Featured StoriesFeatured Stories

Influencer

Generation Online-Golf

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images (3), Sportalm (1), Stefan von Stengel (1)

Scottie Scheffler ist der erfolgreichste Golfer der Welt, keine Frage. Aber im Internet laufen ihm nicht nur Bryson DeChambeau oder Max Homa den Rang ab, sondern Dutzende Influencer, die Golf einer jüngeren Generation auf neue Art nahebringen.

Als Bryson DeChambeau im Juni 2022 trotz langer gegenteiliger Beteuerungen zu LIV Golf wechselte, weinten ihm nur wenige eine Träne nach. Seine anfangs noch erfrischend exzentrischen Technikspielereien, die ihm den Spitznamen "The Scientist" einbrachten, hatten sich abgenutzt, sein Caddie Tim Tucker warf am Vorabend eines Turniers aufgrund verbaler Beleidigungen das Bag hin und Brysons Fehde mit Brooks Koepka ließ selbst Patrick Reed plötzlich wie Mutter Teresa wirken. Doch statt sich mit den kolportierten 125 Millionen Dollar Saudi-Handgeld auf die faule Haut zu legen, beschloss der heute 31-Jährige, sich mit seiner gewonnenen Freizeit neu zu erfinden. "Ich wusste, wie mein Image aussah", erklärte der US-Open-Sieger der "New York Times". "Es gab Zeiten, da musste ich mich auf dem Golfplatz verstellen, um dem zu entsprechen. Und ich dachte mir: ,Das bin ich nicht.'" Die Lösung fand er bei YouTube.

INSTAGRAM

  1. Paige SPIRANAC .................4,0 Mio.
  2. Grace CHARIS .....................3,5 Mio.
  3. Kathryn NEWTON ...............1,9 Mio.
  4. Bri TERESI ...........................1,4 Mio.
  5. Garrett CLARK .....................1,0 Mio.
  6. Lucy ROBSON.....................0,95 Mio.
  7. Rick SHIELS .........................0,8 Mio.
  8. Bob Does Sports ..................0,7 Mio.
  9. Grant HORVAT .....................0,7 Mio.
  10. Fabia BENGS .......................0,4 Mio.

Am 24. Mai 2021 hatte DeChambeau seinen Kanal eröffnet, im ersten Jahr aber nur neun Videos veröffentlicht: einige Schwungtipps, eine "MTV Cribs"-artige Hausbesichtigung und seine Teilnahme bei der World Long Drive Championship. Doch seit er bei LIV ist, postet er regelmäßig Challenges mit anderen Influencern, Profi Kollegen oder mit Holzköpfen, die ihre beste Zeit bereits hinter sich haben - gemeint sind natürlich Hickory-Schläger. Das Experiment funktionierte: DeChambeau hat mittlerweile über 1,5 Millionen Abonnenten - und als es im Finale der diesjährigen US Open zum Duell mit Schwiegermutterliebling Rory McIlroy kam, lagen die Sympathien des Publikums in Pinehurst tatsächlich bei DeChambeau, der während der Runde Autogramme für Kinder schrieb und einen Daumen in die TV-Kameras hochhielt.

Bryson DeChambeau hat verstanden, dass Social Media für Golfprofis nicht nur etwas ist, wo sie mit Beleidigungen bombardiert oder - vor allem im Fall von Frauen - von sexistischen Vollpfosten belästigt werden. Es ist auch eine Möglichkeit, die eigene Sichtbarkeit und damit die Attraktivität für Sponsoren zu erhöhen. Max Homa ist beispielsweise der Golf-König von Elon Musks Twitter-Kadaver X und lässt seine 680.000 Follower derart intensiv an seinem Leben teilnehmen, dass es zur beidseitigen Abhängigkeit geworden ist. Im August kehrte Homa nach einer selbst verordneten zweimonatigen Abstinenz zurück wie ein Alkoholiker aufs Oktoberfest: "Ich habe Twitter vor Kurzem verlassen, weil ich dachte, es könnte meinem Spiel helfen. Junge, lag ich daneben!"

