Featured StoriesFeatured Stories

Bettinardi

Spielst du noch oder sammelst du schon?

Von Jan Langenbein, Fotos: Bettinardi & Rüdiger Meyer

In der skurrilen Welt der Putter-Sammler sind Einzelstücke eine Selbstverständlichkeit und Headcover Geldanlagen. Bob Bettinardi hat diesen schrägen Vögeln in Chicago einen Tempel gebaut.

Von außen lässt das graue Bürogebäude im Speckgürtel Chicagos nicht erahnen, welche Schätze sich im Inneren verbergen, doch kaum haben wir in der sterilen Lobby die Tür mit dem riesigen B entdeckt, betreten wir ein knallbuntes Wunderland für Golf-Enthusiasten. Seit nunmehr 25 Jahren entwirft, produziert und verkauft Robert J. Bettinardi von Chicago aus Putter, die in den Händen von Spielern wie Matt Fitzpatrick, Matt Kuchar und Francesco Molinari 29 PGA-Tour-Siege, darunter vier Major-Titel, eingefahren haben. Diese neue Boutique, Studio B genannt, ist erst wenige Wochen alt und trotzdem bereits ein Wallfahrtsort für Putter-Freaks und Sammler aus aller Welt. Dies ist der perfekte Ort, um mehr über die Subkultur der Jäger und Sammler in Sachen Putter, Schlägerhauben und sonstiger Nippes, den eigentlich keiner braucht, aber trotzdem jeder Golfer haben will, zu erfahren.

Der erste Blick fällt auf die mit Hunderten Headcovern bestückte Wand im Eingangsbereich. Putterhauben aus mehr als zwei Jahrzehnten Firmengeschichte hängen dort aufgereiht, doch der Versuch, eines der Monopoly Headcover, bei deren Zuteilung wir vor einem Jahr leer ausgegangen sind, von der Wand zu nehmen, scheitert kläglich. "Keine Chance, Jungs, diese Headcover sind nicht zu verkaufen. Das ist unser Archiv und doppelt gesichert", begrüßt uns Tom Sopic. "Ich verrate euch später, was käuflich zu erwerben ist."

Durch den Verkaufsraum mit seinen perfekt arrangierten Puttern, Wedges und Zubehör geht es vorbei an Fittingstudios und einer Werkstatt bis zu einer nur mit Chipkarte zu öffnenden Tür mit goldener Aufschrift: "The Hive". Dahinter verbirgt sich das Allerheiligste der Marke, denn The Hive beherbergt die seltensten Bettinardi-Produkte: von einzigartigen Puttern und Einzelstücken über limitierte Headcover bis hin zu Logo-Ware, die sonst nur auf der Tour zu finden ist. Die holzvertäfelten Wände verströmen Luxus und die mit schwerem Leder bezogenen Tische muten mehr danach an, als würden hier limitierte Rolex- oder Audemars-Piguet-Modelle als Putter-Köpfe und Hosel-Formen bestaunt werden.

Bettinardi: Herr der Headcvoer: Tom Sopic hat sie alle
Herr der Headcvoer: Tom Sopic hat sie alle

»
WIR HABEN UNS DEN SPITZNAMEN 'GUCCI OF GOLF' ERARBEITET, DENN WIR BIETEN EINEN LEVEL AN SERVICE- UND CUSTOM-LÖ-SUNGEN AN, DEN KEIN GROSSER HERSTELLER LEISTEN KANN.
«

Mittlerweile hat sich David Kubiak, verantwortlich für die Sparte Profi-Golf bei Bettinardi, zu uns gesellt und erklärt: "Wir haben uns den Spitznamen 'Gucci of Golf' erarbeitet, denn wir bieten einen Level an Service- und Custom-Lösungen an, den kein großer Hersteller leisten kann. Ganz egal was die Wünsche unserer Kunden in Sachen Putter auch sind, wir können sie hier erfüllen."

