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Helden aus der zweiten Reihe

Benjamin Hébert - der Dreier-Spezialist

Von Rudi Schaarschmidt, Fotos: Getty Images

Benjamin Hébert hat mit gleich zwei Dreierpacks die Challenge Tour dominiert wie kaum ein anderer. Aber auf seinen ersten Sieg auf der DP World Tour wartet der 38-Jährige immer noch. Wir wollten wissen, was den Franzosen weiterhin antreibt.

Benjamin Hébert könnte eigentlich zufrieden sein. Mit mehr als fünf Millionen Euro Preisgeld, sechs Turniersiegen und vier Major-Teilnahmen hat er bereits mehr erreicht als die meisten seiner Kollegen auf der DP World Tour. Doch als wir den smarten, sympathischen Franzosen bei der Soudal Open interviewen, treffen wir einen Mann, der seine Karriere so bezeichnet wie Musikliebhaber Franz Schuberts 7. Sinfonie: "Die Unvollendete".

Im Alter von 21 Jahren wird Hébert Profi und startet schnell durch. Sowohl 2011 als auch 2014 gewinnt er jeweils drei Turniere auf der Challenge Tour. Er ist der Erste, dem die sogenannte "Battlefield Promotion" - die unmittelbare Beförderung auf die European Tour - zweimal gelingt. Doch in der Eliteliga will es mit einem Turniersieg nicht klappen. Dabei steht er mehrfach kurz davor. Nachdem er sich 2015 in der ersten Liga etabliert hat, spielt er 2019 eine herausragende Saison und steht gleich dreimal bei großen Turnieren nach vier Runden auf dem ersten Platz - ohne am Ende zu gewinnen.

Bei der Volvo China Open geht er als Führender in die Schlussrunde, wird aber noch eingeholt. "Mikko Korhonen hat an diesem Tag einfach alles gelocht und auch im Stechen einen Monster-Putt versenkt. Da war nichts zu machen", blickt er anerkennend auf die Leistung des Finnen zurück. Bei der Turkish Airlines Open ist der Franzose einer von gleich sechs Profis, die ins Stechen um den Titel gehen. "Wir spielten ein Par 5 in zwei Dreiergruppen, ich war in der zweiten Gruppe. Vor uns hat Erik van Rooyen einen Ball verloren und mein Drive war dann nach 45 Minuten mein erster Schlag", erklärt er sein Nachsehen beim Sieg von Tyrrell Hatton. Besonders aber das Stechen beim Rolex- Event der Scottish Open im Renaissance Club in North Berwick verläuft dramatisch. Auf drei Extralöchern hat Benjamin im Duell mit Bernd Wiesberger viermal einen Putt zum Sieg - und verliert am Ende mit einem Drei-Putt. "Die vergebenen Chancen haben sich irgendwann in mein Hirn geschlichen. Das war von allen die schlimmste Niederlage", analysiert er dieses Trauma. Und das, nachdem er im Jahr zuvor das Match-Play-Finale beim Belgian Knockout gegen Adrián Otaegui verloren hat. "Ich bin anscheinend nicht gut in Play-offs. Wenn es mal mit einem Sieg klappen soll, müsste es wohl ohne gehen", konstatiert er mit einem bittersüßen Lächeln.

Helden aus der zweiten Reihe: Ein echter Surfer kennt keine Angst vor Krokodilen (r.)Helden aus der zweiten Reihe: Ein echter Surfer kennt keine Angst vor Krokodilen (r.)
Ein echter Surfer kennt keine Angst vor Krokodilen (r.)

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CORONA HAT MICH AUF DEM WEG NACH OBEN GESTOPPT UND WAR FÜR MICH IN GEWISSER WEISE EIN KARRIEREKILLER.
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Dennoch: Nach den drei Play-off-Pleiten hält er die höchstdotierten Schecks seiner Karriere in den Händen. Er beendet 2019 auf Rang 16 im Race to Dubai und als Nummer 89 der Weltrangliste. Das Jahr 2020 beginnt er beim WGC-Turnier in Mexiko mit einem 18. Platz. Alles war gut. Kaum vorstellbar, dass er jemals wieder in die Niederungen der Challenge Tour würde absteigen müssen. Dann kommt Covid. Ein brachiales Stoppschild in seiner Karriere.

