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Golfpunks dieser Welt

David Duval

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

David Duval war die Supernova unter den Golflegenden und Tigers erster echte Rivale. Duval feierte einen rasanten Aufstieg und war ein Superstar. Der Absturz kam prompt. David Duval: eine Karriere im Zeitraffer.

Am 28. August 1996 stellte sich ein gewisser Eldrick "Tiger" Woods der Weltöffentlichkeit vor. Seine Worte "I guess, hello world!" sind längst weit über die Golf-Welt hinaus in den Kanon der Sportgeschichte eingegangen. Dass vor über 20 Jahren aber ein gewisser David Robert Duval zeitweilig das Geschehen auf den Fairways und Grüns bestimmte, wenn nicht gar dominierte, scheint dagegen beinahe in Vergessenheit geraten. Und das, obwohl der am 09. November 1971 in Jacksonville, Florida, geborene Duval wohl als der erste echte Rivale und Dauerherausforderer des jungen Tiger zu gelten hat - noch vor Phil Mickelson oder Vijay Singh, der ab 2000 bis 2005 zum großen Antipoden des Branchenführers avancieren sollte. Duval also, Profi seit 1993 und auf der damaligen zweitklassigen Nike Tour unterwegs, enterte nach zwei Siegen dort und knapp ein Jahr vor Tiger Woods die große Bühne und sollte schnell erste Erfolge feiern. Zwischen 1995 und 1997 verbuchte David Duval sieben zweite Plätze und qualifizierte sich für den Kontinentalwettkampf zwischen den USA und dem Rest der Welt - mit Ausnahme der Europäer. Seine beeindruckende Presidents-Cup-Bilanz 1996: 4-0-0.

Als Sohn eines Golflehrers und Club-Pros lernte der kleine David früh, mit dem Golfbesteck umzugehen, und war beinahe täglich gemeinsam mit seinem Vater auf dem Gelände des Timuquana Country Club unterwegs. Als der spätere Weltklasse-Golfer neun Jahre alt war, erkrankte sein zwei Jahre älterer Bruder an einer Blutarmut im Knochenmark. Die sogenannte Knochenmarkaplasie ist dabei so selten, dass die meisten Ärzte im Laufe ihrer Karriere nicht mit ihr konfrontiert werden. David übernahm nun die Verantwortung und stellte sich für eine Knochenmarkspende zur Verfügung - leider ohne Erfolg. Sein Bruder Brent starb 1981 an den Folgen der OP. Es ist eine Familientragödie, die David Duval prägte. Ihn umgab später stets die Aura des unnahbaren, nachdenklichen und distanzierten Athleten. "Ich denke darüber nach, was ich von mir gebe. Ich gebe keine vorgefertigten Antworten. Ich versuche nicht, ein Image für die Öffentlichkeit zu kreieren, wie es viele andere Spieler tun", so sein Standpunkt. Sein Vater hingegen hat den Verlust des ältesten Sohns nie wirklich verkraftet. Nachdem er ein Jahr aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen war, kehrte er nach einer Therapie zurück und auch die Golflektionen für David wurden wieder zum Alltag zwischen Vater und Zweitgeborenem. Kurz bevor die professionelle Karriere dann richtig Fahrt aufnehmen sollte, verließ der Vater 1993 die Familie jedoch endgültig.

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Aber zurück zum Geschehen auf dem Platz. Während seiner dritten Saison auf der PGA Tour sollte für David Duval der Knoten platzen - und wie! Nachdem er im Oktober 1997 die Michelob Championship at Kingsmill hatte gewinnen können, ließ er dem Premierensieg binnen drei Wochen zwei weitere Triumphe folgen. Das Frühjahr '97 gehörte zwar dem aufstrebenden Superstar Woods - inklusive des historischen Masters-Triumphs -, der folgende Herbst war dank dieser drei Siege jedoch fest in der Hand von David Duval. Es war ein Vorgeschmack auf das, was sich in den nächsten knapp zwei Jahren auf der Tour abspielen sollte. "Wenn ich den Schläger vernünftig schwinge, trifft keiner den Ball besser als ich", gab er selbstsicher zu Protokoll und ging 1998 auf eine beeindruckende Siegesserie. Duval gewann in der Phase elf Turniere bei lediglich 34 Starts und das in weniger als 16 Monaten. "Manchmal fühlt man sich eben unbesiegbar", so Duval lapidar. Tigereske Zahlen in jedem Fall, wie sie der größte Golfer aller Zeiten erst nach Duval erreichen sollte. Zum Vergleich: Tiger errang im gleichen Zeitraum "lediglich" zwei Turniersiege - gewann dann aber seinerseits in der zweiten Jahreshälfte 1999 unfassbare sieben Trophäen.

