Doch da waren auch die scheinbar unwichtigen Vorzeichen wie die idiotischen Ergüsse von Danny Willetts Bruder P.J., der nicht nur die amerikanischen Schlachtenbummler, sondern alle Amerikaner als "moppelige, im Keller wohnende Sonderlinge, vollgestopft mit Keksteig und Pissbier" und als "fette, dumme, gierige Bastarde ohne Klasse" bezeichnete. Niemals zuvor in der Geschichte des Ryder Cup hatte ein Familienmitglied einem Teamspieler, noch dazu einem Rookie, eine greller leuchtende Zielscheibe auf den Rücken gepinselt. Und dann war da noch David Johnson aus Mayville in North Dakota, der zeigte, dass weder die zwölf amerikanischen Spieler noch das amerikanische Publikum in dieser Woche dazu bereit wären, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Wer zum Teufel ist David Johnson?


»NIEMALS ZUVOR IN DER GESCHICHTE DES RYDER CUP HATTE EIN FAMILIENMITGLIED EINEM TEAMSPIELER, NOCH DAZU EINEM ROOKIE, EINE GRELLER LEUCHTENDE ZIELSCHEIBE AUF DEN RÜCKEN GEPINSELT.«
GOOD CAPTAIN, BAD CAPTAIN
Nirgendwo, nicht beim Masters, nicht bei der Open und schon gar nicht beim Presidents Cup, ist die Stimmung mit den letzten Minuten, bevor ein Ryder Cup startet, zu vergleichen. Zwei Jahre gespannten Wartens, ermüdender Qualifikationsprozesse und endloser Diskussionen über mögliche Paarungen sind jetzt vorbei. In diesen Augenblicken liegt Spannung in der Luft, die keinem vermittelt werden kann, der sie noch nicht selbst erlebt hat. Auch Hazeltine macht da keine Ausnahme, und weil man in den USA etwas von Heldenverehrung versteht, kam die PGA auf den grandiosen Gedanken, Arnold Palmers Ryder-Cup-Bag von 1975, als er Team USA als Captain gegen Grossbritannien und Irland in die Schlacht führte und einen Katersieg verbuchen konnte, auf den ersten Abschlag zu stellen. 1975 war das letzte Mal, dass es einem amerikanischen Team gelang, während einer Session alle vier Matches für sich zu entscheiden, und nachdem Rory McIlroy und Andy Sullivan ihren schon sicher geglaubten Punkt gegen Phil Mickelson und Rickie Fowler auf den letzten vier Löchern noch aus der Hand gegeben hatten, stand es plötzlich 4:0 für Amerika, denn die übrigen drei Paarungen des europäischen Teams waren schlicht chancenlos. Hollywood hätte das Drehbuch für Amerika und seinen verstorbenen König Palmer nicht besser schreiben können und wahrscheinlich gab es in den gesamten Vereinigten Staaten nur einen einzigen Inhaber eines amerikanischen Passes, dem dieser Zwischenstand kein Grinsen ins Gesicht zauberte: Tom Watson. "You stink at four-somes", hatte der Captain von 2014 sein Team damals angeblafft, nachdem Amerika beide Sessions im klassischen Vierer mit jeweils 0,5 zu 3,5 verloren hatte. Die Antwort, die Team USA ihrem ehemaligen Captain an diesen Freitagvormittag in Hazeltine gab, war eine schallendere Watschen als jeder verbale Tiefschlag von Phil Mickelson.