Influencer: Sicher auf die Klassenfahrt: Mutti hat Kathryns Namen auf den Rücken gestickt
Sicher auf die Klassenfahrt: Mutti hat Kathryns Namen auf den Rücken gestickt

»
GOLF IN DEUTSCHLAND MUSS EINFACH VIEL LOCKERER WERDEN.
FABIA BENGS
«

Neben Homa hat sich PGA-Tour-Kollege Michael Kim zu einem der besten X-Accounts gemausert, der so offen, wie es die Regularien der Tour zulassen, Einblicke hinter die Kulissen erlaubt. Wer wissen will, wie viele Bälle die Pros von ihren Sponsoren erhalten, wie ihre Preisgelder versteuert werden oder wie Dopingproben ablaufen: Kim hat auf alles eine Antwort. Diese Offenheit hat den gebürtigen Südkoreaner ebenso zum populären Podcast-Gast gemacht wie seinen US-Landsmann Homa. Der sechsfache PGA-Tour-Sieger ist Stammgast beim Team von "No Laying Up", das sich als alternative Golf-Medienmarke einen solchen Namen gemacht hat, dass sich das Who's who der Golfszene das Mikrofon in die Hand gibt. Sei es Rory McIlroy, der eine Stunde lang über seine Lieblingsserie "Succession" redet, Lydia Ko, die ihren Sieg bei der British Open verarbeitet, oder der deutsche Stephan Jäger nach seinem Debütsieg auf der PGA Tour.

TIKTOK

  1. Grace CHARIS ..........................2,9 Mio.
  2. Garrett CLARK ..........................2,4 Mio.
  3. Paige SPIRANAC .....................1,6 Mio.
  4. Lucy ROBSON ...........................0,9 Mio.
  5. Danny SANICKI .........................0,7 Mio.
  6. Derek DAYS................................0,6 Mio.
  7. My Fairway Ladies ....................0,6 Mio.
  8. Grant HORVAT ..........................0,4 Mio.
  9. Rick SHIELS ..............................0,4 Mio.
  10. Kathryn NEWTON .....................0,4 Mio.

Social Media ist aber mehr als nur Zeitvertreib für gelangweilte Profi Golfer. Längst hat sich auf YouTube, Instagram und TikTok eine eigene Szene von Influencern gebildet, die gerade bei jüngeren Golfinteressierten auf viel Zulauf stößt. Dass sich dort eine Gefahr zusammenbraut, die jüngere Zielgruppe zu verlieren, hat mittlerweile auch die PGA Tour erkannt. Im Vorfeld der Tour Championship wurde zum ersten Mal The Creator Classic veranstaltet, bei dem sich am Vorabend des Turniers 16 Influencer zum live übertragenen Zählspielwettstreit über neun Löcher trafen. Fast 120.000 Zuschauer sahen live bei YouTube zu; hinzu kam noch das über ESPN+ zugeschaltete Publikum. Zählt man die zeitversetzten Klicks hinzu, kommt man auf noch schockierendere Zahlen. Nach einer Woche hatte das Golf-Event mit Influencern wie Instagram-Sensation Paige Spiranac, PGA-Tour-Sieger Wesley Bryan, YouTube-Golflehrer Peter Finch oder Teen-Phänomen Gabby DeGasperis 1,8 Millionen Aufrufe. Die Schlussrunde von LIV Greenbrier, bei der es zum Showdown zwischen Brooks Koepka und Jon Rahm kam, erreichte nicht mal ein Zehntel davon. Noch deutlicher waren die Zeichen für den Anbruch einer neuen Ära im Februar zu sehen, als das Team von "Good Good Golf" die Good Good Desert Open für Golf-Influencer veranstaltete und bei der Live-Übertragung auf dem Streamingdienst Peacock 800.000 User anlockte. Das ist ein Drittel der Zuschauerschaft des großen FedEx-Cup-Finales, das sogar im klassischen US-Fernsehen lief. In einer Zeit, in der alle vom Konflikt zwischen PGA Tour und LIV genervt sind, bieten ausgerechnet Influencer eine reinere Form von Golfbegeisterung.

