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Golfpunks dieser Welt

Carl Jackson

Von Janek Weiss, Fotos: Imago, Getty Images

Bis 1982 dominierte das Augusta National Caddie Corps die Fairways beim Masters - und Carl Jackson war sein General. Kein anderer kennt die Grüns von Augusta National besser als der Mann an Ben Crenshaws Tasche.

Blütenweiß heben sie sich ab von dem makellosen Grün, den pastellfarbenen Azaleen und den dünnen blauen Bändern, die sich wie Pinselstriche durch das Farbenmeer winden: die weißen Overalls. Eine Uniform wie ein Abzeichen: Wer sie tragen darf, ist Caddie beim Masters in Augusta, Georgia.

Weiß ist gemeinhin ein Symbol der Unschuld, im Süden der USA nichtsdestotrotz auch ein Ausweis von Rassismus. "Solange ich lebe, werden alle Golfer weiß sein und alle Caddies schwarz", sagte Augusta-National-Mitbegründer Clifford Roberts dereinst. Zum Glück widerlegte Lee Elder diesen Leitsatz, als er 1975 beim Masters mitspielte. Masters - bereits der Name des Turniers löst Ambivalenz aus, wurde er doch im 19. Jahrhundert auf dem späteren Clubgelände benutzt, um die vermeintliche Überlegenheit der weißen Gutsherren auszudrücken. Und doch ist die Geschichte des Masters auch afroamerikanische Geschichte, zu deren bekanntesten Protagonisten Carl "Skillet" Jackson gehört - der "ewige" Caddie.

Jacksons Heimat ist Sand Hills, ein von afroamerikanischen Einwohnern geprägtes Viertel, das sich entlang des Zauns zum Augusta Country Club erstreckt. Ein Zaun wie ein Versprechen auf eine bessere Zukunft in einer in Schwarz und Weiß geteilten Stadt. 1958 ist Carl elf Jahre alt, als er auf der anderen Seite steht. "Ich erzähle gerne, dass ich in von Sicherheitsnadeln zusammengehaltenen Windeln begann, als Caddie zu arbeiten", lacht er. Vom neunten Tee des Country Club sind es nur 70 Meter zur "Amen Corner" des benachbarten Augusta National, der ein Jahr später Carls zweites Wohnzimmer wird. Er bricht die Schule ab und schließt sich dem Augusta National Caddie Corps an, das das Rückgrat für den Erfolg der ersten 46 Masters-Champions bildet.

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ICH ERZÄHLE GERNE, DASS ICH IN VON SICHERHEITSNADELN ZUSAMMENGEHALTENEN WINDELN BEGANN, ALS CADDIE ZU ARBEITEN.
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Eine der ersten Taschen, die Carl trägt, ist die des Ex-US-Open-Siegers Billy Burke. Ein Glücksfall: Burke nimmt den Jungen unter seine Fittiche und lehrt ihn die Geheimnisse des Platzes. Jackson ist wissbegierig und talentiert: "Jeder kann eine Tasche tragen, ich hatte einen Instinkt für das Spiel." Aber er ist erst 14 Jahre alt. Chairman Clifford Roberts und sein berühmtestes Mitglied, Ex-Präsident Dwight D. Eisenhower, nehmen den Jungen zur Seite und fragen, warum er nicht in der Schule sei. Der Caddie-Aufseher erklärt: "Der Junge muss die Familie unterstützen", und so darf er bleiben. Das Masters beschreibt Carl als "Bonus-Week", das richtige Geld verdient er im Rest des Jahres: "Die Mitglieder halfen den Caddies zu überleben, schickten auch mal Geschenke per Post. Für mich waren wir Familie." Noch im gleichen Jahr nimmt sich Millionär und Augusta Nationals späterer Chairman Jackson T. Stephens seiner an.

