Als wir Alexandra Försterling bei der Dutch Ladies Open sprechen, haben die beiden Freundinnen wieder das Vergnügen zusammen - wenn auch weit weniger auf dem Spiel steht. Gerade so in den Cut gerutscht beflügeln sie sich am Sonntag gegenseitig zur achtbesten Runde des Tages. Der abschließende 38. Platz ist für Försterling das beste Resultat einer jungen Saison voller Hindernisse. "Gleich beim allerersten Turnier in Marokko bekam ich eine Lebensmittelvergiftung und danach hatte ich mit einer Entzündung im Rücken zu kämpfen." Die Rückenverletzung hatte gleich mehrere Folgen: "Ich musste zwischen den Turnieren, wenn man sich ja eigentlich auf den nächsten Start vorbereitet, Pause machen", beschreibt sie das Dilemma. "Und wenn man mit einer Verletzung spielt, verändert sich auch der Schwung ein wenig: Meine Bälle flogen die ganze Zeit irgendwie nach links. Aber ich hoffe, dass, wenn ich ein bisschen wieder ins Turniergolf reinkomme und ohne Schmerzen spielen kann, alles wieder zusammenkommt."
So wie in der Frühphase ihrer erst 2022 gestarteten Profikarriere. Kaum hat Lexi, wie ihre Freunde sie nennen, den Golfsport zu ihrem Beruf gemacht, geht sie durch die Mühle der Qualifying School - und gehört zu den wenigen, die nicht von ihr zerquetscht werden. "Man merkt die Anspannung von allen, weil so viel dranhängt. Jeder hofft, nicht wieder zurück in die Q School zu müssen." Der Sieg im Final Qualifying bestätigt Försterling nicht nur bei ihrer Berufswahl, er hilft ihr auch, etwas über sich selbst zu lernen: "Ich spiele besser unter Druck, vor allem putte ich besser. Ich glaube, ich kann Druck in etwas Positives umwandeln." Erstmals beweist sie das im September 2023 bei der Swiss Ladies Open. Als geteilte Führende in die Schlussrunde gegangen leistet sie sich kein einziges Bogey und holt sich mit einem Birdie-Birdie-Finish den ersten Titel ihrer Karriere. Ein Moment, der umso bedeutender ist, da ihre Mutter als Caddie neben ihr steht. "Das war sehr cool. Wir hatten beide überhaupt nicht aufs Ergebnis geachtet, deswegen wussten wir am Ende auch gar nicht, ob ich gewonnen habe." Das Verhältnis der beiden ist auch deshalb besonders, weil sie ein harter Schicksalsschlag zusammengeschweißt hat: 2019 stirbt Alexandras Vater völlig unerwartet mit nur 62 Jahren.


»ICH WERDE IMMER WIEDER GEFRAGT, OB ICH ALLES SELBST BEZAHLEN MUSS. KLAR MUSS ICH DAS. ICH GEHE IMMER IN VORKASSE, OHNE ZU WISSEN, OB ICH DEN CUT SCHAFFE UND WIRKLICH EIN BISSCHEN GELD VERDIENE.«
Die Golf-Kaderschmiede Arizona State, die schon Phil Mickelson, Jon Rahm, Carlota Ciganda oder den amtierenden US Amateur Champion José Luis Ballester hervorgebracht hat, bringt Alexandra auch golferisch voran. "Arizona ist Wüstengolf, das war völlig neu für mich. Auch das Gras ist anders. Schon allein diese neuen Erfahrungen haben mich extrem weitergebracht", reflektiert sie. "Ich würde es immer wieder machen, auch weil ich dadurch keine Probleme habe, auf der LPGA zu spielen." Die amerikanische Profitour bleibt für Försterling das große Karriereziel - und sei es, um auf Dauer Zugang zu den großen Events zu bekommen, für die es über die Ladies European Tour kaum Startplätze gibt. "Natürlich wäre es schöner, wenn wir in Europa ein bisschen mehr Access bekommen würden. Aber jeder weiß, dass es so ist, und wenn man die Majors mitspielen möchte, ist der einzige Weg über die LPGA."
Ihren ersten Versuch startete Försterling letztes Jahr, als sie sich über die Qualifying School eine Spielberechtigung in den USA sicherte, die Verteidigung ihrer Tourkarte allerdings verfehlte. Eine Erfahrung, die sie als Lehrgeld verbucht. "Alle auf der LPGA haben mir gesagt, dass das erste Jahr das schwierigste ist. Man muss seine Erfahrungen machen und ich habe es einfach ein bisschen übertrieben", blickt sie zurück. "Ich bin teilweise in drei Wochen zweimal zwischen Berlin und Los Angeles hin- und hergeflogen. Ich war am Ende der Saison völlig ausgelaugt." Hinzu kommt, dass in den USA eine andere Mentalität gepflegt wird. "Auf der LPGA ist jeder mehr ein Einzelkämpfer und hier auf der LET reise ich immer mit anderen zusammen. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, für immer in den USA zu leben. Ich liebe an Deutschland oder auch Europa generell, an einem freien Tag spazieren zu gehen, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren oder mit einem Kaffee am Wasser zu sitzen. Das ist in den USA alles nicht ganz so möglich. Ich sehe so etwas als mentale Regeneration und das würde mir sehr fehlen."

