From Zero to Hero in weniger als einem Jahr
Erst im Juli 2018 bestand sie die in Japan nötige Prüfung, um Pro zu werden. Zuvor war sie als 18-Jährige durchgefallen und musste ihren Amateurstatus länger als gewünscht behalten. Im vergangenen Jahr konnte sie so nur einmal auf der japanischen LPGA Tour mitspielen. Beim Earth Mondahmin Cup im Juni schlug sie ein Hole-in-one, verpasste aber den Cut. Einen Monat später durfte sich Shibuno nach bestandenem Test dann endlich Berufsgolferin schimpfen.
Alles anders in 2019. Im Mai dieses Jahres gewann sie den World Ladies Championship Salonpas Cup, eines von vier Majors der JLPGA Tour. Vergangenen Monat legte sie bei der Shiseido Anessa Ladies Open noch einmal nach. In Japan ist sie seit diesen zwei Siegen ein Star, der gestrige Titel bei der Women's British Open machte sie jetzt auch im Rest der Welt bekannt. Neben den sportlichen Argumenten hat das auch andere Gründe.
"The Smiling Cinderella"
Konzentration, Ehrgeiz und Professionalität bestimmen immer stärker das Verhalten der Profi-Männer als auch -Frauen. Das hat zur Folge, dass Publikumslieblinge, die während der Runde mit den Zuschauern scherzen und keine übermäßige Verbissenheit ausstrahlen, immer mehr aussterben. Weil Hinako Shibuno mit ihren 20 Lenzen der Entwicklung entgegenwirkt, gehen ihre Sympathiepunkte derzeit durch die Decke. Obwohl sie nach eigenen Angaben während des Turniers so aufgeregt war, dass sie sich "fast übergeben musste", hatte sie nach jedem einzelnen Schlag ein Lächeln im Gesicht, weshalb ihr der Spitzname "Smiling Cinderella" verpasst wurde. Dass die Freude kein Fake war, spürten die Zuschauer am eigenen Leib. Während die Japanerin in der Finalrunde um den wichtigsten Titel ihres Lebens und das höchste British-Open-Preisgeld aller Zeiten spielte, klatschte sie immer wieder High-Fives mit den Fans, bedankte sich für den Support und machte sogar Selfies.
Und auch die Konkurrentinnen konnten gar nicht anders als sich in den Youngster zu verlieben. Während besonders Golfer, die um den Sieg spielen, sich bei jedem Schlag so viel Zeit lassen, wie sie können, brauchte Shibuno erfrischend wenige Sekunden und beschleunigte das Spiel sogar.
Dass sie nach 71 Löchern plötzlich den Birdie-Putt zum Sieg hatte, konnte neben ihr auch der Rest der Golfwelt nicht glauben, doch die Jung-Erwachsene ließ ihr breites Grinsen bestehen, stellte sich über den Ball, haute mit dem Putter so drauf, dass alle dachten, die Kugel verschwindet zwischen den Füßen der Zuschauer, und als der Becher das Geschoss glücklicher Weise auffing, jubelte sie so authentisch, wie man es sich von allen Spitzensportlern wünschen würde. Als zweite Japanerin der Welt gewann sie überraschend wie noch nie und gleichzeitig sympathisch wie noch nie ein internationales Majorturnier. Geht der Aufstieg Shibunos so rasant weiter, wird das garantiert nicht ihr letzter Titel gewesen sein.