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Golfpunks dieser Welt

John George Goodman

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Seit 90 Jahren steht Johnny Goodman in den Golf-Geschichtsbüchern. Der letzte Amateur, der ein Major-Turnier gewinnen konnte, war ein wahrer Gentleman des Sports.

Es gab Zeiten, in denen Amateure im Golf einen höheren Stellenwert hatten als Berufsgolfer. Profis war zeitweilig in den Vereinigten Staaten und Großbritannien gar der Zutritt zu den Clubhäusern untersagt, weil sie mit ihrer Berufswahl den Status eines Gentlemans verspielt hätten. Nicht umsonst war der größte Golfer seiner Zeit der ewige Amateur Bobby Jones, der 1930 den Grand Slam holte, indem er bei der Amateur Championship, der US Amateur Championship, der Open Championship und der US Open gewann. Doch Jones war nicht der letzte Amateur, der ein Major gewinnen konnte. Diese Ehre gebührt John Georg Goodman, der 1933 bei der US Open im North Shore Country Club vor den Toren Chicagos triumphierte und zu einem der interessantesten Charaktere der Golfgeschichte wurde.

Der aus einer litauischen Einwandererfamilie stammende Johnny wird als fünfter Sprössling von William und Rose Goodman am 28.12.1909 in South Omaha, Nebraska, geboren. Der Vater, gepeinigt durch die Arbeit in einem örtlichen Schlachthaus und die ewige Armut, verfällt früh dem Alkohol. Keine Frage, der kleine Johnny hat es nicht leicht. Als Rose 1924 bei der Geburt ihres 13. Kindes stirbt, lässt William seine Kinder im Stich und verschwindet. Den nun auf sich allein gestellten 15-jährigen Johnny rettet der Golfsport.

Wenige Jahre zuvor verschaffte ihm ein Zufall Zugang zum örtlichen Omaha Field Club. Als er auf den Bahngleisen spielt, die die Anlage kreuzen, findet er einen Golfball und reicht ihn einem vorbeiziehenden Spieler weiter. Dabei wird ihm der Job eines Caddies nahegelegt. Eine klassische Karriere findet so ihren Anfang. Intelligent und gewillt, hart zu arbeiten, wird er flink zum besten Taschenträger des Clubs. Folgerichtig darf er 1922 die Tasche des amtierenden Open-Champions Walter Hagen tragen, als dieser in Omaha spielt. Der 13-jährige Goodman schläft damals zeitweise bei der Familie seines Freunds Matt Zadalis und nimmt jeden Job an, den er finden kann. So arbeitet er als Nachrichtenbote für die Western Union, als Assistent in einer Druckerei und sogar als Reiniger im Schlachthaus. Für die Schule bleibt nicht viel Zeit. Dass er 1927 dennoch den High-School-Abschluss bewältigen wird, zumal er mittlerweile auch seine eben so verwaisten Geschwister unterstützt, spricht für Johnny Goodmans Willensstärke. Die beweist er auch auf dem Golfplatz.

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GOLF IST EIN SPIEL FÜR MICH, KEIN GESCHÄFT.
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Mit seiner schlanken Statur und lediglich 172 Zentimetern Körpergröße gehört er nicht zu den Longhittern. Weil er den Ball wenige Grad in der Aufwärtsbewegung trifft und kaum Divots aus dem Boden schlägt, entwickelt er aber einen verlässlichen Fade. Seine Stärken spielt er ohnehin erst aus, je näher er dem Grün kommt. Wenige sind mit einem Pitching Wedge oder einem Putter in der Hand besser als er. Als er 1925 mit gerade einmal 15 Jahren ein Turnier in der Metropolregion gewinnt, ist er ganz offiziell einer der besten Golfer Omahas.