"Zwei Jahre zuvor hatte ich begonnen, mit einer Sportpsychologin zu arbeiten. Sie hat mir klargemacht, dass man allein nichts erreichen kann. Ich hatte mir daraufhin ein super Team von sechs, sieben Vertrauten zusammengestellt. Ich war 32 Jahre alt, körperlich und mental topfit und auf dem Höhepunkt meiner Laufbahn, bereit für immer mehr. Die Pandemie war ein totaler Cut. Ein paar Monate konnte man gar nicht arbeiten. Der Rhythmus war weg. Danach ging es in einer Bubble weiter und ich musste vieles wieder allein machen. Corona hat mich auf dem Weg nach oben gestoppt und war für mich in gewisser Weise ein Karriere-Killer", erinnert sich der heute 38-Jährige. 2022 kommt eine Handgelenksverletzung hinzu; am Ende verliert Hébert seine Tourkarte und spielt die nächsten zwei Jahre wieder auf der Challenge Tour. 2024 hat er sich - nicht ohne ein weiteres Play-off zu verlieren - als 13. der Rangliste wieder die Eintrittskarte zur DP World Tour erspielt und kämpft 2025 um deren Erhalt.

Angefangen hat alles in Brive, dem Tor zum schönen Périgord knapp 200 Kilometer östlich von Bordeaux. Benjamin Hébert wächst als Sohn eines Sportlehrers und einer Sportlehrerin auf, spielt Tennis und Fußball. Die Gemeinde Brive-la-Gaillarde bietet ihren Bewohnern in jedem Jahr für einige Wochen an, verschiedene Sportarten auszuprobieren. Benjamins Vater versucht sich auf dem Golfplatz und nimmt seinen damals zehnjährigen Sohn gleich mit - und der fängt Feuer: "Sergio García und Tiger Woods waren meine Idole. Und Fred Couples." Als Benjamin 14 Jahre alt ist, entschließen sich seine Eltern, dem Unterstützungsprogramm der Regierung für die französischen Gebiete in Übersee zu folgen, und ziehen in den Südpazifik, um für vier Jahre in Tahiti zu unterrichten - 16.000 Kilometer fern der Heimat. "Das war die beste Zeit meines Lebens. Tahiti ist eine traumhaft schöne Insel. Als Teenager hast du keine Verantwortung, sondern genießt einfach das Leben." In diesem tropischen Paradies, einer Mischung aus Hawaii und den Seychellen, trainiert und spielt er im Golf Club d'Atimaono (dem einzigen Platz auf der Insel). "In dieser Zeit hatte ich noch keinen Plan, was ich mal werden möchte. Vielleicht Sportlehrer wie meine Eltern. Ich habe mich aber auch für Vulkanologie interessiert."

Helden aus der zweiten Reihe:
2005 kehrt die Familie nach Frankreich zurück. Benjamin macht den Schulabschluss und seine Golfkarriere nimmt Fahrt auf. "Meine Eltern meinten, sie würden mir zwei Jahre Zeit geben, um zu schauen, ob das mit Golf etwas werden könnte. In den vier Jahren auf Tahiti hatte ich ja keine Chance, mich mit anderen Topspielern zu vergleichen." Er wechselt in den Golfclub Moliets, der ganzjährig gute Trainings- und Surfbedingungen bietet, gewinnt die European Amateur Championship und spielt für Frankreich bei der Eisenhower Trophy. Als seine Eltern wenig später noch einmal für vier Jahre nach Tahiti ziehen, bleibt Benjamin in der Akademie von Moliets und wohnt dort in einem Golf-Cottage direkt am Platz. "Eines Tages spielte Kelly Slater auf unserem Platz. Ich habe mich nicht getraut, aber ein Freund ist mit meinem Surfbrett aufs zehnte Grün und hat Kelly mein Board unterschreiben lassen."

