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Masters 2023

Rahmbo II - Der Auftrag

Von Jan Langenbein

Kein Brooks, kein Baum, kein Doppel-Bogey kann ihn stoppen.

Oben: Beim ersten Major der Saison ließ sich Jon Rahm weder von Unwetter oder fallenden Bäumen noch von der Konkurrenz auf seinem Siegeszug bremsen
Egal wie abgezockt ein Golfprofi auch sein mag und egal wie viele Major-Titel bereits im Trophäenschrank stehen, das erste Tee in Augusta ist eine Bühne, auf der selbst die größten Meister ihres Fachs das Lampenfieber einholt. Jüngstes Opfer dieser Druckkammer der Stille: Brooks Koepka. Drei Runden lang konnte nichts und niemand seinen stoisch-methodischen Marsch in Richtung Grünes Jackett ausbremsen, doch dann trat Koepka am Finalsonntag mit einer Führung von zwei Schlägen als Letzter des Tages an den ersten Abschlag und pullte sein Holz 3 derart markerschütternd, dass es weiter links der Mitte des ersten Fairways landete, als sich Sahra Wagenknecht auf einem Vatertagsausflug der Jungen Union vorkommen muss. Was folgte, war eine Front Nine aus der Hölle, auf der Koepka drei Bogeys notieren musste, den Spitzenplatz auf dem Leaderboard an Jon Rahm abgab und gleichzeitig dafür sorgte, dass sich Twitter-Trolle weltweit die Finger leckten und damit begannen, an 54-Löcher-sind-eben-kein-Golfturnier-Witzen zu feilen. Selbst als neutraler Zaungast aus dem fernen Deutschland fühlte man sich genötigt, eine alte Sepp-Herberger-Weisheit zu zweckentfremden: "Der Ball ist rund und das Major dauert 72 Löcher." Doch eine noch ältere Golfweisheit besagt, dass das Masters erst auf den Back Nine am Sonntag beginnt, und da in Augusta Golf und nicht Fußball gespielt wird, sollte sich Letztere als zutreffender erweisen.

Während Brooks mit drei Birdies auf den abschließenden sechs Spielbahnen zumindest die Blutung stoppte, spielten sich mit Phil Mickelson und Patrick Reed zwei weitere LIV-Golfer in einen wahren Rausch und räumten so nicht nur mit dem Vorurteil auf, der fehlende Wettkampf auf der Saudi-Tour würde die dort ihre Schecks einsammelnden Profis für den "echten" Wettstreit bei "ernst zu nehmenden" Golfturnieren verweichlichen, sondern sorgten auch für eine Preview auf mögliche Schlagzeilen kommender Major-Turniere.

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THAT FIRST GREEN IS LOOKING LIKE A WALK IN THE PARK!
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Schon im Vorfeld der Masters-Woche 2023 wehte der Wind einer neuen Major-Zeitrechnung über Augusta National, eine Ära, in der die vier größten Turniere des Sports ihren Vorsprung gegenüber den allwöchentlichen Profiturnieren der großen Touren noch weiter ausbauen können, sind sie nach dem gerichtlichen Ausschluss der LIV-Golfer von der DP World Tour doch nun die einzigen Großereignisse, die in den Kalendern aller Weltklasse-Golfer Beachtung finden.

PGA Tour vs. LIV, Imperium gegen Rebellenallianz, Golf gegen Show - wie auch immer man diese neue Ära, die für die Major-Turniere jetzt begonnen hat, bezeichnen möchte, Fans dürfen sich davon großartige Unterhaltung mit unterschwelliger Wrestling-Atmosphäre versprechen. Selbst die wohl muffigste Tradition im Golfkalender, das Champions Dinner in Augusta, wurde im Vorfeld in den sozialen und den althergebrachten Medien zu einem politisch signifikanten Event vergleichbar mit dem Treffen zwischen Jitzchak Rabin und Jassir Arafat in Camp David gehypt. Doch wie sich herausstellen sollte, zog es Phil Mickelson vor, beim Abendessen der Grünen Sakkos konsequent zu schweigen und dafür lieber seine acht Birdies am Sonntag für sich sprechen zu lassen. Vielleicht fehlten "Lefty" aber auch einfach nur die Worte angesichts des Menüs, das Vorjahressieger Scottie Scheffler seinen Vorgängern auftischte und mit Mini-Cheeseburgern, Tortilla-Suppe und warmen Chocolate Chip Cookies eher an das Büfett eines Kindergeburtstags bei Applebee's erinnerte, als dass es dem offensichtlich äußerst strikten Ernährungsplan des generalüberholten Phil Mickelson entsprochen hätte.

