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Nick Bachem

Nickiboy macht ernst

Von Rudi Schaarschmidt, Fotos: Mike Meyer

Mit einer unwiderstehlichen Mixtur aus grenzenloser Unbekümmertheit, kaum steigerbaren Sympathiewerten und jeder Menge langen Drives schaffte es Nick Bachem schneller zum ersten Toursieg als alle deutschen Profi-Golfer vor ihm.

Als nach dem Abschluss der Challenge-Tour-Saison 2022 und der darauf folgenden Q School für die DP World Tour feststand, dass wir in diesem Jahr neben Routiniers wie Marcel Siem und Max Kieffer auch eine ganze Gang junger deutscher Rookies im europäischen Oberhaus anfeuern dürften, wollte ich von Bundestrainer Ulrich Eckhardt wissen, wem aus dieser Bande er den ersten Toursieg in der höchsten Spielklasse zutrauen würde. Natürlich brachte diese indiskrete Frage den Coach in ernsthafte Verlegenheit, schließlich fragt man Hansi Flick auch nicht nach seinem Lieblingsspieler. Aber nach hartnäckigem Nachbohren ließ sich Eckhardt doch ein Name entlocken: Nick Bachem. Nicht dass irgendwer am Sachverstand des Bundestrainers gezweifelt hätte, doch der Mann versteht ganz offensichtlich etwas von Golf und Talentevaluierung, denn keine vier Monate später reckte Nick die Trophäe der Jonsson Workwear Open in den südafrikanischen Himmel.

Deutscher Meister, Mannschaftseuropameister und drei Siege auf der Pro Golf Tour als Amateur, gefolgt von drei Top-Five-Ergebnissen auf der Challenge Tour 2022 - alles gute Argumente für die DP-World-Tour-Tauglichkeit. Und Nick zeigte gleich zu Beginn der Saison 2023, dass er sich in der höchsten Spielklasse nicht erst akklimatisieren musste, als er bei der Kenya Open nach zwei Runden nur einen Schlag hinter dem Führenden ins Wochenende ging. In Nairobi zeigte sich zwar, dass Nick in Sachen Abgezocktheit doch noch grün hinter den Ohren war, denn er beendete das Turnier als geteilter 59., aber zwei Wochen später war von dieser Rookie-Schwäche absolut nichts mehr zu spüren und Bachem dominierte das Feld mit vier Schlägen Vorsprung.

Zurück auf europäischem Boden, nachdem er selbst die optimistischsten Saisonprognosen übertroffen hat, ist Nick zur Tagesordnung zurückgekehrt, was in seinem Fall bedeutet, den Enttäuschungen der verpassten Cuts in Hamburg und München immer noch etwas Positives abgewinnen zu können. "Ich habe eigentlich ganz gutes Golf gespielt, doch das ,Grüne Monster' hat heute definitiv seine Zähne gezeigt", lautete sein Fazit nach einer enttäuschenden 77 zum Auftakt der Porsche European Open und drei Wochen später bei der BMW International Open fehlte ein einziger Schlag zum Cut. "Es passiert mir noch zu oft, dass ich in solide Runden ein Doppel-Bogey zu viel einbaue", erzählte er, bevor es zu den Turnieren in England ging, "doch ich habe in den letzten Monaten gelernt, mich nicht mehr über die schlechten Ergebnisse zu ärgern, sondern mich über die guten Runden zu freuen." Seit seinem Sieg hat Nick jetzt fünf von sechs Cuts verpasst, was vielleicht auch an der geänderten Erwartungshaltung liegen mag. Trotzdem ist ein ultrasympathischer Typ wie Nick uns immer ein großes Interview wert.

Nick Bachem: Russenhocke: neuer Name gesucht
Russenhocke: neuer Name gesucht

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ICH GLAUBE, ES IST NOCH VIEL ZU FRÜH ZU SAGEN, MEIN ZIEL WÄRE ES, DAS MASTERS ODER EIN ANDERES MAJOR ZU GEWINNEN. ABER ICH DENKE, UNREALISTISCH IST ES NICHT.
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Wenn du heute mit ein wenig Abstand auf deinen Sieg in Südafrika zurückblickst, wie hat sich direkt danach verglichen mit Wochen später deine Wahrnehmung des Debütsiegs verändert?
Der Moment, in dem es wirklich passiert ist, war natürlich etwas ganz Spezielles, ich stand aber noch sehr unter Anspannung. Da herrschte eher ein Gefühl wie "Morgen kommt noch ein Tag" oder "Irgendwas kann noch passieren". Die Tage danach war sehr viel los. Es ist für jeden Sportler schön, wenn so ein kleiner Hype entsteht. Für mich war das noch sehr ungewohnt. Ich erinnere mich, dass ich so viel geredet habe die ganze Zeit... [lacht] Am schönsten waren dann die Tage nach all dem Trubel, als ich in Frankreich im Urlaub war, alles verarbeiten konnte und endlich verstanden habe: "Okay, ich habe ein Turnier gewonnen." Danach habe ich mich schnell darauf gefreut, bald wieder losspielen zu können. Im Grunde verändern sich ein paar Sachen durch den Sieg ins Positive, der ganze Rest bleibt aber wie zuvor: Ich will einfach nur besser werden im Golfspielen - das will ich nach dem Sieg, das wollte ich vor dem Sieg, das wollte ich, bevor ich die Tourkarte gemacht habe, und das wollte ich bereits mit zehn.

