Es ist ganz lustig gewesen, weil ich in Antwerpen über zwei Tage wie auf der Playstation gespielt, aber keinen einzigen Putt gelocht habe. Die Putts waren auch noch gut, sind aber nicht gefallen. Deshalb haben mein Caddie Andy und ich entschieden, wir verändern für nächste Woche gar nichts. Das Spiel ist so gut, wir müssen einfach nur geduldig bleiben. Ich bin nach Österreich mit der Einstellung gefahren, wenn ich mein Golf spiele, wird irgendwann der Knoten platzen. Dass es dann direkt mit einem Sieg geklappt hat, ist natürlich der Hammer.
Wie hast du das am Sonntagabend gefeiert?
Der Sonntagabend war so was von unsexy, das kann man sich gar nicht vorstellen. Mein Flug nach Düsseldorf wurde wegen Gewitter storniert. Dann bin ich am Abend noch von Salzburg nach Wien gefahren und war um ein Uhr nachts im Bett. Und um sechs Uhr klingelte der Wecker. Erholung war top... Ich fühle mich immer noch wie ein Kartoffelsack.
An der 18 hast du deinen Drive nach links verzogen. Ist dir da noch mal die Düse gegangen?
Natürlich habe ich geschwitzt, weil es ein langer Weg dahin war. Aber ich habe den Schwung später noch mal auf Social Media gesehen: Halleluja, das Ding war auch schnell bewegt. Da hatte ich echt Adrenalin drin. Ich würde sagen, der hatte ganz entspannte fünf Meilen Ballspeed mehr als normalerweise.
Du warst im Final-Flight mit Marcel Schneider. Wie war das zusammen? Habt ihr viel geredet?
Wir haben uns zwischendrin mal unterhalten, aber nicht viel. Wir waren beide sehr in der Zone. Es war schön, diesen Moment mit ihm zu teilen. Marcel ist ein lustiger Kerl. Wir sind ja befreundet und verbringen auch dieses Jahr ziemlich viel Zeit miteinander. Als wir uns an der 18 umarmt hatten, war das sehr herzlich von ihm. Das war nicht so nach dem Schema "Ich muss das jetzt machen, weil hier Kameras sind". Das war wirklich ernst gemeint und er hat gesagt, dass er mich noch nie so gut hat Golf spielen sehen und dass ich es mehr als verdient hätte, als Sieger vom Platz zu gehen. Ich hätte es ihm genauso gegönnt.
In ein paar Wochen spielst Du als DP World Tour Champion in München bei der BMW International Open. Wird das noch mal etwas besonderes sein?
Ich freue mich wirklich riesig auf München. Ich freue mich auf die deutschen Fans. Ich liebe München, ich liebe den Golfclub Eichenried und ich liebe was BMW da jedes Jahr auf die Beine stellt und und wie sie sich um uns Spieler aber auch um unsere Familien kümmern. Und auch für jeden, der dort zum Zuschauen hinkommt, ist es ein tolles Event. Ich kann eigentlich gar nicht darauf warten.
»ICH BIN NACH ÖSTERREICH MIT DER EINSTELLUNG GEFAHREN, WENN ICH MEIN GOLF SPIELE, WIRD IRGENDWANN DER KNOTEN PLATZEN.«
Sie ist Radiologin und hat es parallel auf dem iPad verfolgt. Ihren Kollegen haben es auch mitbekommen und die Daumen gedrückt und sie ein bisschen entlastet, weil sie gesagt haben, das ist wirklich etwas Besonderes.
Spielt sie auch Golf?
Ja, sehr gut sogar. Sie hat ein Handicap von zwei.
Du hast parallel zum Golf auch studiert und eine Pilotenausbildung angestrebt. Wann hast du entschieden, hauptberuflich eine weiße Kugel zu schlagen?
Ich habe VWL studiert und parallel das Assessment Center bei der Lufthansa durchlaufen. Das waren drei Prüfungen, die ich alle bestanden habe. Aber dann gab es große Verzögerungen durch Streiks und Umstrukturierungen des Konzerns, sodass ich mich am Ende meines Studiums gefragt habe, ob ich warte oder ob ich etwas anderes mache. Und parallel wurde ich immer besser im Golfen. Anfang 2016 habe ich auf einer Trainingsreise nach Costa Navarino meinen Trainer Roland Becker angeguckt und gesagt: "Wenn ich Profi-Golfer werden will, sollte ich es jetzt machen, weil ich die Chance sonst nicht mehr habe." Er guckte mich an und meinte: "Gott sei Dank hast du es gecheckt!"
Gab es mal einen Moment, in dem du dir gedacht hast: "Ach, wäre ich doch lieber Pilot geworden!"?
Nein, nie. Ich liebe das Fliegen. Ich würde auch gerne irgendwann mal eine private Pilotenlizenz machen. Aber ich bin total glücklich da, wo ich bin. Klar, das sagt sich nach einem Sieg leichter. Aber auch vor dem Sieg habe ich das so gesehen.
Als du 2016 ins Profilager gewechselt bist, hast du ziemlich schnell in die Erfolgsspur gefunden. Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass dir auch mal Grenzen aufgezeigt werden?
Das ging relativ schnell: 2017, als ich im August auf die Challenge Tour kam. Ich durfte ja noch sechs Turniere spielen, um mich dann für die vier Finalturniere zu qualifizieren. Und ich habe losgelegt wie die Feuerwehr: Zweiter geworden, hier und da Top Ten. Doch irgendwann habe ich gemerkt, dass mir hintenraus die Luft ausging.
Aber das war dann körperlich. Gab es auch spielerische Grenzen für dich?
Im Laufe der Jahre kommt es immer mal wieder vor. Ich habe einen großen Vorteil und ich habe einen großen Nachteil - und beides läuft auf das Gleiche hinaus. Ich bin recht schlau. Das hat mich in der Vergangenheit zu vielen tollen Lösungen geführt. Es hat mich aber auch manchmal in die falsche Richtung gejagt, weil ich zu viel nachgedacht habe über Dinge, die ich eigentlich nur hätte tun müssen. 2023 habe ich meinen Schwung verändert, nachdem ich 75. im Race to Dubai war, um irgendwie noch besser zu werden. Und dann verlor ich im Jahr darauf die Tourkarte. Da habe ich vor einem Scherbenhaufen meines eigenen Golfspiels gestanden. Das war wirklich der Tiefpunkt.
Wie hast du den Scherbenhaufen dann wieder zusammengekehrt?
Mithilfe meines Teams. Mein Trainer Ian Holloway hat das Technische auf ein Fundament gesetzt, mit dem ich mich wohlfühle und weiß, was der Balll tut. Und meine Mentaltrainerin Silke Lüdike hat das Ganze von der mentalen Seite wieder aufgebaut. Sie war auch diejenige, die irgendwann ihr Veto eingelegt hat und gesagt hat: "Bis hierhin und nicht weiter, jetzt müssen wir was ändern. Weil, wenn du noch zwei Monate so weitermachst, ist das Thema vorbei."
Du hast jetzt deinen ersten Sieg. Wie kannst du das Niveau halten?
Das kann ich dir nicht sagen. Golf ist hart, Siegen ist härter. Mehrfach zu gewinnen ist noch mal viel härter. Ich bin auf jeden Fall befreiter. Diesen ersten Sieg irgendwann mal einzufahren war natürlich ein Traum von mir. Das war die Belohnung für jahrelange harte Arbeit.