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Golfpunks dieser Welt

Amy Alcott

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images

1999 wurde Amy Alcott in die LPGA Hall of Fame und die World Golf Hall of Fame aufgenommen. Weil sie nicht nur ihre Gegnerinnen reihenweise nassmachte, sondern auch sich selbst - und damit eine Major-Tradition startete.

Als Amy Alcott Anfang Januar sieht, wie die Flammen ihrem Haus im Santa Monica Canyon immer näher kommen, hat sie nur einen Gedanken, was sie retten muss. Nicht die Pokale von ihren Major-Siegen oder ihre Urkunde über den Einzug in die Hall of Fame. Stattdessen verabschiedet sich die 68-Jährige von ihrem verstorbenen Terrier Julie und greift nach einem karierten Leder-Golfbag mit Schlägern, die ihr Vater einst gekürzt hatte, damit sie als Kind das Golfspielen lernen konnte. "In solchen Momenten konzentriert man sich auf das Wesentliche", erklärt sie "Golfweek". "Das sind nicht die Trophäen, sondern der Hund, der in deinem Garten vergraben ist, und deine ersten Golfschläger."

Die bekommt die am 22. Februar 1956 in Kansas City geborene Amy mit neun Jahren von ihrem Vater. "Ich war zu jung, um allein auf einem öffentlichen Platz spielen zu dürfen, und meine Eltern spielten kein Golf, also habe ich im Garten Suppendosen als Löcher vergraben", erinnert sie sich an ihre simplen Anfänge. "Ich ließ meinen Vater sogar einen Bunker bauen. Ich nannte unseren Garten den ,Alcott Country Club'." Die ersten Gehversuche bleiben nicht ohne Folgen. Amy zerbricht mit ihren Golfbällen so viele Fensterscheiben, dass ihr Vater überall dicke Fangnetze aufhängt. "Unsere Nachbarn dachten vermutlich, dass die Kammerjäger ständig unser Haus ausräucherten", lacht Amy heute darüber. Auch das Rosenbeet ihrer Mutter war unter den Opfern der jugendlichen Golf-Enthusiastin. "Man könnte glauben, sie hätte sich darüber aufgeregt, aber tatsächlich war sie sogar ganz froh. Ich war ein ziemlicher Wirbelwind als Kind, und bis ich im Fernsehen über eine Golfsendung gestolpert bin, interessierte ich mich für Football und Baseball und hatte ständig verletzte Arme und Beine."

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ES GIBT FÜNF MILLIONEN FRAUEN, DIE GOLF SPIELEN, UND ICH DENKE, DASS SIE VON MÄNNERN, DIE GOLFPLÄTZE BAUEN, NICHT BERÜCKSICHTIGT WERDEN.
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Ihre Mutter ist es auch, die den nächsten Karriereschritt einleitet. In der Zeitung entdeckt sie eine Anzeige für eine Indoor Driving Range in Los Angeles. Jeden Tag schlägt Amy Bälle ohne Ende - und bekommt von ihrer Mutter einen Spitznamen, der sie bis zum Ende ihrer Karriere begleitet: "One More". Der simple Grund: "Immer wenn ich abgeholt wurde, flehte ich meine Mutter regelrecht an: ,Einen Ball noch, Mama, nur noch einen!"' Und noch etwas begleitet sie ihr Leben lang: Walter Keller. Der Besitzer der Driving Range flößt Amy im ersten Moment Angst ein. "Ich übte Chippen auf seinem frisch verlegten Boden und er sagte: ,Junge Dame, geh sofort von dem Teppich runter!'", erinnert sich Alcott in einem Nachruf auf Keller. "Dann ließ er mich Schwünge ins Netz machen und nach ein paar Minuten sagte er zu meiner Mutter: ,Sie haben hier ein kleines Rennpferd und ich würde Ihrer Tochter gerne beibringen, wie man spielt.' Ich weiß noch, dass sechs Unterrichtsstunden 36 Dollar kosteten."

Mit zehn Jahren spielt sie ihr erstes Turnier und muss sich nur der gleichaltrigen Beverly Klass geschlagen geben, die als jüngste Teilnehmerin aller Zeiten bereits in der US Women's Open gespielt hatte. Kurz darauf verschafft Keller Amy eine Junior-Mitgliedschaft im prestigeträchtigen und mit prominenten Mitgliedern gespickten Riviera Country Club. "Wenn Dean Martin sie auf der Range sah, stieg er ins Cart und lud sie ein, neun Löcher zu spielen", erinnerte sich Keller 1995 in "Golf Digest" an die Zeit. 1973 gewinnt Amy die US Junior Championship und wird ein Jahr später zu einer Pionierin. Weil ihre Palisades High School noch kein Mädchenteam stellt, tritt sie im Jungsteam an. Die damals noch geringen Spielmöglichkeiten für Frauen sorgen auch dafür, dass sie nicht lange überlegt, wie es nach dem Schulabschluss weitergeht. "Wenn ich Profi werden will, werde ich es direkt nach der High School tun. Ich möchte nicht vier Jahre am College damit verschwenden, darüber nachzudenken, ob ich es auf der Tour hätte schaffen können", prophezeit sie noch als Elevin.