Der Höhepunkt des Tages ist jedoch erst erreicht, als Rory McIlroy, der es an diesem Nachmittag zusammen mit Thomas Pieters mit Dustin Johnson und Matt Kuchar zu tun hat, nach einem bombastischen Drive an der 16, der erst nach 316 Metern zum Liegen kommt, ein Eisen 4 über das Wasserhindernis dieses Furcht einflößenden Par 5 hämmert. Sein Ball steigt noch, da lässt Rory bereits seinen Schläger durch den leicht geöffneten Griff wirbeln und den 10.000 amerikanischen Fans, die diese Spielbahn flankieren, schießt ein kollektiver Gedanke durch den Kopf: "Oh no, he likes it!" Zwei Sekunden später schlägt Rorys Ball fünf Meter neben der Fahne ein und uns, die wir nur wenige Meter vom Grün entfernt diese Demonstration golferischer Weltklasse beobachten, kommt zum ersten Mal an diesem Wochenende ein ernst zu nehmendes "Olé, olé, olé, olé!" über die Lippen. Dustin Johnson, dessen Drive noch weiter flog, hat das Pech, dass Erdreich an seinem, Ball klebt. Millisekunden nach dem Impact flucht er bereits: "Mudball!", ehe sein Ball auf Nimmerwiedersehen im Wasser verschwindet. Die bierseligen Schlachtenbummler rund ums Grün sind sichtlich schockiert und dieser Schock weicht blankem Entsetzen, als Rory McIlroy seinen Ball mit einer majestätischen Bewegung des Putters den steilen Abhang des Grüns herunterrollen lässt, dieser niemals die Ideallinie verlässt und im Loch verschwindet. Eagle und Game over!
Der erste Tag endet mit einer Verbeugung McIlroys und einem Dustin Johnson, dem spätestens im Clubhaus klar geworden sein muss, dass der Nordire ihn vor fünf Tagen bei der Tour Championship nicht nur um zehn Millionen Dollar gebracht, sondern ihm heute auch noch seine bisher makellose Ryder-Cup-Bilanz zusammen mit Matt Kuchar versaut hat. In der Pressekonferenz spät am Abend setzt McIlroy sogar noch einen drauf: "Ehrlich gesagt habe ich über die Verbeugung schon nachgedacht, bevor ich den Putt gespielt habe. Es war eine ziemlich feindselige Stimmung da draußen und ich wollte jeden wissen lassen, wie viel uns der Ryder Cup bedeutet."

IAN POULTER MADE IN THE USA
Am nächsten Morgen ist McIlroys Eagle immer noch Gesprächsthema Nummer eins und dabei droht unterzugehen, welch großen Anteil Ryder-Cup-Neuling Thomas Pieters am 3&2-Triumph seiner Paarung hatte. "Die Ehre gebührt diesem Typen neben mir", so Rorys Kommentar, "er ist Ryder-Cup-Rookie und spielt, als hätte er nie etwas anderes gemacht." Auch Darren Clarke, der eine Paarung in dieser Form offensichtlich nicht auf dem Zettel hatte, war beeindruckt: "Thomas ist ein riesiges Talent. Zusammen mit Rory scheint das einfach zu funktionieren."
Lobpreisung kassierte Pieters in dieser Woche allerdings nicht nur von Captain Clarke, sondern auch von höherer Instanz. Tiger Woods, der als Vizekapitän für Team USA in den Augen der Öffentlichkeit eine ruhige, beinahe schon phlegmatische Rolle spielte, sah Thomas Pieters am Dienstag während einer Trainingsrunde zum ersten Mal live einen Golfball schlagen. "Wow!", war sein treffender Kommentar, als er Pieters' beeindruckenden Ballkontakt hörte und die wunderbare Flugkurve verfolgte.
Augenzeugen berichteten aber schon die ganze Woche, dass Tigers Rolle hinter verschlossenen Türen weitaus aktiver war. Team USA war nach den bitteren Erfahrungen von Gleneagles 2014 zum Erfolgsmodell von Paul Azinger und dessen Triumph in Valhalla 2008 zurückgekehrt, bei dem jeder Vizekapitän für eine Gruppe von vier Spielern zuständig war und über dieses Quartett an den Captain berichtete. Woods hatte in Hazeltine die Verantwortung für Patrick Reed, Dustin Johnson, Jordan Spieth und Matt Kuchar. Als Reeds Kollegen eine Proberunde am Dienstag wegen mäßiger Wetterverhältnisse bereits nach neun Löchern beendeten, war dessen Durst nach Golf noch lange nicht gestillt. "Ich wollte auch die zweiten neun des Golfplatzes sehen und habe deshalb entschlossen, den Platz von der 18 an rückwärts abzulaufen. Als Tiger davon hörte, meinte er nur: 'Okay, lass uns losgehen.' Er hat mir eine Menge über den Golfplatz erzählt und mir geholfen, die einzelnen Bahnen besser zu verstehen. Es ist beeindruckend, aus erster Hand zu erfahren, wie sein Verstand auf einem Golfplatz funktioniert, und es zeigt auf jeden Fall, warum er so oft gewonnen hat."