Das soll allerdings nicht bedeuten, dass für die Stars auf YouTube, Instagram und Co. Geld keine Rolle spielen würde - ganz im Gegenteil. Paige Spiranac beispielsweise versuchte sich 2016 für ein Jahr auf der Cactus Tour und verdiente 8.000 US-Dollar. Heute kassiert sie laut Schätzungen für jeden ihrer Posts auf Instagram diese Summe. Mit vier Millionen Followern dominiert sie das Meta-Bildermedium wie kaum ein anderer Golf-Influencer. Einzig Grace Charis, die neben ihrem Golfspiel wie Spiranac auch ihre Oberweite in Szene setzt, kommt mit 3,5 Millionen Followern nahe ran. Die Deutsche Fabia Bengs, die als Pasta-Influencerin groß wurde, ihren 430.000 Followern aber auch ihre Golfleidenschaft nahebringt, ist da etwas zwiegespalten. "Ich mag süße Golf-Outfits, aber wenn mein Rock zu kurz ist, kriege ich von meinen Eltern Ärger", erzählt sie lachend.

Influencer: Generation FOMO: erst mal alles in die Cloud!
Generation FOMO: erst mal alles in die Cloud!
Die 16-jährige Gabriela DeGasperis, die als "Gabby Golf Girl" immerhin 580.000 Anhänger hat, möchte auch nicht auf diese Art bekannt werden. "Sie machen ihr Ding, damit habe ich kein Problem; aber das ist nichts, was ich jemals tun würde", erzählte sie dem britischen Magazin "Golf Monthly". "Solange wir deutlich mehr weibliche Golf-Influencer haben, die das Gleiche mit sauberen Inhalten machen, ist das großartig." Dass viele darauf setzen, eher niedere Instinkte anzusprechen, liegt daran, dass es auch im Social-Media-Bereich eine Benachteiligung von Frauen gibt. "Ich musste außerordentlich hart arbeiten, um in dieser Branche voranzukommen, und bin einzig aufgrund meines Alters und meines Geschlechts oft auf Hindernisse gestoßen", klagt DeGasperis. "Obwohl das manchmal entmutigend ist, weigere ich mich, meine Werte und meine Integrität aufzugeben. Ich bleibe lieber mir selbst treu, bahne mir meinen eigenen Weg und arbeite noch härter, um meine Ziele zu erreichen."

YOUTUBE

  1. Rick SHIELS ...............................2,9 Mio.
  2. Good Good Golf .........................1,7 Mio.
  3. Bryson DECHAMBEAU ..............1,5 Mio.
  4. Grace CHARIS ...........................1,5 Mio.
  5. Danny MAUDE ...........................1,4 Mio.
  6. Garrett CLARK............................1,2 Mio.
  7. Bob Does Sports ........................0,8 Mio.
  8. Grant HORVAT ...........................0,8 Mio.
  9. Peter FINCH ...............................0,7 Mio.
  10. Mark CROSSFIELD .....................0,5 Mio.

Der Gender Gap wird besonders auf einer Plattform wie YouTube deutlich, wo erfolgreiche Content-Produzentinnen immer noch die Ausnahme darstellen. Mit 430.000 Abonnentinnen liegt Spiranac auch hier deutlich vor Gabby (150.000) oder Hailey Ostrom (160.000), aber immer noch deutlich hinter den männlichen Marktführern, die oftmals den identischen Content aus lustigen Challenges, Schwungtipps oder Golfplatzbesprechungen anbieten. Sei es die bereits angesprochene "Good Good Golf"-Truppe (1,7 Millionen), deren Aussteiger Grant Horvat (800.000), der hochtalentierte Jung-Golfer Garrett Clark (1,2 Millionen) oder natürlich YouTube-Golfkönig Rick Shiels (Interview auf Seite 36), der dank seiner fast drei Millionen Follower jedes Jahr geschätzt mindestens eine hohe sechsstellige Summe verdient. Seit der Brite im Mai 2012 als Early Adopter die Videoplattform für sich entdeckte, hat er 2.300 Videos gepostet und mit den größten Stars der Golfszene gespielt. Einzig den besten Golfer aller Zeiten konnte er sich noch nicht sichern.

