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Der Blick des Architekten

Das Routing: Das Rückgrat eines jeden Golfplatzes

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola

Ein amtlicher Roadtrip beginnt mit der Routenplanung. Beim Bau eines guten Golfplatzes verhält es sich nicht anders, wie unser Kolumnist weiss, nur die Kosten einer Fehlplanung ufern beim Platzdesign garantiert schneller aus als bei einer Ferienreise.

Bild oben: DAS FERTIGE PRODUKT
Wie sich zeigt, ist das Routing der Ursprung von allem. Diese zehn Löcher wurden in etwas mehr als drei Monaten für ein Budget von etwa 80.000 Euro pro Spielbahn realisiert


Der Plan für das Routing eines Golfplatzes legt die Reihenfolge der Löcher in der Landschaft fest und ist sowohl das Skelett als auch die Basis des späteren Designs. Das Skelett, denn dieser Struktur wird im weiteren Verlauf der Bauarbeiten alles hinzugefügt. Und die Basis, denn das Routing bestimmt nicht nur den Ablauf und die Dramaturgie des Golfplatzes, es wirkt sich auch auf die Baukosten und die Qualität des Designs aus. Die Folgen eines schlechten Routings? Das natürliche Potenzial eines Golfplatzes kann zerstört werden, die Baukosten können in die Höhe schnellen und spätere Reparaturen sehr teuer werden.

Ein Routing ist ein sehr einfaches Stäbchenmodell, der den am weitesten hinten liegenden Abschlag, die Mittellinie des Lochs, seinen Landebereich oder "Wendepunkt" und den Grünkomplex festlegt. Obwohl er simpel aussieht, ist dies der wichtigste Plan, den der Architekt während seiner gesamten Arbeit erstellen wird. Das liegt daran, dass beim Versuch, den bestmöglichen Golfplatz zu bauen, alle anderen Pläne konstruktionsorientiert sind und sich ständig ändern, sobald die Maschinen zum Einsatz kommen. Die Streckenführung ist eine Konstante, die nur noch geringfügige Änderungen erfahren kann, wie zum Beispiel verlängerte oder verkürzte Spielbahnen oder leicht verschobene Grüns und Abschläge. Normalerweise finden nach Festlegung des Routings keine dramatischen Änderungen mehr am Platz statt.

Das Ziel bei der Planung des Routings ist einfach und umschließt drei Faktoren: erstens in der vorgegebenen Landschaft unterschiedliche Spielbahnen zu finden, die den Golfern möglichst viele verschiedene Varianten von Schlägen abverlangen, zweitens die Schönheit des Grundstücks maximal auszunutzen und drittens Baukosten realistisch zu halten.

Viele berühmte Golfplätze werden dem ersten Ziel oft nicht gerecht. Augusta National zum Beispiel verlangt den Spielern bei den Abschlägen beinahe ausschließlich Rechtslinks-Flugkurven ab. Das ist die Grundcharakteristik des Platzes. Ist sein Routing deshalb fehlerhaft? Sicherlich nicht. Im "Home of Golf", dem Old Course in St. Andrews, werden ebenfalls Draw-Flugkurven bevorzugt und auch andere großartige Golfplätze favorisieren ein bestimmtes Schlagmuster. Dies verdeutlicht nur, dass das Routing großartiger Kurse nicht immer allen Anforderungen gleichermaßen gerecht wird.

Der Blick des Architekten:
Bild oben: DIE TOPOGRAFISCHE KARTE
Auf dieser Karte werden zunächst die Grundstücksgrenzen und die Anschlüsse an die Wasser- und Stromversorgung markiert, bevor die erste, grobe Suche nach einem Routing beginnt


Ein ungewöhnlich geformtes Grundstück und schroffe oder hügelige Landschaft geben oft vor, was der Architekt tun und wo er Spielbahnen platzieren kann. Wird jedoch ein Dutzend Architekten damit beauftragt, ein solches Stück Land zu bebauen, dann kommen dabei garantiert auch ein Dutzend verschiedene Designs heraus, da Architekten unterschiedliche Lösungen herausarbeiten werden.

Bei flacheren Grundstücken hat der Architekt freiere Hand. Der Fantasie kann freien Lauf gelassen, Reihenfolge, Art und Länge der Spielbahnen können selbst bestimmt werden.

Die Planung des Routings beginnt in der Regel mit Luftbildern sowie topografischen Karten. Obwohl diese bereits umfangreiche Informationen liefern, geben sie oft nicht alle Geheimnisse einer Landschaft preis. Diese können nur gelüftet werden, wenn man das Grundstück zu Fuß erkundet. Also nehme ich immer eine mit Plastik überzogene topografische Karte im Maßstab 1 : 2.000 und einige Permanentmarker mit, wenn ich ein Stück Bauland zum ersten Mal durchforste, markiere alle möglichen Informationen auf der topografischen Karte und kritzele Notizen auf ihre weiße Rückseite. Ich fotografiere das Grundstück und längst gehören auch Überflüge mit einer Drohne zum Repertoire. Die Dauer der Erkundung hängt von der Komplexität des Grundstücks ab.