Surfen ist Benjamins Ding. Zum Turnier auf Mauritius ist er im vergangenen Jahr eine Woche vorher angereist, um Wellen zu reiten. Beim Turnier im schweizerischen Crans-Montana ist er regelmäßig Gast im "Alaïa Bay", einem künstlichen Surfbecken. Und auf dem Weg von der Austrian Open zur KLM Open macht er Station in München, wo es die "o2 Surftown MUC" gibt, einen Wellenpool zum Surfen. Der Eisbach im Englischen Garten ist ihm jedoch zu gefährlich.

Seit einiger Zeit lebt der Junggeselle in Andorra und hat mit dem Skifahren ein weiteres Hobby entdeckt. In seinen mittlerweile 16 Jahren als Golfprofi hat sich einiges verändert. "Anfangs habe ich das Reisen genossen. Früher habe ich auch sechs oder sieben Wochen in Folge gespielt. Heute plane ich völlig anders. Ich spiele maximal drei Wochen am Stück, weil mich jede Turnierwoche viel mehr Energie kostet als noch vor 15 Jahren. Spaß und Genuss sind weniger geworden. Die Spieler sind athletischer, das Level ist höher und die Leistungsdichte enorm geworden. Man sieht das an den Aufsteigern. Früher haben vielleicht vier oder fünf Spieler die Karte behalten können. Heute halten 15 die Karte und vier oder fünf davon gewinnen Turniere. Alles hat sich weiterentwickelt, auch das Golfplatz-Setting und die Preisgelder. Wenn du früher Zehnter geworden bist, hattest du die Kosten für die Woche gedeckt. Heute bleibt da richtig was übrig. Wenn du jedoch keiner von den Großen bist, kannst du keine 15 Jahre auf der Tour ohne Sponsor überleben."

Helden aus der zweiten Reihe: Helden aus der zweiten Reihe:
Bei der Soudal Open in Belgien sieht man ihn auf der Driving Range ausgiebig mehrere Driver testen. Nach jedem Schlag geht er zum TrackMan, um die verschiedenen Werte zu vergleichen. "Ballgeschwindigkeit, Spin-Rate und vieles mehr - mit der Datenanalyse kannst du die Unterschiede zwischen den Schlägern ganz einfach feststellen. Das ist auch ein Grund dafür, warum die Jungen so gut sind. Die sind damit groß geworden und verstehen das noch viel besser. Als ich aufgewachsen bin, hast du dem Ball nachgeschaut, womöglich noch einem Practice-Ball mit weniger Kompression, und hast dich einfach nur gewundert. Ich schlage auch nicht so hart wie die Jungs. Die bringen 10 bis 15 km/h mehr Geschwindigkeit auf den Schlägerkopf. Aus dem Grund mag ich Links-Golf. Da kann ich den Longhittern etwas entgegensetzen. Da braucht es andere Fähigkeiten, als nur den Ball weit zu schlagen und Target-Golf zu spielen. Auf Links-Plätzen musst du den Ball shapen können und über viele andere Dinge nachdenken. Da spielt das Gehirn eine größere Rolle. Das mag ich."

Mittlerweile hat Benjamin Hébert 279 Turniere auf der DP World Tour gespielt und träumt weiter vom ersten Sieg auf der großen Bühne. Diese Hoffnung treibt ihn auch mit 38 Jahren noch an. "Als ich Ende 2023 die Nummer 70 im Challenge-Tour-Ranking war, habe ich mich gefragt, ob ich meine Karriere so beenden möchte. Oder ob ich noch mehr arbeiten und noch fokussierter sein will, um so wieder auf die Tour zu kommen - und zu Ende zu bringen, was zu Ende gebracht werden muss." Die Wellen laufen ihm schließlich nicht weg.

 
Steckbrief

Steckbrief

Name:
Benjamin Hébert

Jahrgang:
1987

Wohnort:
Andorra

Profi seit:
2009

Lieblingsverein:
Olympique Marseille

Erfolge (Auszug):
2011 Challenge Tour (3 Siege)
2014 Challenge Tour (3 Siege)
2019 Volvo China Open (2. Platz)
2019 Scottish Open (2. Platz)
2019 turkish Airlines open (2. Platz)

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