Tiger Woods hat zwar aufgrund seines Namens populäre Social-Media-Accounts (3,5 Millionen Follower auf Instagram, 6,5 Millionen auf X), deren Pflege aber offenbar auf Angestellte ausgelagert, die für Woods' Projekte werben. Sein einziger YouTube-Auftritt kam Anfang 2024, als er sich auf einen Long-Drive-Wettbewerb mit der "Fore Play Golf"-Truppe einließ - und die Jungspunde mit einem Schlag von den Knien nass machte. Dass das Video mit drei Millionen Aufrufen die Follower-Zahl der YouTuber um das Sechsfache überschritt, dürfte nicht verwundern. Überraschender ist, dass es nicht das erfolgreichste Video des Kanals ist. So wurde ein Match gegen die Kollegen von "Bob Does Sports" 600.000-mal öfter angeklickt.

Influencer: Fab Fore: Bengs schießt scharf (l.) Bob does Sports, oder: Die Enkel von Bud Spencer und Terence HillInfluencer: Fab Fore: Bengs schießt scharf (l.) Bob does Sports, oder: Die Enkel von Bud Spencer und Terence Hill
Fab Fore: Bengs schießt scharf (l.) Bob does Sports, oder: Die Enkel von Bud Spencer und Terence Hill
Diese Popularität weckt natürlich auch bei der Golf-Industrie Begehrlichkeiten. Ging es jahrelang nur darum, die erfolgreichsten Profis im Stall zu haben, hat längst das Wettbieten um die Influencer begonnen. "Good Good Golf" etwa steht bei Callaway unter Vertrag. Zuvor hatte der Schlägerhersteller das "No Laying Up"-Team gesponsert, das aktuell von Titleist ausgestattet wird. Rick Shiels wiederum gehörte vier Jahre zum Nike-Stall, bevor er zu Lyle & Scott und der dänischen Schuhmarke Ecco wechselte. Viele Influencer sind jedoch nicht mal auf große Marken angewiesen, sondern lancieren eigene, wie es Robby Berger alias "Bob Does Sports" mit Breezy Golf getan hat oder Grant Horvat mit seiner Signature Collections für Primo. Auch Fabia Bengs hat mit Rockupy eine Mode-Linie gestartet: "Sie haben mich angefragt, ob ich Interesse hätte, mit ihnen eine eigene Golf-Kollektion zu machen, und weil ich parallel dazu mein eigenes Golfturnier veranstaltet habe, war das ein gutes Match."

Dass es ein Gezerre um Golf-Influencer gibt, liegt nicht nur an ihrer absoluten Reichweite. Mindestens genauso wichtig ist, welche Zielgruppen sie ansprechen. Das Durchschnittsalter von Zuschauern des amerikanischen Golf Channel liegt bei über 60 Jahren - das typische Publikum der Golf-Content-Creator ist nur halb so alt. In Deutschland seien wir noch nicht so weit, glaubt Fabia Bengs. "Aber es hat viel Potenzial. Bei meinem Turnier haben sehr viele junge Leute mitgespielt und sich gewünscht, dass es öfter so etwas gibt. Golf in Deutschland muss einfach viel lockerer werden." Das wäre nicht nur ein Segen für Firmen, die Angst davor haben, dass ihre Zielgruppe wegstirbt, es wäre auch ein Segen für den Golfsport selber. Einerseits räumen Influencer mit dem Vorurteil auf, Golf sei so angestaubt wie die Sphinx nach einem Sandsturm. Andererseits machen sie junge Menschen auf Golf neugierig, die mit dem Sport sonst nie in Kontakt gekommen wären. Gut möglich also, dass der nächste Superstar des Profi-Golfs seine ersten Schwungversuche nicht wie Rory McIlroy oder Tiger Woods im Fernsehen, sondern auf YouTube macht.

Featured Stories