Dies hier ist Toms Bühne, schließlich weist ihn seine Visitenkarte als "Hive Concierge" aus, also der Schnittstelle der Marke zu ihren treusten Kunden. "Die Szene der Bettinardi-Sammler, also Leute, die sich nach fast jedem Drop um einen Putter oder ein Headcover bemühen, würde ich in den Vereinigten Staaten auf etwa 2.000 schätzen. Asien ist noch mal eine ganz eigene Szene, in der wir mithilfe von Vertriebsagenten bis zu 10.000 Bettinardi-Fans bedienen", erklärt der Putter-Experte und fügt schmunzelnd hinzu: "Ich kenne einen Sammler in Hongkong, der sein gesamtes Apartment renovieren ließ, nur um seiner Putter-Sammlung den richtigen Rahmen zu schaffen. Das Verrückte daran: Er spielt kein Golf."

Dass sein Job oftmals Fingerspitzengefühl verlangt, ist Tom bewusst. "Die Produkte verkaufen sich praktisch von selbst, deshalb bin ich weniger Verkäufer als vielmehr Seelenklempner, wenn ein Sammler seine monatliche Ration an Bettinardi-Erzeugnissen bereits erreicht hat, aber unbedingt noch zwei oder drei weitere Headcover kaufen möchte."

Theoretisch ist das meiste hier im Laden zwar zu verkaufen, es kann jedoch nicht jeder hereinspazieren und so viele Putter und Headcover, wie es gerade beliebt, in den Einkaufskorb packen. "Wir erlauben jedem Kunden, pro Monat fünf Headcover, drei Sets Schlägerhauben für Hölzer, fünf Metallprodukte wie Ballmarker und Ähnliches sowie drei Putter zu kaufen", erklärt Tom die strikte Rationierung limitierter Bettinardi-Produkte. Kein Wunder, denn es dauert selten länger als zwei Minuten von der Präsentation eines neuen Produkt-Drops auf Social Media wie beispielsweise der Monopoly-Kollektion, die Bettinardi zusammen mit dem Spielehersteller Hasbro umsetzte, oder der gerade vorgestellten Nerf-Kollektion, bis sämtliche Putter, Headcover und andere Produkte der limitierten Serie restlos ausverkauft sind. "Keine Ahnung, welche technischen Hilfsmittel unsere Sammler nutzen, denn es ist wirklich erstaunlich, dass viele nur Sekunden benötigen, um zu bestellen." Die Chance auf ein Monopoly-Headcover oder einen der knallbunten Nerf-Putter ist also vergleichbar mit dem Ergattern eines goldenen Tickets für Willy Wonkas Schokoladenfabrik oder Taylor-Swift-Konzertkarten.

Bettinardi:
So verwundert es auch nicht, dass Tom in seiner Funktion als Hive Concierge schon alle erdenklichen Bestechungsversuche und Formen des Bettelns erlebt hat. Sammler haben sogar schon versucht, ihre Kinder vorzuschicken, um ein noch fehlendes Headcover oder einen streng limitierten Tour-only-Putter zu erstehen. "Wenn der Nachwuchs einen Kunden-Account bei uns anlegt und über eine eigene Kreditkarte verfügt, dann funktioniert diese Hintertür tatsächlich", grinst Tom.

Zwei bis drei Releases an Headcovern für Putter und Hölzer bringt Bettinardi jeden Monat unter die Sammler. Deren Design und Erscheinen richtet sich entweder nach Feiertagen, PGA-Tour-Events oder anderen Sportereignissen. Kollaborationen mit anderen Marken wie im Falle von Hasbro oder Nerf zählen dabei zu den beliebtesten Highlights. Kostet ein Putter-Cover bei Erscheinen auf der Bettinardi-Webseite oder im Studio von Oak Brook je nach Ausführung zwischen 110 und 160 Dollar, so werden besonders beliebte und rare Exemplare unter Sammlern mit Preisen von bis zu 1.000 Dollar gehandelt.

