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Stroke of a Genius

Michelle Wie 2014

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Imago

Sie war die Hoffnung des Damengolfs, doch der ganz große Sieg blieb der Hawaiianerin verwehrt - bis sie bei der US Open in Pinehurst einen entscheidenden Putt versenkte.

Ort: Pinehurst (North Carolina, USA) Turnier: US Women's Open Datum: 22. Juni 2014 Schläger: Putter

Vorgeschichte


Bereits als Teenagerin war das erste Major für Wie zum Greifen nah. Die 15-jährige Amateurin wurde bei der LPGA Championship nur von Annika Sörenstam geschlagen und landete bei der Women's British Open auf Platz drei. 2006 ging sie bei der US Women's Open als Führende in den Sonntag, brachte aber nur eine 73 ins Clubhaus. Danach versuchte sie sich erfolglos in Männerturnieren und rutschte von Handgelenksverletzungen geplagt in eine Formkrise. Bei der US Women's Open verpasste sie bis 2013 zwei Cuts, zog zweimal zurück und war nie besser als 35.; nur Platz zwei bei der Chevron Championship im April 2014 war ein Hoffnungsfunke für die US Women's Open.

Ausgangslage


Am Sonntag zuvor hatte Wie bereits Turnierluft in Pinehurst geschnuppert, als Martin Kaymer die US Open gewann. "Ich lief mit Rickie Fowler und Martin und wollte so sehr in ihrer Position sein", erinnerte sie sich. Mit einer 68 in Runde eins brachte sie sich in eine gute Ausgangslage, und als sie dank starkem Putten (Wie hatte die ganze Woche keinen Drei-Putt) noch eine 68 nachlegte, führte sie mit drei Schlägen Vorsprung. Doch ein schwächerer dritter Tag brachte Amy Yang wieder heran, sodass beide schlaggleich in den Schlusstag gingen. Hier spielte Wie konstant ihren Stiefel runter, sah nach einem Eagle auf der 10 wie die sichere Siegerin aus und führte drei Löcher vor Schluss vier Schläge vor Stacy Lewis.

Desaster


Auf der 16 verzog Wie ihren Drive in den Fairway-Bunker und hatte noch 198 Meter zur Fahne. "Ich war ein Depp, nicht vorzulegen. Das hat sich gerächt", bereute sie den Griff zum Hybrid. Der Ball flog gen nächsten Bunker - und verschwand spurlos. "Ich hatte eine kleine Panikattacke. Ich bin in 15 Minuten zehn Jahre gealtert. Zum Glück hat der Caddie den Ball gefunden und ich konnte ihn unspielbar erklären." Doch damit war Wie immer noch nicht aus dem Gröbsten raus. Der Bogey-Putt lief zwei Meter über das Loch und nur mit großer Nervenstärke sicherte sie das Doppel-Bogey. Doch anstatt sich zu ärgern, lachte sie: "Wenn man solche Situationen zu ernst nimmt, wird das nicht gut enden."

Traum-Putt


Mit nur noch einem Schlag Vorsprung ging Wie auf das folgende Par 3. "Ich war sehr nervös, weil ich an der 16 einen solchen Schlamassel angerichtet hatte. Aber auf der 17 hatte ich die letzten Tage immer gut gespielt und ich wusste, was zu tun war." Sie griff aus 148 Metern zum Eisen 8 und platzierte den Ball sieben Meter links von der Fahne. Während ihre aus dem Titelrennen ausgeschiedene Spielpartnerin Amy Yang ihren Putt vorbereitete, studierte Wie intensiv ihr Yardage Book. Als sie an der Reihe war, nahm sie ihre Tabletop-Position mit dem Oberkörper parallel zum Boden ein, schubste den Ball nur leicht an und ballte ihre rechte Hand zur Becker-Faust, als der Ball ins Loch fiel.

Nachspiel


Der Gang über die 18 wurde für Wie zum Prozessionszug, ganz wie die Woche davor für Martin Kaymer. Nach der Sektdusche auf dem Grün der 18 richtete die 24-Jährige den Blick nach vorne. "Dieser Sieg macht mich definitiv hungrig. Ich will besser werden und ich will mehr gewinnen, weil es so viel Spaß macht." Doch die Euphorie verflog schnell. Wie konnte nach vielen Verletzungen nur noch einmal siegen: 2018 bei der HSBC Women's World Championship. Und bei Majors standen drei mageren Top-Ten-Ergebnissen zehn verpasste Cuts gegenüber. Im Mai 2022 gab sie ihr Karriereende bekannt. Obwohl sie gerade mal 33 Jahre alt war, hatte sie bereits 21 Jahre Turniere auf der LPGA Tour gespielt.

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