Nichtsdestotrotz war David Duval auf der Höhe seines Schaffens, auch wenn es ihm zu dieser Zeit nicht bewusst gewesen sein dürfte. Für den Moment allerdings waren die Jahre 1997 bis 1999 - und mit Abstrichen bis 2001 - ein Glücksfall für den Golfsport: auf der einen Seite die transzendente Figur, multinational, schwarz und so neu, ganz anders, und auf der anderen Seite er, unnahbar, versteckt hinter seinem Markenzeichen, der kantigen, das Gesicht verbergenden Oakley-Brille. Anders als Tiger war Duval aber kein Liebling der Fans. Er sehe eben nicht entspannt aus auf dem Platz, meinte er einst zu diesem Thema. Aber wenn er relaxt sei, sei er durchaus ein lustiger Geselle. Genauer betrachtet hinkt der Vergleich, denn in ihrer Verbissenheit und minutiösen Vorbereitung auf Golfturniere und dem unbedingten Siegeswillen glichen sich die beiden Rivalen auf verblüffende Weise. Duval gab an, dass er lediglich zu Turnieren antrete, wenn er sich absolut vorbereitet fühle. Etwas, was Tiger zu seinem Mar kenzeichen erheben sollte. So verwundert es nicht, dass trotz ihrer Rivalität auf dem Platz so etwas wie eine Freundschaft entstehen sollte. Wie Duval über die Jahre immer wieder in die Mikros diverser Podcasts und Interview-Mikrofone sprach, verband und verbindet die beiden durchaus so etwas wie eine Freundschaft. "Wir hatten viel Spaß zusammen." Gerade bei den World Cups, von denen er 2000 einen an der Seite von Woods gewinnen sollte, bildete sich eine Chemie zwischen den beiden. "Wir haben ein paar Bier zusammen getrunken, redeten, waren im Kino", dennoch habe auch er später nichts von den persönlichen Untiefen von Woods ahnen können, wie er freimütig gegenüber David Feherty einräumte.

Golfpunks dieser Welt: Geniale Erfindung: der unsichtbare RückenkratzerGolfpunks dieser Welt: Geniale Erfindung: der unsichtbare Rückenkratzer
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Zwischen 1997 und 2001 war der US-Amerikaner nie schlechter als auf dem achten Rang der Geldrangliste platziert. 1998 erreicht er den niedrigsten Schlagdurchschnitt auf der Tour, war Star in TV-Werbungen und entriss Tiger Woods die Weltnummereins im Jahr 1999. Duval spielte furchtlos, unnachgiebig, prinzipiell fehlerfreies Golf. "Er war ein herausragender Spieler. Er hatte vor niemandem Angst", so Ben Crenshaw, Ryder-Cup-Captain 1999. Duval landete auf dem "Sports Illustrated"-Cover und spielte hoch dotierte Show-Matches gegen Woods - Duval führte das Leben eines Superstars. Im gleichen Jahr gewann er am identischen Tag wie sein Vater Bob, der mittlerweile auf der Champions-Tour seine eigene professionelle Karriere verfolgte. Und dabei reüssierte David nicht bei irgendeinem Turnier, sondern gewann The Players, das inoffiziell fünfte Major. Ebenfalls 1999 spielte er als damals dritter Spieler der Geschichte eine 59 und das in der Schlussrunde der Bob Hope Chrysler Classic mit einem Eagle am letzten Loch - bis heute sind die Fernsehbilder legendär. Nachdem er mit zehn Schlägen Rückstand auf die Runde gegangen war, interessierte ihn der Sieg nicht, wie er selbst erklärte: "Ich wollte die 60 knacken." Es reichte zu beidem. Lief bei ihm? Bis dahin, ohne Zweifel. Was folgte, ist beispiellos in der langen Tradition der PGA Tour. 2000 sollte es noch zu einem Turniersieg reichen, nachdem zuvor immer mindestens vier Siege verbucht worden waren. 2001 dann noch mal ein Höhepunkt. Jahrelang als der Beste ohne Major-Sieg gebrandmarkt, konnte Duval die Open 2001 gewinnen. "Ich habe nicht spektakulär gespielt, als ich die Open gewann. Ich habe den Ball gut getroffen, nicht großartig. Ich habe gut geputtet, aber nicht überragend. Jedoch habe ich nur zwei Putts innerhalb von zwei Metern verpasst." Das war seine trockene Analyse nach dem größten Triumph seiner Karriere.

