Die Tatsachen, dass es in 83 Auflagen des Masters noch keinen Spieler gelungen war, über vier Tage lang derartig solides Golf zu spielen, dass es für vier aufeinanderfolgenden Runden in den 60ern reichen würde, ist eine der bizarrsten statistischen Anomalien des Golfsports. Weder Jones, noch Sarazen, noch Nicklaus oder Palmer und auch nicht Tiger Woods gelang es in Augusta, vier Runden unter 70 in die Butler Cabin zu bringen. Doch diese Schallmauer wurde nun durchbrochen, denn Cameron Smith gelang mit Tagesergebnissen von 67, 68, 69 und 69 das bisher für unmöglich gehaltene. Der Eintrag in die Rekordbücher und eine Frage in zahllosen zukünftigen Pub Quiz Abenden ist dem Australier sicher. "Es ist brutal, diesen Rekord zu knacken und nicht zu gewinnen", fasste Nick Faldo die Ironie der Situation zusammen, denn für ein grünes Jackett hat diese Glanzleistung nicht einmal ansatzweise gereicht. Denn an Dustin Johnson führt im November 2020 kein noch so alter und nun gebrochener Rekord vorbei.
Johnson stellte auf dem Weg zum lange überfälligen Grünen Jackett nämlich den einzigen Rekord ein, der auf der Jagd nach Turniertrophäen wirklich zählt: der des besten Scores aller Zeiten. Noch nie hatte es ein Spieler in Augusta geschafft, das Fabelergebnis von 20 unter Par zu erreichen. Doch wenn Golf mit einer derartigen Leichtigkeit und einem beinahe schlafwandlerischen Automatismus zelebriert wird, wie es Johnson dieses Jahr an der Magnolia Lane vorführte, dann fühlt sich selbst eine absolute Scoring-Bestmarke lediglich wie eine logische Schlussfolge an.
Fünf Schläge fehlten dem zweitplatzierten Cameron Smith am Ende auf den Sieger und natürlich hat er aufgrund dieser Diskrepanz nichts als ehrfürchtige Worte für den frisch gekrönten Masters Champion: "Dustin spielt definitiv auf einem anderen Level. Ihn spielen zu sehen ist unglaublich, er lässt Golf so leicht aussehen."
MASTERS ODER WAS?
Dutzende Rolex Spots machten es während der Werbeunterbrechungen klar, dass dieses Masters 2020 etwas Einmaliges sein würde. Ein vor zwölf Monaten noch undenkbarer Termin im November und eine patronfreie Anlage waren für diese These die augenscheinlichsten Beweise. Aber auch die Verantwortlichen im Augusta National Golf Club gaben sich alle Mühe, dem Masters 2020 einen Anstrich zu geben, wie ihn die Golfwelt noch nicht gesehen hatte. Komplett neue Fahnenpositionen am Sonntag und bisher ungesehene Drohnenflüge über die Anlage machte dies überdeutlich. War das Masters 2020 also vielleicht nur ein Golfturnier, das zufällig im Augusta National ausgetragen wurde, mit den bisherigen Auflagen des Majors aber höchstens entfernt verwandt ist? Auf keinen Fall und hinter Dustin Johnsons Sieg wird auch kein Sternchen stehen.
Wie jedes Jahr schaffte es Augusta auch 2020 unter erschwerten Bedingungen, Golfhighlights für die Ewigkeit zu liefern. Da wäre zum Beispiel Tigers unglaubliche "10" auf Loch 12 am Finaltag. Oder Bernhard Langers neue Bestmarke als ältester Spieler aller Zeiten, der es in Wochenende schaffte und natürlich Bryson DeChambeaus geteilter 34. Platz. Vor dem Turnier hatte er selbstsicher verkündet, Augusta sei theoretisch gesehen nichts weiter als ein Par 67 Platz für ihn und seinen neuen Powerschwung. Legt man diesen Standard an Brysons Spiel an lautete sein Ergebnis 18 über Par - doch damit nicht genug. Der unglaubliche Bulk lag am Ende sogar einen Schlag hinter dem 63 Jahre alten Bernhard Langer, der auf der Liste der durchschnittlichen Drivelänge der Masterswoche mit gerade einmal 228 Metern abgeschlagen den letzten Platz belegte.
Es sind diese Anekdoten, die jeden Golffan mit der Zunge schnalzen lassen, die nur Augusta liefern kann und es sollte uns allen den kommenden Winter verkürzen, dass wir dieses Mal kein volles Jahr, sondern lediglich knapp fünf Monate warten müssen, bis sich die Tore an der Magnolia Lane wieder öffnen. Der Topfavorit für das Masters 2021 kämpft zur Zeit noch mit den Tränen.