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Naomi Angela Wafula

Auf die harte Tour

Von Paulina Keller, Fotos: Mike Meyer

Aus der kenianischen Provinz hat bisher noch kein Golfer und erst recht keine Golferin mit Tourkarte in der Tasche den Weg als Profi auf europäische Fairways geschafft. Naomi Wafulas größter Traum ist es, dies endlich zu ändern.

Treffen wir hoffnungsvolle Nachwuchs-Golfer zum ersten Interview, gleichen sich meist deren Geschichten wie ein Ei dem anderen: Die Sprösslinge einer Golffamilie wuchsen meist in der Nähe eines Golfplatzes auf, wurden bei der Kadersichtung entdeckt und danach klopften die amerikanischen Colleges an, bevor es auf die Tour geht.

Verglichen damit klingt Naomi Wafulas Geschichte wie ein Märchen. Es ist beinahe unglaublich, dass das in einfachsten Verhältnissen und in Kenia in einer strukturschwachen Region geborene und heute 25 Jahre alte Golftalent bereits früh mit dem Sport in Berührung kam. Und trotzdem steht Naomi nun nach einer ausgiebigen Europatour im Sommer 2023 gemeinsam mit uns am Pool unserer Airbnb-Villa in Griechenland, wo sie als Model in unserer Spätsommer-Modestrecke glänzte, und präsentiert stolz ihr Tour-Outfit samt den Logos ihrer Sponsoren, die ihr den ersten Ausflug auf die Ladies European Tour ermöglicht haben. Als Jugendliche schlug sich Naomi durch, indem sie Essen auf den Straßen Nairobis verkaufte, und nun hat sie bereits mehr als ein halbes Dutzend Starts auf der LET hinter sich. "Die letzten Wochen waren wie ein Traum", schwärmt Naomi von ihrer ersten Reise nach Europa, "und ich weiß nun ganz genau, was meine Ziele sind."

Kenia ist nicht unbedingt eine Golfnation und trotzdem bist du auf dem Weg, Profi zu werden, und möchtest dich für die Ladies European Tour qualifizieren. Erinnerst du dich noch an das erste Mal, als du einen Golfschläger in der Hand hattest?
Ja, klar. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Westkenia, das für den Anbau von Mais, Kaffee und Tee bekannt ist. Das Leben in Kitale ist nicht einfach. Meine Mutter ist Schneiderin und konnte sich damals nicht um alle vier Kinder gleichzeitig kümmern. Meine Tante hat mich deshalb, als ich drei Jahre alt war, zu sich nach Nairobi geholt und mich großgezogen. Sie ist Golflehrerin, beschloss 2005, ihr Talent weiterzugeben, und gründete eine Golfakademie in Nairobi, in der sie Kinder aus lokalen Regierungsschulen trainiert. Die meisten der besten Amateur-Golferinnen in Kenia kommen von ihrer Akademie. Ich ging samstags und sonntags immer spielen. Seit ich sechs Jahre alt war, nahm sie mich mit auf den Platz und zeigte mir, wie man den Golfschläger schwingt. Als ich 14 Jahre alt war, fing sie an, mich regelmäßig zu trainieren. Rückblickend war es ein Segen, dass ich damals zu meiner Tante nach Nairobi kam. Durch sie habe ich zum Golfsport gefunden, der heute meine größte Leidenschaft ist.

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ICH GLAUBE AN DAS GESETZ DER ANZIEHUNG: JE MEHR POSITIVES ICH ANZIEHE, DESTO MEHR GUTE DINGE KOMMEN ZU MIR ZURÜCK.
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Was bedeutet Golf für dich heute?
Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich auf der Straße stand und Reis-Chips gekocht und verkauft habe, um über die Runden zu kommen. Das war keine einfache Zeit. Aber ich war trotzdem glücklich, denn ich habe immer davon geträumt, professionell Golf zu spielen und ins Ausland zu reisen.

