Und so verbrachte Vincent Langer die ersten Monate des Jahres beinahe komplett auf Teneriffa, um das perfekte Material für die Weltmeisterschaften 2014 zu finden.
Bis dahin war es jedoch ein weiter und nicht immer geradlinig verlaufender Weg. Also spulen wir das Band zurück in die 90er, als ein zehn Jahre alter Vincent viel lieber Fußball gespielt hätte, doch sein Vater war Windsurfer und so musste Vincent mit an den Strand, ob er wollte oder nicht. "Was hätte ich denn anderes machen sollen, außer auch raus aufs Wasser zu gehen?" Doch das war mehr als eine aufgezwungene Freizeitbeschäftigung, Vincent hatte seine Passion gefunden und von dem Wunsch, mit Kumpanen auf dem Bolzplatz zu kicken, war keine Rede mehr.


»WIR VERSUCHTEN DEN GANZEN TAG, VOM STRAND DIE TONNEN IM WASSER ZU TREFFEN.«
So folgte nach dem Studium der zweite Anlauf, es als Windsurfing-Profi zu versuchen. Seither finanziert sich Vincent ausschließlich durch seinen Sport. Damit lassen sich zwar keine Reichtümer scheffeln, doch Surf-Profis haben diesen Weg eingeschlagen, weil sie ihren Sport und den damit verbundenen Lifestyle über alles lieben und das Meer und den Strand niemals gegen ein Büro eintauschen würden. Auch wenn das zur Konsequenz hat, dass man sich als Einmann-Unternehmen in einem harten Konkurrenzkampf behaupten und Fähigkeiten entwickeln muss, die mit dem eigentlichen Sport auf den ersten Blick nur sehr wenig zu tun haben. "Als Windsurfer bin ich gleichzeitig Reiseagent, Manager, Werbeagentur, und wenn es manchmal nötig ist, auch Automechaniker", lacht Vincent, wenn er versucht, eine halbwegs durchschnittliche Woche während der Saison zu beschreiben.
Vor sechs Jahren kam zu dieser Liste noch eine Freizeitbeschäftigung hinzu. Als 2008 bei einer Regatta in Eckernförde absolute Flaute herrschte, traf es sich gut, dass der ehemalige Windsurf-Kumpane und Regatta-Surfer Yannick Oelke, der mittlerweile auf Golf Teaching Pro umgesattelt hatte, im nahe gelegenen GC Altenhof arbeitete. "Yannick kam zur Regatta und meinte zu uns: 'Jungs, es gibt in den nächsten drei Tagen keinen Wind. Kommt mit auf die Driving Range und ich zeige euch den idealen Zeitvertreib für windstille Tage!'" Eine Stunde später versuchten 40 Windsurfer, die kleine weiße Murmel zu treffen. "Am nächsten Tag hatten nicht nur ich, sondern auch eine Menge Kollegen Muskelkater an Stellen, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Aber wir hatten Blut geleckt, besorgten uns Bälle und versuchten den ganzen Tag, vom Strand aus Tonnen, die im Wasser unsere Regattastrecke markierten, zu treffen."
Der ehemalige Kollege hatte nicht zu viel versprochen, denn Vincent war tatsächlich angefixt und seither nimmt er, wann immer es der voll gepackte Terminkalender zulässt, die Schläger in die Hand. Denn so unterschiedlich die Windsurfing- und die Golfwelt auf den ersten Blick auch anmuten, so genial ergänzen sich die beiden Leidenschaften. Es spielt Vincent nicht nur in die Karten, dass sein Sponsor Maui Jim Sonnenbrillen für Surfer und Golfer im Sortiment hat. Egal ob Teneriffa, Sylt oder Portugal, in der Nähe jedes guten Surf-Spots gibt es unter Garantie auch einen passenden Golfplatz. Wie zum Beispiel auf Norderney, wo nicht nur einmal im Jahr die Windsurf-Elite um die Wette fährt, sondern auch die deutsche Windsurf-Legende Bernd Flessner lebt, der es auf dem Brett zu sagenhaften 16 deutschen Meistertiteln gebracht hat. Auf dem Wasser hat Vincent den Altmeister zwar in den letzten Jahren geschlagen, doch wenn Flessner die Kollegen mit auf den knochigen Neunlochplatz der Insel nimmt, dann ist er immer noch der absolute Platzhirsch, schließlich tritt der Mann mit einem niedrigen einstelligen Handicap an.

Im Gegensatz zu vielen Profigolfern, die ihren Sport aussschließlich als Beruf auffassen und deren Anzahl der Spaßrunden pro Jahr daher gegen null tendiert, verbringt Vincent so viel Zeit wie irgend möglich auf dem Wasser. "Windsurfen ist mein Leben, und da es so viele verschiedene Disziplinen gibt - wie zum Beispiel Wave, also in den Wellen bei viel Wind mit hohen Sprüngen und Rotationen -, surfe ich auch richtig oft einfach nur zum Spaß. Sind die Wellen hoch, schnappe ich mir gerne ein Waveboard, was zwar etwas komplett anderes ist als meine eigentlichen Disziplinen, mir aber ebenfalls riesigen Spaß macht. Ist das Wasser absolut flach, kann ich auch freestylesurfen. Auch das ist extrem geil!" Aus diesem Grund ist Vincents Mercedes-Benz Sprinter bis unter das Dach voll gestopft mit Surfboards für alle nur denkbaren Disziplinen und zwischen all den Brettern und Segeln finden sich auch eine Matratze und ein Golfbag - also alles, was es braucht für actiongeladene Wochen am Strand zwischen den Wellen auf der See- und dem Golfplatz auf der Landseite.
Klingt nach einem perfekten Leben. Doch wer jetzt auf die Idee kommt, den nächsten Golfurlaub mit einem Surf-Trip zu verbinden, der sei gewarnt. Im Vergleich zu den Bergen von Segeln, Masten und Brettern in Vincents "Kofferraum" muss sich ein Golf-Travelcover am Flughafen wie Handgepäck anfühlen. "Bei einem Flug zum Training nach Teneriffa sind 500 Euro für Übergepäck keine Seltenheit", grinst Vincent gequält. Auch ein Leben am Strand hat also seinen Preis, und wer das nächste Mal auf dem Weg in den Golfurlaub von der Dame am Lufthansa-Check-in 50 Euro für das Travelcover abgeknöpft bekommt und darüber überhaupt nicht glücklich ist, sollte einfach an Vincent denken und alles ist wieder gut.