In den kommenden Jahren verfeinert Carl sein Gespür für die tückischen, schnellen Grüns. "Ich lernte den Platz sehr gut kennen. Viele lesen etwa das zwölfte Grün falsch", gibt er Einblicke in sein Wissen. "Puttet man in Richtung des 13. Abschlags, geht es bergab. Viele wissen das nicht, denken, der Putt sei flach. Augusta hat so seine kleinen Geheimnisse." Mit seinen Fähigkeiten steigt auch die Qualität der ihm zugewiesenen Profis. Er findet sich jetzt häufiger am Sonntag in der Hitze des Gefechts wieder. Der Australier Bruce Devlin widersetzt sich Carls Schlägerwahl und bricht 1964 vor den Augen von Mitspieler Gary Player ein. Ebendieser Player wird 1970 aufgrund bizarrer Umstände Jacksons Arbeitgeber. Vor den Augusta-National-Toren protestieren Demonstranten gegen das Apartheidregime in Südafrika. Als Carls zugewiesener Spieler abfällige Bemerkungen macht, verweigert Carl das Bag - und wechselt zum Südafrikaner Player, als dessen Caddie nach Morddrohungen zurückzieht. Angst hatte Carl nicht. "Er ist ein Weltklasse-Spieler und ich wurde gefragt, ob ich ihn als Caddie begleiten wollte. Na, aber so was von!"

Am Sonntag stehen sie in geteilter Führung mit Billy Casper auf dem Fairway der 18. "Gary Player fragte: ,Was meinst du?'" So berichtet es Jackson noch Jahre später kopfschüttelnd. "Ich sagte: ,Eisen 5.' Er erwiderte, er spüre das Adrenalin im Körper und werde das 6er-Eisen schlagen. Der Schlag sah super aus, landete aber im vorderen Bunker, und als wir ankamen, hatte er eine Spiegelei-Lage." Player schickt den verdutzten Jackson zum Stock. Er soll die Fahne bedienen. Trotz der unmöglichen Lage verfehlt der Bunkerschlag das Loch nur knapp. Den Rück-Putt kann Player nicht lochen, Casper gewinnt. "Gary Player hat jeden Schläger genutzt, zu dem ich ihm geraten hatte. Nur am 72. Loch nicht." 1971 erwartet Jackson einen zweiten Anlauf an Players Tasche, als Jackson T. Stephens ihn zur Seite nimmt, er solle für Charlie Coe arbeiten. "Ich sagte, dass er doch nur Amateur sei und Player eine realistische Siegchance habe." Die lapidare Antwort: "Was immer Players Caddie bekommt, ich zahle dir mehr." Ob Player einen anderen Caddie verlangte oder Stephens nur für seinen Freund Coe, mit dem er zweimal das begehrte, clubinterne Jamboree gewinnen konnte, den besten Mann haben wollte, blieb unausgesprochen.

Golfpunks dieser Welt: Treuer Caddie: weicht nicht mal bei der Notdurft von der Seite
Treuer Caddie: weicht nicht mal bei der Notdurft von der Seite
Abseits des Masters trägt Carl zumeist die Tasche für Mr. Stephens. Seine Bezahlung: 500 Dollar die Woche - für den Sohn einer Dienstmagd, die fünf Dollar Tageslohn erhält, ein Vermögen, mit dem er seinen sechs Brüdern und zwei Schwestern ein besseres Leben ermöglicht. Stephens sorgt dafür, dass sein Protegé den Schulabschluss nachholt, und nimmt ihn 1973 mit in seine Heimat nach Little Rock, Arkansas. Carl ist jetzt ein Freund der Familie. Ihre Söhne gehen gemeinsam auf die High School, sind die Stars des Football-Teams. Als Stephens Spross Warren später den Alotian Golf Club gründet, ist es Carl, der das Caddie-Programm leitet.