Und nun? Profi werden? Wie sein Vorbild Bobby Jones und ganz im Geiste der Zeit entscheidet er sich dagegen. "Golf ist ein Spiel für mich, kein Geschäft", wird Goodman zitiert. Zu den Turnieren reist er in Güterwagen, die sonst Post durch die Vereinigten Staaten karren. Als der Teenager 1926 nach knapp 700 Schienenkilometern an der Trans-Mississippi Championship in St. Louis teilnimmt, stellt er die Weichen für den nächsten Karriereabschnitt. In der Qualifikation bricht er den Platzrekord von Walter Hagen, jenem Hagen, für den er nur wenige Jahre zuvor noch die Tasche schleppte. Goodman erreicht am Ende das Halbfinale und unterliegt knapp. Die Golfwelt nimmt dennoch Notiz, wie Goodman Jahre später bemerkt: "Eines Tages wachte ich auf und war berühmt!" Dass er nicht in Vergessenheit gerät, stellt er 1929 bei der US Amateur Championship in Pebble Beach sicher, wo er für eine der größten Sensationen der Golfgeschichte sorgt. Nach seiner Ankunft in Kalifornien wird er jedoch erst mal vor einen Ausschuss der US Golf Association (USGA) zitiert. Wie immer knapp bei Kasse hatte er für läppische acht Dollar die Woche einen Job beim Sportartikelhersteller Spalding angenommen. An Goodman soll ein Exempel statuiert werden. Welche Ironie, dass sein Gegner in der ersten Match-Play-Runde ausgerechnet der legendäre Bobby Jones ist, der trotz Amateurstatus ohne Proteste bereits ein Golfbuch veröffentlicht hat. Dass Johnny sein Idol mit 2&1 besiegt, gleicht einem Erdbeben und schockt die USGA so, dass sie im Folgejahr eine Setzliste etabliert. Zwar verliert Goodman in der zweiten Runde, dennoch ist das Turnier ein Erfolg für ihn. Sein Sieg ruft den Entertainer Bing Crosby auf den Plan, der ihm ein Match über 100 Dollar pro Loch anbietet - und 500 Dollar verliert. Ein willkommener Zahltag für den notorisch knappen Goodman: "Amateur-Golf ist für die Reichen. Und von Reichtum bin ich weit entfernt. [...] Es ist fast unmöglich, zu arbeiten und wettbewerbsfähig Golf zu spielen." Dennoch ist der Wechsel zum Profi-Golf keine Option. Zwar sorgt die Große Depression für finanzielle Engpässe, aber Goodman will den Amateurstatus behalten, um beim Walker Cup zu spielen.

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Doch die USGA ignoriert ihn sowohl 1930 als auch 1932 - trotz seines zweiten Platzes bei der US Amateur Championship. Ein Jahr später kann ihn jedoch niemand mehr übergehen. Bei der US Open 1933 lässt Goodman auf eine 75 mit einer 66 einen Turnierrekord folgen. Am Finaltag geht er nach der Vormittagsrunde mit sechs Schlägen Vorsprung auf die letzten 17 Löcher, doch plötzlich zeigt er Nerven: Nach 14 Löchern ist die Führung dahin. Nur dank Ralph Guldahls Bogey auf der letzten Spielbahn gewinnt er mit einem Schlag Vorsprung. Und die USGA? Auch im Moment seines Triumphs werden die sozialen Ressentiments deutlich. Weder Präsident Herbert H. Ramsey noch ein anderer Offizieller wollen die Trophäe überreichen. Johnny nimmt sie sich einfach selbst und streckt sie in die Höhe. Er ist 23 Jahre alt.

Selbst nach seinem größten Triumph behält er den Amateurstatus und kehrt in seinen Versicherungsjob zurück. Das erste Masters 1934 verpasst er, einfach weil er weder die Zeit noch die finanziellen Möglichkeiten hat. Dennoch nimmt Goodman einen fast vergessenen Einfluss auf die Geschichte des Turniers: Ausgerechnet sein Erstrunden-Sieg in Pebble Beach führt zur Zusammenarbeit von Bobby Jones und Dr. Alister MacKenzie. In seiner unverhofften Freizeit besucht Jones den gerade eröffneten Cypress Point Golf Club und spricht mit dessen Architekten MacKenzie. Begeistert vereinbart er eine Zusammenarbeit für eine zukünftige Anlage: Augusta National. Im gleichen Jahr, als dieser Traum wahr wird, erfüllt sich auch für Goodman sein Traum. Kapitän Francis Ouimet beruft ihn ins amerikanische Walker-Cup-Team und Goodman enttäuscht nicht. Seine zwei Kantersiege beschreibt Golfjournalist Bernard Darwin als "entsetzlich gut". Seinen letzten Meilenstein setzt der vergessene Gentleman des Golfs 1937 mit dem Gewinn der US Amateur Championship, deren Trophäe der neue USGA-Präsident John G. Jackson jetzt auch gerne überreicht.

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John Georg Goodman ziert nun das Cover des "Time Magazine", was insgesamt nur sechs Golfern zur Ehre wird. Er heiratet seine Langzeitverlobte Josephine zu Hause in Omaha und zieht, immer noch knapp bei Kasse, mit ihr bei den Schwiegereltern ein. Sie bekommen einen Sohn, dann kommt der Krieg und Johnny tritt mit 32 Jahren in die US Army ein. Er wird nie wieder auf dem Golfplatz für Furore sorgen. Nach einem schweren Autounfall 1947 und dem Verlust seines Jobs beginnt er, schwer zu trinken, und stirbt 1959 beinahe an einer Leberzirrhose. Und am Ende wird er doch noch Profi, als er eine Stelle im Bellflower Golf Center annimmt.

Am 08. August 1970 stirbt Johnny Goodman mit nur 60 Jahren im Schlaf. Wenige Tage zuvor spielt er seine letzte Runde Golf an dem Ort, an dem alles begonnen hat, dem Omaha Field Golf Course. Dass er an seinem 53. Todestag posthum in die Caddie Hall of Fame aufgenommen wird, ist da nur passend. Sein Sohn zeigte sich bei der Zeremonie sehr bewegt: "Mein Vater hätte es geliebt!"

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