Die Antwort auf diese Frage lässt nicht lange auf sich warten. Gesponsert von 15 Riviera-Mitgliedern, die allesamt 1.000 Dollar aus ihrer Portokasse beisteuern, qualifiziert sie sich unmittelbar für die LPGA Tour. An ihrem 19. Geburtstag gewinnt der Shootingstar gleich bei ihrem dritten Start die Orange Blossom Classic - und Walter Keller ist sich sicher, dass dies für Amy erst der Anfang ist. "Die meisten Mädchen erreichen erst mit 26 Jahren den Höhepunkt ihrer Entwicklung. Bis dahin wird sie nur noch koordinierter und stärker", prognostiziert er gegenüber einem "Sports Illustrated"-Reporter. Keller wird recht behalten.

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Alcott wird 1975 zum Rookie of the Year gewählt und gewinnt bis 1986 in jedem Jahr mindestens einmal auf der LPGA Tour. Dabei verwirklicht sie 1980 einen Traum, den sie schon als Zehnjährige in Muttis Garten hatte, als sie in ihre Suppendosen puttete. "Immer wenn ich den Ball versenkte, kreischte ich und rief: ,Ich habe es geschafft. Ich bin US-Open-Siegerin!'" Die US Women's Open in Nashville werden zu einer Demonstration ihrer Stärke. Mit einer 70 setzt sie sich bereits in der ersten Runde an die Spitze des Felds, nach zwei Runden führt sie mit vier Schlägen Vorsprung, nach drei Runden mit acht. Am Ende sind es neun Schläge und ihr erster richtiger Major-Sieg (sie gewann 1979 bereits die erste als Major deklarierte Peter Jackson Classic). Unvergessen wird sie aber erst nach ihrem vierten Major-Sieg.

1988 gewinnt Alcott zum zweiten Mal das Nabisco Dinah Shore, nimmt ihren Caddie Bill Kurre an die Hand und springt mit ihm vom 18. Grün in "Poppie's Pond". Als sie 1991 erneut die heutige Chevron Championship gewinnt und mit Verstärkung von Veranstalterin Dinah Shore in den Teich springt, ist eine Gewinnertradition geboren, die bis heute Bestand hat. Es ist der 29. und letzte Sieg ihrer Karriere. Zwar spielt die Kalifornierin noch zehn Jahre weiter, aber abgesehen von einem zweiten Platz bei der Women's British Open 1996 springt kein Spitzenplatz mehr heraus. Stattdessen konzentriert sich Alcott mehr darauf, anderen Golfern und Golferinnen das Leben so schwer wie möglich zu machen: Sie baut Golfplätze.

Bereits 1985 zeigt sie in einem Interview mit der "Los Angeles Times" Interesse daran: "Es gibt fünf Millionen Frauen, die Golf spielen, und ich denke, dass sie von Männern, die Golfplätze bauen, nicht berücksichtigt werden. Die meisten Architekten denken, alles, was sie tun müssten, wäre, Teeboxen weiter vorn zu errichten und Frauen von dort schlagen zu lassen", klagt sie eine Praxis an, die sich seither leider kaum verändert hat. "Ich glaube, dass der weibliche Blick ein integraler Teil des Platzdesigns sein sollte."

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Ewiges Klischee: Frauen und Handtaschen (l.)
Nachdem sie einige kleinere Designjobs erledigt hat, trifft sie 2010 auf Star-Architekt Gil Hanse, als dieser gerade den Los Angeles Country Club renoviert. Amy trägt eine spannende Idee an Hanse heran: Wenn Golf 2016 zu den Olympischen Spielen zurückkehrt, wäre es doch sinnvoll, dass der Platz, auf dem Frauen und Männer um Medaillen ringen, von einem Mixed-Team designt würde. Hanse stimmt zu, doch die beiden bekommen schnell zahlreiche Nachahmer. Greg Norman sucht sich Lorena Ochoa, Jack Nicklaus pitcht mit Annika Sörenstam und Peter Thomson umwirbt die vierköpfige Jury mit Karrie Webb. Doch am Ende setzen sich die Trendsetter Hanse und Alcott durch.

Für Alcott, die in Rio de Janeiro mit einer flammenden Rede über die Chancen, die Popularität des Sports zu steigern, für ihren Platz wirbt, schließt sich mit dem Olympia-Projekt ein Kreis in ihrer Desginer-Karriere: vom im Rosenbeet der Mutter entstandenen "Alcott Country Club" zu einem Golfplatz, auf dem Inbee Park und Justin Rose die ersten olympischen Goldmedaillen im Golf nach 112 Jahren holen werden.

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