Beim Anfertigen der ersten Karte werden zunächst sensible Umweltzonen vermerkt: Feuchtgebiete, Teiche, Bäche, Flussufer, saisonale Überschwemmungsbecken, frei stehende Bäume und dergleichen. Insbesondere schroffe oder unzugängliche Stellen, die der Platz möglicherweise durchqueren muss, werden vermerkt. Denn dies sind oft wunderbare Stellen, um einzigartige Par-3- oder ungewöhnliche, kürzere Par-4- oder Par-5-Löcher zu platzieren. Hervorzuheben ist zudem die Aussicht auf das umliegende Land: Gibt es schöne Ausblicke, die er hervorzuheben gilt, oder vielleicht optische Schandflecken, von denen sich ein oder mehrere Löcher und somit auch der Fokus der Golfer weg orientieren sollen? Währenddessen bin ich immer damit beschäftigt, die natürlichen Plätze für Grüns und Teeboxen ausfindig zu machen und zu markieren.

Liegen alle Informationen vor, ist es an der Zeit, mit dem Festlegen der Lochfolge zu beginnen. Früher habe ich Pauspapier verwendet. Heutzutage ist es mit Computern und Apps wie Google Earth ganz einfach, ein Routing zu planen und jede Variation per Mausklick zu speichern. Sobald eine oder mehrere Routen ideal erscheinen, ist es an der Zeit, sie durch die Landschaft zu führen, um zu sehen, wie sie funktionieren und wo sie verbessert werden könnten.

Der Blick des Architekten:
Bild oben: EIN GROBES ROUTING
Viele dieser mit Notizen versehenen Entwürfe entstehen beim Erstellen der ersten formalen Pläne. In diesem Fall sorgte die Lage an einem großen Fluss für nennenswerte Umweltauflagen


Neben einer Ausgewogenheit der Schlagvarianten stellt sich auch die Frage nach der Ausgewogenheit des Designs. Wenn das Ziel darin besteht, die beste Abfolge von Löchern zu schaffen, mag es sinnvoll erscheinen, das Par beider Neunlochschleifen auszugleichen, wirklich nötig ist es allerdings nicht. Meiner Meinung nach steigert dieses "Gleichgewicht" weder die Qualität noch die Spielbarkeit eines Designs. Tatsächlich kann das Erzwingen des "Gleichgewichts" zu einem schlechteren Routing führen, daher akzeptiere ich einen, zwei oder sogar drei Schläge Unterschied zwischen den Front und den Back Nine, wenn sich dies als die allerbeste Lösung herausstellen sollte.

Die besten Golfplätze des Planeten sind schließlich voll von Kuriositäten dieser Art. Die Back Nine im Merion Golf Club verfügen zum Beispiel über kein einziges Par 5 und addieren sich zu Par 34. Tatsächlich hat dieser Austragungsort von bisher fünf US Open nach dem vierten Loch kein Par 5 mehr. In Pacific Dunes dagegen finden sich drei Par 5 und vier Par 3 auf den zweiten neun. Cypress Point verfügt über aufeinanderfolgende Par-3- und Par-5-Bahnen. Bei meinem ersten Entwurf, Artland GC, habe ich drei Par 3 und zwei Par 5 in einer Reihe von sechs Löchern. Es geht darum, was die Landschaft, Topografie und Form des Grundstücks vorgeben. Die Löcher sind alle unverwechselbar und fließen nahtlos ineinander, indem sie eine Reihe verschiedener Schläge ermöglichen.

Schreibt ein gutes Routing zwei Neunlochschleifen, die jeweils am Clubhaus beginnen und enden, vor? Die Bahnen 9 und 18 wieder ans Clubhaus zu führen ist aus kommerziellen Gründen ideal, aber wenn das Routing darunter ernsthaft leidet, sollte man sich von diesem Ideal verabschieden können. Zwei wiederkehrende Neunlochplätze waren nämlich nicht immer die Norm. Der "World Atlas of Golf" von 1976 benannte und untersuchte die besten Golfplätze auf der ganzen Welt und zählte 32 Golfplätze, die über zwei Neunlochrunden verfügen, die zum Clubhaus führen. 38 dagegen taten dies nicht. Ebenso interessant, wenn auch nicht überraschend, ist, dass alle legendären Architekten, die mit mehreren Designs im Buch vertreten sind, Plätze mit beiden Varianten gebaut hatten. Sie richteten ihr Routing also nach dem, was ihnen das vorhandene Stück Land vorgab.

Jedes Routing ist ein Puzzle, das es für jeden Golfplatz aufs Neue zu lösen gilt. Auch wenn der erste Routingplan nicht so sexy daherkommt wie farbig gestaltete Masterpläne einer Golfanlage, ist er doch enorm wichtig. Denn nur hervorragende Routings können die Voraussetzungen für den Bau großartiger und kosteneffizienter Golfplätze schaffen.

 
Der Autor

Der Autor

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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