Es ist beeindruckend, dass du in solch einer Situation positiv geblieben bist. Wie hast du es geschafft, von der Straße in Nairobi zu den Magical Kenya Ladies Open zu kommen?
Ich glaube an das Gesetz der Anziehung: Wenn man positive Energien aussendet, zieht man gute Dinge an. Ich habe in meiner Freizeit weiterhin Golf gespielt, habe mich stark verbessert und dann die Möglichkeit bekommen, als Amateurin an der Magical Kenya Ladies Open, einem LET-Turnier, teilzunehmen. Vipingo Ridge, der Golfplatz, auf dem die MKLO stattfindet, hat mein Talent erkannt und mir einen Job angeboten. Jetzt kann ich jeden Tag in der PGA Golf Academy auf meinem Heimatplatz trainieren. Es ist ein ganz besonderer Ort für mich. Beim Training kann man Giraffen, Zebras, Affen und den Ozean sehen. Es ist magisch! Im Laufe der Zeit kamen dann Sponsoren wie U.COM auf mich zu und es ergaben sich weitere Möglichkeiten wie die Reise nach Europa, bei der ich die Gelegenheit hatte, in vielen verschiedenen Ländern Golf zu spielen.

Du hast dein Heimatland diesen Sommer das erste Mal verlassen und bist durch Europa gereist. Wie waren deine Eindrücke?
Nach drei Teilnahmen an der Magical Kenya Ladies Open habe ich die Möglichkeit erhalten, nach Europa zu reisen und dort Golf zu spielen. Ich war noch nie zuvor in Europa. Die Erfahrungen dort waren großartig. Zuerst habe ich am Pro-Am der Porsche European Open in Hamburg teilgenommen und mit tollen Leuten wie Diana Schneider und Paul Waring Golf gespielt. Es war aufregend und ich habe wirklich gutes Golf gespielt. Die ersten beiden Turnierrunden war ich dann Caddie für einen kenianischen Profi und die letzten beiden Runden habe ich als Zuschauerin verfolgt. Es war unglaublich. Ich durfte auf die Driving Range gehen, um mich auf die kommenden Turniere vorzubereiten. Eines davon war das Amundi German Masters, das LET-Turnier in Berlin. Danach ging es sogar noch weiter nach Tschechien und Finnland, wo ich beinahe den Cut geschafft hätte. Ich habe eine Menge gelernt und Selbstvertrauen gewonnen, denn bei einigen Events war ich die einzige Schwarze. Es war, als ob ein Traum wahr würde - obwohl man in dem Dorf, aus dem ich komme, eigentlich gar nicht so große Träume haben kann, weil sie einfach zu unrealistisch erscheinen. Abgesehen vom Golf hatte ich eine sehr gute Erfahrung mit den Menschen in Europa und ich liebe das deutsche Essen.

Naomi Angela Wafula: Handschuh: passt!Naomi Angela Wafula: Handschuh: passt!
Handschuh: passt!
Wovon träumst du noch und worauf arbeitest du gerade hin?
Mein Ziel ist es, in der ersten und zweiten Dezemberwoche an der Q School in Marrakesch, Marokko, teilzunehmen, um mich für die Ladies European Tour Card zu qualifizieren. Momentan trainiere ich sehr hart dafür. Wenn ich es schaffe, werde ich die erste professionelle Golferin aus Kenia sein, die regelmäßig auf der LET spielt. Ich träume auch davon, die junge Generation zu inspirieren und ihnen zu zeigen, dass es möglich ist, als Profi-Golferin erfolgreich zu sein, selbst wenn man aus einem Nicht-Golf-Land wie Kenia kommt und schwierige Verhältnisse erlebt hat. Ich will viele Menschen motivieren, insbesondere Afrikaner und Menschen in meiner Heimat.

Siehst du dich als Vorbild für junge Golferinnen in Kenia?
Ja, ich bin definitiv ein Vorbild für die jungen Mädchen zu Hause. Gerade bin ich bei einem Golfcamp in Nairobi und treffe eine Menge Junior-Golferinnen. Sie sind so begeistert, wenn sie mich sehen, und fragen mich ständig um Rat. Sie wissen, dass ich in Europa gespielt habe, und wollen wissen, wie es dort ist. Sie schauen zu mir auf und sind sehr motiviert. Es ist eine große Ehre für mich, auf dieser Bühne zu stehen und sie zu inspirieren.