Und dann? Duval fiel förmlich vom Leaderboard - rapide und dramatisch. Mit gerade mal 30 Jahren und einer Karriere, die viele gern als Lebenswerk vorweisen würden, ging es bergab. Es ist die verrückteste Abwärtsspirale, die man sich vorstellen kann. 2002 schaffte er es gerade noch auf Rang 80 in der Geldrangliste. Ein Jahr später nur noch zur Nummer 211. Über den Grund dieses Abstiegs wurde viel gerätselt: private Probleme, Verletzungen, eine Mischung aus allem? Wie er zu Beginn des katastrophalen Abstiegs zu Protokoll gab, habe er immer durch nervige Kleinigkeiten und Verletzungen hindurch gespielt. Hier ein Ziehen, dort ein Zucken - so lange, bis es chronisch werden sollte. Dazu die Trennung von der Jugendliebe, was psychologisch sicher nicht zu unterschätzen ist.

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"Ich habe in der Zeit langsam angefangen, meine körperlichen Probleme zu kompensieren. Das hat meinen Schwung komplett zerstört: Mein Set-up, meine Haltung, alles war weg." Duval entschied sich für eine Spielpause, um seine Probleme zu lösen. Neben den Rücken-, Handgelenksproblemen und Schulterschmerzen kamen Formen von Schwindelanfällen hinzu. Ein erstes Comeback 2004 wurde zum Desaster. In den folgenden fünf Jahren sollte Duval einmal T-13 und T-16 schaffen. Weitere Highlights? Fehlanzeige. Ernüchternd für die einstige Nummer eins. Erst 2009 gelang es ihm, bei der US Open in Bethpage Black mit einem T-2 auf sich aufmerksam zu machen, und lag am vorletzten Loch nur einen Schlag hinter dem späteren Sieger Lucas Glover. Duval war zurück? Mitnichten, er sollte einem Sieg nie wieder so nahe kommen. Bis 2015 mühte er sich entweder durch die Q School, um die Spielberechtigung zurückzuerlangen, spielte auf Sponsoreneinladung oder weil er als ehemaliger Sieger Startrecht besaß. Den einst dominanten Golfer gab es nicht mehr. Als reflektierte Person, die Duval immer gewesen ist, wollte er sicher bessere Resultate. Aber in dem Wissen, dass er für sein Empfinden gut spielte, fand er so seine kleinen Glücksmomente auf dem Platz. Auf die Frage, ob sich seine Wertschätzung zum Golfzirkus geändert hätte, meinte er: "Ich war mitten im Turnier, habe versucht, Birdies zu spielen, und hatte Riesenspaß, also würde ich sagen Ja."

2015 fand David Duval seine neue Berufung als Fernsehanalyst für den Golf Channel. Und wie er als Spieler nie Angst zeigte, so hatte er von Beginn an keine Probleme, seine Meinung klar und offen kundzutun. Manche Beobachter sagen, es wäre wie eine Offenbarung für ihn nach all den (gescheiterten) Jahren. Nick Faldo war von Duvals TV-Erfolg nicht überrascht: "Er ist gut aufgrund seiner Erfahrungen. Spieler, die es wirklich gefühlt haben, nicht nur mitgespielt oder ein wenig mitgelaufen sind, sondern die im Tunnel waren - er kennt alles. Der Aufstieg zur Nummer eins und dann der Abstieg, der komplett andere Lebensweg: Er kann eine Menge Golf, eine Menge Lebenserfahrung einbringen."

Der heute 47 Jahre alte David Duval ist ist glücklich, das betont er immer wieder. Kein "Was wäre, wenn?"- Grübeln mehr. Nach eigenen Angaben konnte er gut 40 Prozent seiner rund 19 Millionen Dollar Karrierepreisgeld sparen oder anlegen. Er lebt mit seiner Frau Susan und den zwei gemeinsamen Kindern in Cherry Hills Village, Colorado. Und er spielt auf Einladung ab und an noch Turniere - mit Erfolg? Das spielt alles keine Rolle mehr. "Am besten lässt es sich wohl so erklären, dass ich keine Sehnsüchte mehr hege, weder auf dem Platz noch daneben. Ich schätze sehr, was ich habe, und fühle mich gesegnet." David Duval hat seinen Frieden gefunden.

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