stadtverkehr kämpfen musste. Das Bild, wie die beiden sich im Hintergrund langsam die Treppe herunterbemühen, während vorne alle anderen bereits zum Fotoshooting aufgereiht sind, ist ein Highlight der Doku.

7. Der Joe LaCava Moment (Timecode 1:08:00)

Die Samstags.Konfrontation zwischen Rory McIlroy und Shane Lowry auf europäischer Seite sowie Patrick Cantlays Caddie Joe LaCava auf US-Seite ist zu einem der denkwürdigsten Momente des Ryder Cups geworden. Entsprechend spielte sie auch in der Netflix-Doku "Full Swing" eine große Rolle. Doch so richtig neue Einsichten bekommt man weder dort noch hier. Und das, obwohl McIlroy und Lowry zu Wort kommen. Das Interessanteste ist noch, dass man während der TV-Übertragung das Gefühl hatte, diese Situation könnte das Momentum zugunsten der USA verändern. Hier wird jedoch klar, dass es vor allem McIlroy als Motivation gedient hat. Oder wie es Jon Rahm zusammenfasste: "Als ich Rory am nächsten Morgen sah, dachte ich mir ,Oh Mann'. Rory wird schon mal gewinnen."

8. Was passierte mit Tommy Fleetwoods Schlag an der 17? (Timecode 1:20:45)

Nachdem Tommy Fleetwood im Einzel an der 16 mit 2 auf ging und damit das Unentschieden und den europäischen Sieg sicherte, war das Match gegen Rickie Fowler noch nicht vorbei. Auf der 17 brauchte der Engländer noch mindestens ein geteiltes Loch, um offiziell in die Feierlichkeiten einsteigen zu können. Ironischerweise machte er den vielleicht besten Schlag des Tages, wie er erzählt: "Ich glaube der Ball ist zum Hole-in-One ausgelippt und niemand hat ihn gesehen". Leider bleibt es dabei, denn auch die Ryder-Cup-Doku fängt ihn nicht im Bild ein.

9. The Waterboy (Timecode 1:28:40)

Der Abgang von Jon Rahm zu LIV Golf war für das europäische Golf ein Erdbeben, doch dass der Graben nicht unüberwindbar ist, beweist Jon Rahm. Aus jedem seiner Worte in seinen Interviews spricht die Liebe zum Ryder Cup. Und wenn er am Ende sagt: "Man will ein Teil davon sein. Selbst als Wasserträger. Das macht mir nichts aus", möchte man Luke Donald sofort bitten, dem Spanier einen Captain's Pick zu geben. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung, dass Golf irgendwann doch wieder über Geld triumphiert.

10. Freies W-Lan (Timecode 1:29:48)

Wer sich irgendwann einmal im New Yorker "The Times Center" wiederfindet und auf der Suche nach einer Internetverbindung ist: Das Passwort lautet NYT!me$1851

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