Die simple Idee dahinter: Jede Woche treten zwei Dreierteams in einem Match Play auf virtuellen Golfbahnen gegeneinander an. Unterstützt von der Technologie der US-Firma Full Swing, deren 15 Quadratmeter große Simulatoren für den Heimgebrauch bereits zwischen 50.000 und 75.000 US-Dollar kosten, schlagen die Spieler in eine 315 Quadratmeter große Leinwand: für längere Schläge aus 32 Metern, für kürzere aus 19 Metern, damit die Bälle nicht über die Leinwand fliegen. Sobald der virtuelle Ball etwa 30 Meter vor dem Grün angekommen ist, wechselt das Spiel auf einen realen, rotierbaren, höhenverstellbaren Kunstrasen-Grünkomplex, auf den projiziert wird, wo die Spieler ihre Bälle platzieren müssen.
Mehr als fünf Jahre dauerte es von der ersten Idee bis zur Umsetzung. Dazwischen lagen ein schlimmer Autounfall von Woods, ein Hurrikan, der das Dach des SoFi Center abtrug und den Start der Liga um ein Jahr verzögerte, sowie die Gründung von LIV Golf. Die Saudi-Liga setzt wie die TGL auf einen schnelleren Ablauf, Entertainment und einen Teamaspekt, konnte sich aber bei Fans bisher nicht wirklich als Alternative durchsetzen. Ob es der TGL anders ergeht, wollen wir persönlich bei einem Live-Besuch in Palm Beach Gardens herausfinden. Dort ist eine Erkenntnis, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit selten eine größere Lücke klaffte als beim ersten Auftritt von Tiger Woods - ein Umstand, den der vielleicht beste Golfer aller Zeiten selber eingesteht.

»SELBST VIP-GAST SERENA WILLIAMS KOMMT NUR BEI DER EINGESPIELTEN STIMMUNGSMUSIK AUS SICH HERAUS. DEN REST DER ZEIT FRAGT SIE SICH VERMUTLICH, OB SIE IHRE INVESTITION IN DEN ,LOS ANGELES GOLF CLUB' BEI DER STEUERERKLÄRUNG ABSCHREIBEN KANN.«
Die Sticheleien unter den Spielern sowie die Interaktion mit der intimen Zuschauerkulisse (etwa 1.200 passen in das speziell für die TGL gebaute SoFi Center) bieten eigentlich hohen Unterhaltungswert, doch in der Arena bekommt man davon nicht viel mit. Die Spieler tragen zwar Mikrofone, damit das Fernsehen jedes Gespräch mitbekommt, in der Halle werden diese Diskussionen jedoch nicht übertragen. Bei Ticketpreisen deutlich über 100 US-Dollar ist es erstaunlich, dass die Liga zahlende Fans in erster Linie als Statisten nutzt, um im TV eine coole Stimmung zu suggerieren. Passend zum Ende der Werbepause peitscht der Einheizer das Publikum an, laut zu werden, was aber angesichts der Einseitigkeit der Partie mit jeder weiteren Minute einen geringeren Effekt hat.
Es ist nicht das Einzige, was bei der TGL noch nicht zu Ende gedacht ist. Nachdem die Dreierteams auf den ersten Löchern jeweils im Wechsel spielen und den Schlamassel der Teammitglieder ausbaden dürfen, wirken die letzten sechs Mann-gegen-Mann-Duelle eher einschläfernd. Auch weil das rotierende Grün bereits nach wenigen Versuchen seinen Reiz verliert: Die 600 Stellmotoren können leider nur sehr subtil die Höhe verändern.