Masters 2023:
Tatsächlich verriet Bernhard Langer, dass von Seiten des Augusta National Golf Club der Wunsch geäußert wurde, man sollte die Querelen und das Gezänk doch bitte für eine Woche vor den Toren der Magnolia Lane abladen, und die Spieler hielten sich daran. Bis hinauf zu Petrus reicht der Einfluss der auf Erden beinahe allmächtigen Herren in den Grünen Jacketts allerdings nicht, denn der starke Wind am Freitag machte nicht nur den Spielern zu schaffen, die Böen brachten auch drei der majestätischen Kiefern nahe des 17. Abschlags zu Fall und bei Betrachten der beängstigenden Videos ist es selbst heute noch unglaublich, dass niemand ernsthaft verletzt wurde oder sogar nur einen Kratzer abbekam.

Nach Windchaos am Freitag und Waschanlagen-Golf am Samstag zeigte sich Georgia am Sonntag endlich von seiner Postkartenseite und Augusta bewies erneut, dass es keine bessere Bühne für Golfunterhaltung gibt als diese 18 glorreichen Spielbahnen. Freddie Couples beendete seine 38. Masters-Teilnahme, indem er im Alter von 63 Jahren und 187 Tagen Bernhard Langer den Rekord des ältesten Spielers, der je beim Masters den Cut schaffte, abnahm. Sahith Theegala sorgte auf Loch 16 für das Remake eines der glorreichsten Tiger-Woods-Momente überhaupt, als er von hinter dem Grün einchippte und nicht nur die Fans ins Delirium schickte. "Ich hatte noch nie ein vergleichbares Gefühl auf dem Golfplatz. Ich bin völlig durchgedreht", schnappte Theegala nach der Finalrunde seines ersten Starts in Augusta nach Luft. Phil Mickelson drehte mit einer unglaublichen 65 nicht nur die beste Runde des Tages, sondern dabei auch die Uhr um Jahrzehnte zurück, denn als "Lefty" beim letzten Mal einen derart brillanten Score ins Clubhaus von Augusta brachte, war Tiger Woods noch Amateur.

Viktor Hovland kollabierte einmal mehr unter dem Druck einer Siegchance bei einem Major und spielte abermals eine derart demoralisierende vierte Runde, dass nur zu hoffen bleibt, der Norweger kommt nicht auf dumme Gedanken und rechnet sich bei Turnieren, die nach 54 Löchern zu Ende sind, bessere Siegchancen aus. Patrick Cantlay, Hovlands Mitspieler in der vorletzten Paarung des Sonntags, macht seinem Ruf als absolute Schnarchnase alle Ehre und nahm sich dermaßen viel Zeit auf den Grüns, dass Brooks Koepka im Anschluss der Kragen platzte: "Die Gruppe vor uns war brutal langsam. Jon ging während der Runde siebenmal aufs Klo und wir standen uns trotzdem die Beine in den Bauch."

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Sicherheitsabstand: Einer hat seit drei Tagen nicht mehr geduscht
Inmitten dieser Wetterkapriolen, Zeitenwenden, Jubelstürme und Birdie-Serien spielte Jon Rahm an Seve Ballesteros' Geburtstag Golf auf einem anderen Level. Und das, obwohl Rahms Masters 2023 kaum übler hätte beginnen können. "Als ich am Donnerstagmorgen zehn Minuten vor meiner Startzeit in den Golfwagen stieg, um zum Putting Green zu gelangen, sah ich eine SMS von einem guten Freund von mir. Und ich werde seinen Namen nennen, denn er ist ein Super-Bowl-Champion: Zach Ertz", begann Rahm in der Siegerpressekonferenz seine Erklärung des Doppel-Bogeys am ersten Loch des Turniers. "Er hat eine SMS geschickt - ich werde das paraphrasieren -, aber er schrieb: 'That first green is looking like a walk in the park!' Zehn Minuten später bin ich mit einem Vier-Putt auf diesem Grün ins Turnier gestartet." Der Spanier reihte sich damit in den exklusiven Club von Major-Siegern ein, die trotz eines Desasters am ersten Loch am Ende der Woche die Trophäe überreicht bekamen, und gründete mit seinem ersten Grünen Jackett nebenbei einen neuen, viel elitäreren Zirkel: Jon Rahm ist der erste Europäer in der Geschichte des Golfsports, der sowohl das Masters als auch die US Open gewinnen konnte.

Und so startet Jon Rahm als bester Golfer der Welt in eine Major-Saison, die mehr Action als jeder Sylvester-Stallone-Streifen verspricht.

 

Leaderboard

PlatzNameLandTotalR1R2R3R4Schläge
1Jon RAHMESP-1265697369276
T2Phil MICKELSONUSA-871697565280
T2Brooks KOEPKAUSA-865677375280
T4Jordan SpiethUSA-769707666281
T4Patrick REEDUSA-771707268281
T4Russell HENLEYNOR-773677170281
T7Cameron YOUNGUSA-667727568282
T7Viktor HOVLANDNOR-665737074282
9Sahith THEEGALAUSA-573707367283

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