

»WÜSSTE ICH NICHT, DASS HIER LEDIGLICH STARTZEITEN DAS OBJEKT DER BEGIERDE SIND, HÄTTE ICH SPÄTESTENS JETZT MÄCHTIG SCHISS, IN DAS TREFFEN EINER BESONDERS ABSEITIGEN SEXCOMMUNITY GERATEN ZU SEIN.«
"The People's Country Club" steht einladend auf einem Schild vor dem Clubhaus. Hier bin ich richtig, denn im Country Club für das gemeine Volk kann jeder aufkreuzen, Dollars auf den Tresen blättern und loslegen. Die Absperrbänder vor den Fenstern, an denen man sein Greenfee entrichten kann, lassen allerdings vermuten, dass es nicht ganz so einfach sein dürfte, und erinnern mehr an die Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen zur Hauptreisezeit als an ein Golfclubhaus. Stacey, die heute an Fenster Nummer 2 Dienst schiebt, schaut mich ungläubig an, als ich naiv nach einer Startzeit für den Black Course frage: "Es ist jetzt 14:30 Uhr. Das Einzige, was ich dir anbieten kann, ist eine Startzeit auf dem Blue Course um 17:45 Uhr. Das macht 35 Dollar. Der Black Course ist diese Woche ausgebucht. Die erste Stunde jeden Tag ist allerdings für Golfer vorbehalten, die nicht reserviert haben und einfach aufkreuzen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Der Nächste, bitte!" Kaum wurde mir mein Greenfee-Ticket für den Blue Course durch den Schlitz im Fenster zugesteckt, schiebt die Schlange ungeduldiger New Yorker in Golfshirts weiter und meine Audienz bei der Herrin über die Startzeiten ist beendet. Also nutze ich die verbleibenden Stunden, bis ich auf den Blue Course gelassen werde, um mich auf dieser gigantischen Anlage umzuschauen. Fünf 18-Loch-Plätze öffnen hier tagtäglich ihre Tore für die Golfer der Metropole. Benannt nach Farben sind der Yellow, Green, Blue, Red und Black Course wie Skipisten nach ihren jeweiligen Schwierigkeitsgraden eingestuft. Green, Blue und Yellow sind nette und preiswerte Golfplätze, für die es sich allerdings kaum lohnen würde, über den Atlantik zu fliegen. Der Red Course ist ein echtes Juwel und der Black Course empfängt Golfpilger mit einem unmissverständlichen Schild am ersten Abschlag: "Warning! The Black Course is an extremely difficult golf course which we only recommend for highly skilled golfers." 2002 gewann Tiger Woods hier die erste US Open, die auf einem Golfplatz ausgetragen wurde, der faktisch dem Steuerzahler gehört, und sieben Jahre später kehrte das härteste Golfturnier auf den Black Course zurück. Es kann sich allerdings kaum noch jemand an 2009 erinnern, denn es schüttete die gesamte Woche wie aus Kübeln und am Ende gewann Lucas Glover. Auf dem ersten Abschlag des Blue Course gesellt sich Marc, ein 52 Jahre alter Klempner aus Queens, zu mir und kann es kaum fassen, dass Golfer aus Europa hierherkommen, um "seine" Plätze zu spielen. "Bethpage ist ein Geschenk des Himmels für alle, die sich keine Mitgliedschaft in den Country Clubs leisten können", erzählt er. Eine Lösung für mein Startzeitenproblem auf dem Black Course hat er ebenfalls parat: "Du musst im Auto übernachten. Dort hinten gibt es Parkplätze mit aufsteigender Nummerierung.

FRÜHSPORT
Die Parkbuchten 1 bis 3 sind bereits belegt, also parke ich meinen Toyota auf Platz Nummer 4 in freudiger Gewissheit, in wenigen Stunden auf einem US-Open-Platz spielen zu können. Lediglich das Wohnmobil auf Parkplatz 1 macht mir Angst. Wie viele Golfer mögen wohl in diesem Winnebago übernachten? Hut ab vor so viel Kreativität, eine Nacht auf dem Parkplatz verliert im Wohnmobil definitiv ihren Schrecken. Die Uhr zeigt mittlerweile 1:35 und im Zehnminutentakt wiederholt sich nun das immer gleiche Schauspiel: Ein Pkw der Mittelklasse biegt auf den Parkplatz ein, stellt sich artig auf den nächsten freien Parkplatz, die Scheinwerfer werden ausgeschaltet, doch niemand steigt aus. In einigen Autos haben die Insassen die Sitze nach hinten geklappt und versuchen zu schlafen, meist jedoch sind hinter den Lenkrädern spärlich von Smartphone-Displays erleuchtete Männer mit Titleist-Caps zu erkennen, die den Sonnenaufgang herbeisehnen. Wüsste ich nicht, dass hier lediglich Startzeiten das Objekt der Begierde sind, hätte ich spätestens jetzt mächtig Schiss, in das Treffen einer besonders abseitigen Sex-Community geraten zu sein. Ein Schild am Anfang der Wartereihe weist darauf hin, dass die Toilettenhäuschen zwischen Yellow und Blue Course die ganze Nacht geöffnet sind. Mein Versuch, ebenfalls ein wenig Schlaf zu finden, scheitert kläglich; viel zu aufgeregt bin ich angesichts des bevorstehenden Golftages. Ich habe den Black Course zwar schon Dutzende Mal gespielt und meine Bestleistung von 53 Schlägen - von den Back Tees, versteht sich - kann sich durchaus sehen lassen. Allerdings fanden diese Runden allesamt auf der PlayStation statt und nun steht der erbarmungslose Realitätscheck bevor. Um kurz vor halb fünf Uhr morgens kommt schlagartig Bewegung in die bisher so ruhige Parkplatzszenerie. Ein Ford F150 Pick-up Truck rollt durch das Eingangstor und die Locals wissen offenbar, was jetzt kommt, denn wie auf Knopfdruck springen schätzungsweise 80 Golfer aus den rund 40 mittlerweile hier versammelten Autos. Der Pick-up hält vor Parkplatz Nummer 1 und ein untersetzter Mittvierziger kurbelt das Fenster herunter: "Alright Guys, hier sind eure Tickets. Alle der Reihe nach!" Das ist er also, der mysteriöse Ranger, der die Eintrittskarten zur Folterkammer Black Course in den Händen hält.


BETHPAGE STATE PARK - BLACK COURSE
PAR 71, 6.112 METER (WEISSE TEES)GREENFEE: 67 EURO - 129 EURO
2002 U.S. OPEN:
PAR 70, 6.596 METER
2009 U.S. OPEN:
PAR 70, 6.790 METER
NÄCHSTE EVENTS:
2019 PGA CHAMPIONSHIP
2021 NORTHERN TRUST
2024 RYDER CUP
2021 NORTHERN TRUST