Wer bei der Zuteilung der limitierten Releases immer wieder zu langsam ist und zu kurz kommt, dem bleibt noch ein anderer Weg zu einem einzigartigen Bettinardi-Putter. "Egal woher in der Welt, wer Interesse an einem Hive-Putter hat, kann hier im Studio einen Termin vereinbaren. Ich habe eine Menge internationaler Kunden, die extra zum Fitting und Entwerfen eines Custom-Putters hierher nach Chicago kommen. Nach einem 60-minütigen Fitting kann ich sagen, welche Schlägerköpfe für den jeweiligen Putting Stroke sinnvoll sind." Wenn aus Toms Auswahl von zehn bis zwölf Schlägerköpfen der richtige gefunden wurde, fängt der Spaß erst richtig an, denn nun sind der Fantasie kaum noch Grenzen gesetzt: Material, Finishes, Schlagflächen, Hosel, Schäfte, Schaftbänder, Griffe - alles kann individuell gestaltet und kombiniert werden. "Allein schon beim Schliff der Schlagfläche sind die Möglichkeiten praktisch unendlich. Solange keine Trademark oder kein Copyright besteht, kann alles auf einer Schlagfläche verewigt werden. Da ich aus Kroatien stamme, habe ich zum Beispiel die kroatische Flagge in die Schlagfläche meiner Putter fräsen lassen", erklärt Tom nicht ohne Stolz.

Bettinardi: Weisheit des Alters:Nicht jeder Bettinardi trägt SicherheitsschuheBettinardi: Weisheit des Alters:Nicht jeder Bettinardi trägt Sicherheitsschuhe
Weisheit des Alters:Nicht jeder Bettinardi trägt Sicherheitsschuhe
Die Chance, dass ein individueller Hive-Putter einem bereits zuvor produzierten Modell gleicht, ist somit gleich null. "Wir würden das niemals erlauben", stellt Tom klar "Unsere Hive-Putter sind Einzelstücke und werden nie reproduziert. Wir haben eine Datenbank, die alle jemals hergestellten Putter umfasst, und würden merken, wenn Duplikate entstehen." Sämtliche Bettinardi-Putter, -Wedges und -Headcover sind nicht nur "made in the USA", sondern werden im Großraum Chicago produziert. "Das wird auch sicherlich immer so bleiben. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand Bob davon überzeugen könnte, unsere Produktion nach Übersee zu verlagern."

Zehn bis 14 Wochen nach der Fitting- und- Design-Session in Oak Brook kann der Putter abgeholt werden oder kommt per Kurierdienst frei Haus zum Kunden. Preise für einen solchen Custom-Putter beginnen bei 2.800 Dollar. Sonderwünsche wie spezielle Finishes oder Edelmetall treiben diesen Basispreis selbstverständlich in die Höhe.

Ob diese Kunstwerke dann tatsächlich mit auf den Golfplatz genommen werden oder sie wie viele rare Sportwagen in Sammlungen Staub ansetzen, wissen nur ihre stolzen Besitzer. David ist sich allerdings sicher, dass mindestens 70 Prozent aller Hive-Putter auf dem Platz zum Einsatz kommen und nur 30 Prozent nie Gras zu sehen bekommen.

Während wir am Ende unserer Tour durch das neue Nervenzentrum von Bettinardi bei der Hausbank anrufen, um zu checken, wie viele Headcover das Girokonto noch hergibt, verschickt Tom die Einladungen für das Bettinardi Summer Social, eine alljährliche Veranstaltung, zu der die 60 größten Sammler nach Chicago eingeladen werden, gemeinsam Golf spielen und mit ihren seltensten Stücken prahlen. "Studio B wird zu dem Event komplett anders aussehen als heute und es wird limitierte Putter und Headcover zu diesem Anlass geben." Jede Wette, dass Tom an diesem Wochenende wieder jede Menge Flehen und Betteln zu hören bekommt.

Featured Stories