Dass der Lappen an die Flagge erinnert, die NFL-Schiedsrichter bei Regelverstößen werfen, ist dabei sicher kein Zufall. Überall ist die fast schon wieder liebenswerte Verzweiflung zu spüren, aus Golf so etwas wie die NBA oder die NFL zu machen. In den Pausen laufen Claqueure herum und werfen T-Shirts ins Publikum, ein Zuschauer darf einen Putt für 2.500 Dollar probieren und Tiger Woods versucht allen Ernstes, mit einem Time-out vor einem Zwei-Meter-Putt des Gegners die fragwürdige NFL-Strategie "Icing the Kicker" anzuwenden. Logisch, dass auch in den Pauseninterviews die gleichen Worthülsen zum Besten gegeben werden, wie man sie von Trainerveteranen kennt. So sagt Max Homa, als "Jupiter" endlich einen Punkt holt: "Es ist wichtig, dass wir auf dem Leaderboard sind" und "Wir haben das Momentum". Alles, was noch fehlt, ist: "Das Spiel dauert 90 Minuten" und "Das nächste Loch ist immer das schwerste". Selbst VIP-Gast Serena Williams kommt nur bei der eingespielten Stimmungsmusik aus sich heraus. Den Rest der Zeit fragt sie sich vermutlich, ob sie ihre Investition in den "Los Angeles Golf Club" bei der Steuererklärung abschreiben kann.
Nun könnte man das Ganze einfach als gescheitertes Experiment abschreiben und auf den nächsten Versuch warten, Golf jung und hip zu machen. Das Ärgerliche ist nur, dass die Idee der TGL und das technische Rückgrat absolut brillant sind. So imposant die Anlage im Fernsehen auch aussieht, es ist kein Vergleich zur Realität. Steht man vor der Leinwand, kommt man sich beispielsweise vor wie Sam Neill in "Jurassic Park", als er das erste Mal einen Brontosaurier sieht. Landet ein Ball im Fairwaybunker, klappt vor der aus Augusta-National-Sand geformten Sand-Abschlagbox eine Graskante hoch, um die virtuelle Bunkerwand zu simulieren. Und nachdem die Spieler sich von den anderen beiden Abschlagboxen, die mit echtem Fairwaygras und Rough bestückt sind, warm geschlagen haben, werden die Divots nicht einfach mit Sand gefüllt. Nein, per Kran an der Hallendecke werden flugs tonnenschwere neue Abschlagboxen eingesetzt.

Hinzu kommt, dass die Veranstalter aus irgendeinem Grund bemüht sind, immer je fünf Par 3, Par 4 und Par 5 spielen zu lassen. Dabei sind gerade im Teamteil des Matches Par 3 richtige Stimmungskiller. Der größte Spaß im Golf ist es doch, sich aus scheinbar ausweglosen Lagen mit Zauberschlägen zu befreien - besonders wenn man damit den Fehler eines Teamkollegen ausbügeln kann. Bei einem Par 3 auf der TGL ist das Schlimmste, was passieren kann, eine Lage im Grünbunker. Es wirkt fast, als habe die TGL ein Spielfeld mit unbegrenzten Möglichkeiten, nutze aber nur zehn Prozent davon.
Die viel diskutierte Spielbahn "The Spear" (Bild oben rechts) mag revolutionär aussehen, aber letztendlich verlangt sie von den besten Golfern der Welt auch nur, dass sie den Ball unter Laborbedingungen eine gewisse Distanz halbwegs geradeaus schlagen. Warum nicht einmal völlig verrückte Designs erschaffen, die sie vor wirkliche Herausforderungen stellen? Superenge Waldschneisen, die einen extremen Hook oder Slice verlangen? Komplett von Wasser umgebene Löcher mit kleinen, kreisförmigen Fairways als Ziel, die wie Gehwegplatten fungieren? Oder womöglich gar Golfbahnen im All, bei denen die Schwerelosigkeit reduziert ist und die Spieler überlegen müssen, welchen Einfluss dies auf ihre Schlaglänge hat? Einfach irgendetwas, was den Spaß und das Spielerische hervorhebt und dessen oberstes Ziel es nicht ist, mit möglichst wenig Schlägen einzulochen.
Dass dies sinnvoll ist, hat ausgerechnet Kevin Kisner bewiesen. Sein Desaster-Schlag aus dem Bunker verwandelt die Halle in Sekundenbruchteilen von einer Friedhofskapelle in eine Partymeile. Es gibt einfach kaum etwas Unterhaltsameres, als den Besten ihrer Zunft beim Scheitern zuzusehen. Niemand redet in vier Wochen noch über das 12:1 des "Los Angeles Golf Club" gegen den "Jupiter Links". Doch weder die Fans noch die Kollegen werden Kevin Kisner diesen Schlag vergessen lassen. Die TGL braucht mehr davon, wenn sie nicht schnell als Yesterday Golf League in die Geschichte eingehen will.