Wie steht es im Moment um dein Golfspiel? Bist du in guter Form?
Meine Stärke im Golf ist das Chippen, denn das fällt mir sehr leicht. Gerade arbeite ich an meinem Putting. Nach Abschluss meiner Turniere in Europa habe ich mir einen neuen Putter zugelegt und meinen Griff verändert. Ich hatte das Gefühl, dass ich einen Neuanfang auf den Grüns brauche. Also bin ich mit U.COM zum Golf-Shop gegangen und habe mich für einen Odyssey-Putter entschieden. Ich habe die Hoffnung, dass meine Scores damit viel besser werden: Wenn ich genug trainiere und mein Putting verbessere, kann ich wieder regelmäßig 3 bis 4 unter Par spielen.

Naomi Angela Wafula: Postkartenmotiv: herzliche Grüße aus Costa Navarino
Postkartenmotiv: herzliche Grüße aus Costa Navarino
Wie sieht dein Trainingsalltag aus?
Nach einer Stunde Fitnessstudio um sechs Uhr morgens folgt das Frühstück. Danach beantworte ich E-Mails und arbeite im Clubhaus, wo ich im Pro-Shop aushelfe oder die Kids trainiere. Ich habe so nette Kollegen, die mich dabei unterstützen, meine Ziele und Träume zu erreichen. Das ist nicht selbstverständlich, vor allem da sie nicht einmal Familie sind. Ich schätze das sehr. Den Rest des Tages verbringe ich meistens auf der Range oder auf dem Golfplatz und trainiere. In Kenia spiele ich ein paar lokale Turniere, bei denen ich für den Rest des Jahres gegen die Männer antreten werde.

Wie laufen diese Turniere ab?
In Kenia gibt es einfach zu wenig Damenturniere, bei denen Ranglistenpunkte vergeben werden. Ich muss mich allerdings nach oben spielen um mein Ziel, die LET Tour, zu erreichen. Daher spiele ich bei Männer-Events mit, bei denen viel öfter Weltranglistenpunkte zu holen sind.

Ist es schwierig, gegen Männer zu spielen, oder magst du die Herausforderung?
Ich mag die Challenge! Es ist toll, dass wir nicht in Kategorien wie Damen und Herren eingeteilt werden, denn auf dem Platz haben wir alle das gleiche Ziel. Ich spiele gerne mit Männern, weil ich den Wettbewerb und die Konkurrenz mag. Wenn ich dann wieder gegen Frauen spiele, wird es viel einfacher. Vor Kurzem habe ich mein erstes Turnier mit den Herren in Malindi gespielt und den achten Platz belegt.

 
Steckbrief

Steckbrief

Name
Naomi Angela Wafula

Alter
25 Jahre

Wohnort
Vipingo, Kilifi County, Kenia

Handicap
-1,9

Lieblingsmusik
Amapiano Tanzania

Erfolge
2018
1. Kenya Ladies Open Match Play (Amateur)
2022
1. Tanzania Ladies Open (Amateur)

Was bedeutet dir der Golfsport?
Golf bedeutet mir sehr viel. Es ist mehr für mich als nur ein Spiel, es ist meine Leidenschaft. Beim Golf lerne ich vieles, vor allem Disziplin und Geduld. Golf hat einige Aspekte, die man auf das wirkliche Leben übertragen kann, wie Ehrlichkeit, Integrität und einfach, ein guter Mensch zu sein.

Golf kann aber auch ein ganz schön frustrierender Sport sein. Fällt es dir manchmal schwer, positiv zu bleiben, oder ist das einfach deine Persönlichkeit? Hast du einen Plan B, solltest du deine Ziele im Profi-Golf nicht erreichen?
Wenn ich meine gesteckten Ziele verfehle und keine internationale Profi-Golferin werde, möchte ich weiterhin Kinder trainieren und motivieren, damit sie ihre Träume verwirklichen können. Ich will ihnen eine Mentorin und ein Vorbild sein, das ihnen auf ihrem Weg hilft.

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