Mit Finanzen kennt sich Alexandra Försterling aus, denn was viele gerne vergessen: Der Beruf eines Golfprofis umfasst mehr, als einen Ball so lange mit einem Stock zu schlagen, bis er ins Loch fällt. "Es ist schon ziemlich viel, was noch dazukommt. Dazu gehört beispielsweise, die ganzen Rechnungen zu sammeln, weil ich auch die Buchhaltung mit der Hilfe meiner Mutter mache." Entsprechend hat sich die Inflation auch bei der 25-Jährigen niedergeschlagen. "Die Flüge werden teurer, die Hotels werden teurer. Ich werde immer wieder gefragt, ob ich alles selbst bezahlen muss. Natürlich muss ich das. Ich gehe immer in Vorkasse, ohne zu wissen, ob ich den Cut schaffe und wirklich ein bisschen Geld verdiene." Während auf der LPGA bei manchen Turnieren auch für einen verpassten Cut ein wenig Geld gezahlt wird, ist ein verpasstes Wochenende in Europa automatisch ein Verlustgeschäft. "Aus diesem Grund wohnen wir auch immer mit mehreren Spielerinnen zusammen, um diese Kosten aufteilen zu können." Und wenn doch einmal wie in der Woche zuvor in Korea die Hotelkosten vom Veranstalter übernommen werden, "ist das extrem cool und hilft uns allen sehr viel". Die Regel ist jedoch, dass alles selbst organisiert werden muss. Und damit ist auch wirklich alles gemeint, wie Lexi mit einem Lachen berichtet. "Diese Woche haben wir die Situation, dass unser Hotel keinen Waschservice anbietet. Daher mussten wir bei unseren Caddies fragen, ob wir in ihrem Airbnb unsere Sachen waschen können."
Umso wichtiger ist insbesondere bei den Damen die Hilfe von Sponsoren, angefangen bei Schlägerfirmen bis zu persönlichen Unterstützern - im Fall von Försterling etwa der französische Vermögensverwalter Amundi. Nach ihrem triumphalen Erfolg beim Amundi German Masters in ihrer Heimat hat der Titelsponsor die Berlinerin gleich unter Vertrag genommen - aber nicht nur deshalb, wie Chief Marketing Officer Daniel Reitz betont. "Sie ist viel mehr als nur die Vorjahressiegerin. Wir haben mit Alexandra eine erfolgreiche und unheimlich sympathische Markenbotschafterin gewinnen können, die auch bei ihren Mitspielerinnen superbeliebt ist und geschätzt wird." Entsprechend freut sich Försterling noch mehr auf die mögliche Titelverteidigung in diesem Jahr - auch wenn sie an neuer Stätte stattfindet. "Ich mochte den Platz in Berlin natürlich sehr gerne, zudem konnte ich zu Hause schlafen." Den Nord Course von Green Eagle kennt sie nur vom Sehen, ist aber gespannt auf die Herausforderung: "Ich kann mir schon vorstellen, dass sie den Platz für uns an ein paar Stellen ein bisschen länger machen." Wenigstens die nächsten drei Jahre soll das Amundi German Masters hier Station machen und mit ihm auch Alexandra Försterling: "Die Hauptsache ist, dass es weiter ein Turnier in Deutschland gibt, und ich bin froh, dass es in Hamburg ist, weil es von Berlin aus keine Riesenstrecke mit dem Auto ist."


Welchen Reiz Team-Events besitzen können, erlebte die 25-Jährige schließlich im letzten Jahr beim Solheim Cup in Virginia - wenn auch nur passiv. Lange Zeit galt die junge Deutsche als sichere Anwärterin auf einen der vier Captain's Picks von Suzann Pettersen, doch Försterlings Anpassungsprobleme auf der LPGA Tour sorgten letztlich dafür, dass die Norwegerin etablierteren Spielerinnen den Vorzug gab. "Ich habe es während der British Women's Open erfahren", erinnert sich Alexandra an die Absage, "aber ich konnte es mir eigentlich schon denken, dadurch dass ich sehr jung bin und der Solheim Cup natürlich viel mit Erfahrung zu tun hat." Allerdings erhielt sie einen Sonderstatus: Sie durfte als Reservistin mitreisen. "Es war wirklich aufregend, das zu erleben, und ich glaube, dass ich von dieser Erfahrung viel lernen kann", erzählt sie und fängt sofort an zu strahlen. Vor 17 Jahren hatte ein deutsches Golftalent eine ähnliche Erfahrung: Martin Kaymer verpasste die Qualifikation für das europäische Ryder-Cup-Team, wurde aber von Kapitän Nick Faldo als Gast mitgenommen. 24 Monate später gewann er sein erstes Major sowie den Ryder Cup und übernahm kurze Zeit später die Führung der Weltrangliste. Dass sich dies noch einmal wiederholen könnte, klingt wie ein kitschiges Hollywood-Drehbuch. Aber damit hat Försterling ja bereits Erfahrung gesammelt.

Steckbrief
NameAlexandra Försterling
Jahrgang
1999
Wohnort
Berlin
Profi seit
2022
Lieblingsmusik
Techno
Erfolge (Auszug)
2014
European Young Masters
2021
German International Amateur
2022
Let Q School
2023
Swiss Ladies Open, Mallorca Ladies Open
2024
Aramco Tampa, Amundi German Masters