Auch eine weitere von Stephens Bekanntschaften verändert Carls Leben. 1976 vermitteln ihn sein Boss und das texanische Augusta-Mitglied John Griffith jr. an den 24-jährigen Ben Crenshaw. "John sagte mir erstens, dass er Carl wirklich mag, und zweitens, dass Carl sehr gut über den Platz Bescheid weiß", erinnert sich Crenshaw. Beide treffen sich zum ersten Mal in der Turnierwoche und harmonieren auf Anhieb: Ben, der Instinkt-Spieler, und Carl, der Instinkt-Caddie. Das Duo wird auf Anhieb Zweiter. 1984 finden sie sich endgültig im Titelrennen wieder. Am Finalsonntag stehen sie in der Mitte des 13. Fairways. "In meinem Kopf wollte ich, dass er ein Holz 4 schlägt. Nur nicht vorlegen", weiß Jackson noch ganz genau. Crenshaw zögert und schaut immer wieder zum Abschlag der 12. Als er sieht, wie sein engster Verfolger Tom Kite den Ball in Rae's Creek versenkt, ist die Entscheidung gefallen. 8er-Eisen, sagt später Carl, Ben erinnert sich an ein Eisen 5. Wie auch immer: Crenshaw legt vor, spielt Birdie und der Rest ist Geschichte.

Im Moment des Triumphs ist Carl Jackson beinahe der Letzte seiner Art. 1983 gab der Club auf Druck der Spieler, die ihre gewohnten Caddies an der Seite wollten, nach. Es ist das schleichende Ende des Augusta National Caddie Corps. Nur wenige finden von da an beim Masters noch eine Tasche, darunter Carl, der bis 2015 an der Seite seines treuen Gefährten Ben Crenshaw bleibt und mit ihm gemeinsam 1995 noch eine weitere Sternstunde erlebt.

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Fahnenträger: Bereit für die Olympischen Spiele (l.)
Am Montag der Turnierwoche erfährt Ben, dass sein Langzeit-Coach und Vertrauter Harvey Penick verstorben ist. Bens Spirit und Spiel sind gebrochen. Auf der Proberunde bricht es aus Carl heraus: "Verdammt, Ben, es sieht aus, als wolltest du Hockey spielen!" Sie brechen nach neun Löchern ab und gehen auf die Range. Im Schneidersitz vor Ben kauernd schiebt Carl einen Ball nach dem anderen in das Set-up. Ballposition etwas nach rechts, engere Schulterdrehung - am Ende attestiert Ben seinem Freund, dies sei die beste Golfeinheit seit Langem gewesen. Es muss ein intimer Moment zwischen den beiden gewesen sein. Am Sonntag geht ein weiterer um die Welt. Ein sichtlich aufgelöster Ben wird nach seinem Sieg von Carl gestützt. Der Masters-Gewinner, sein Caddie, Freunde und Familie: Sie alle sind in Tränen. Als sie sich 20 Jahre später vom Masters verabschieden, hat "Skillet" mehr als fünf Jahrzehnte eine Golftasche über Augustas Fairways getragen - ein einsamer Rekord.

Für Carl selbst hat ein anderer Eintrag in die Geschichtsbücher einen höheren Stellenwert. Er ist 1988 der erste Schwarze, der als offizieller Gast den Platz nicht nur laufen, sondern auch spielen darf - natürlich in Begleitung von Jackson Thomas Stephens. Zwei lokale Pros willigen ein, als Gegner den historischen Augenblick zu unterstützen. Als sich das Match herumspricht, versammelt sich die gesamte Belegschaft am erste Tee, "als wäre es Masters-Woche". Als Jackson seinen Drive an den Pros vorbeizimmert, setzt sich die Gruppe unter aufbrandendem Jubel in Bewegung. Mit geliehenen Schlägern und Schuhen ist sein Spiel wechselhaft, aber ein besonderes Highlight bleibt Jackson in Erinnerung: Als er an der 15 erneut seinen Drive am weitesten haut, hat er auf dem Par 5 für den zweiten Schlag nur noch ein Pitching Wedge. "Die 15 spielt sich kurz - damals schon!", grinst Jackson. Der "ewige" Caddie kennt nun mal seinen Golfplatz!

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