Hast du als Rookie gespürt, wie der Sieg deinen Status auf der Tour und auch im Umgang mit Sponsoren schlagartig verändert hat?
Auf jeden Fall. Bei Gesprächen, die vorher geführt wurden und die noch nicht zum Abschluss kamen, ging's dann doch ein bisschen schneller. Ich war froh, dass ich seit Anfang des Jahres ein Management hatte, die das handeln konnten. Was Verträge angeht, finde ich es cool, wenn man als Spieler auch ein wenig davon versteht und im Thema ist, aber letztendlich ist mir das eigentlich relativ egal, wenn ich ehrlich bin. Für mich war viel entscheidender, dass ich in viel mehr Turniere reingekommen bin und sich meine Jahresplanung spürbar geändert hat.

Du hast dein Leben lang darauf hingearbeitet, Golfprofi zu werden, bist als Sportsoldat in die Sportförderung der Bundeswehr gekommen und hast bei den ersten Turnieren vor deinem Sieg in etwa deine Unkosten eingespielt. Was dachtest du, als du dann plötzlich einen Scheck über 235.000 Euro überreicht bekamst?
Mir ist so was natürlich nicht egal. Ich finde es schon cool, einen Sport auszuüben, in dem man so viel Geld verdienen kann, und zum Glück habe ich als Kind einen Sport angefangen, mit dem später auch noch Geld verdient werden kann. Es hätte auch irgendein anderer schöner Sport sein können, in dem man vielleicht weniger Kölsch trinkt und obendrein auch kaum etwas verdient. Wäre ich Wildwasserkanute geworden, so hätte ich heute mehr Bauchmuskeln, würde aber höchstwahrscheinlich weniger verdienen. [lacht] Wenn ich ganz ehrlich bin, ist es mir momentan aber relativ wumpe, wie es auf dem Konto aussieht. Irgendwann wird sich das sicher ändern, denn ich kann mir nicht vorstellen, mein Leben lang Golfprofi zu sein. Ich hätte schon Bock, irgendwann noch mal was anderes zu machen.

Echt? Unsereins könnte sich kaum etwas Schöneres als das Leben als erfolgreicher Golfprofi vorstellen…
Na klar, ich will es ja auch noch sehr, sehr lange machen. Aber ich denke, wenn man 15 gute Jahre auf der Tour spielt, dann hat man so viel erlebt und gesehen und irgendwann, denke ich mal, muss man im Leben mal irgendwo ankommen und auch etwas anderes machen.

Also wirst du kein zweiter Bernhard Langer?
Ja, nee, ich glaube nicht.

Nick Bachem: Nick Bachem, Hamburg, 30. Mai 2023Nick Bachem: Nick Bachem, Hamburg, 30. Mai 2023
Nick Bachem, Hamburg, 30. Mai 2023
Kieffer, Langer, Kaymer, Siem... es gibt eine ganze Reihe deutscher Golfprofis, die große Erfolge feiern konnten. Doch du bist derjenige, der es nach dem Wechsel ins Profilager am schnellsten zum ersten Sieg geschafft hat. Das ist ein Rekord, auf den man stolz sein kann, oder?
Na, klar! Ich glaube, ich würde mich mehr freuen, wenn ich irgendwann die meisten Siege hätte, aber ich glaube, da hat Bernhard die Latte für alle Deutschen, die nach ihm kommen, extrem hoch gelegt. In den Tagen nach meinem Sieg habe ich nach und nach immer mehr Zahlen und Fakten erfahren. Solche Rekorde sind natürlich cool, aber ich kann nicht anders, als darüber zu schmunzeln. Ich bin halt der Nick aus Seelscheid, der ein bisschen Golf spielt. An diesem Selbstbild ändert auch ein Rekord nichts. Das ist wie mit der Kohle: natürlich saugeil, aber im Grunde ist es mir relativ egal. Ich fahre trotzdem noch mit dem Auto von meinem Opa durch die Gegend, wenn ich zu Hause bin, und brauche im Moment eigentlich nichts…

So, so, der Nick aus Seelscheid... Als wir uns vor zwei Jahren das erste Mal trafen, warst du noch der "Nickiboy". Ist aus dem mittlerweile Nick geworden?
[lacht] Nein, ich bin der "Nickiboy". Es hat sich gerade auch komisch angefühlt, mich selbst als "Nick" zu bezeichnen. Alle meine Freunde nennen mich "Nickiboy" und das wird sicher immer so bleiben.

Du hast dir die Tourkarte für zwei Jahre gesichert, kommst in die Rolex-Turniere, hast ein Management - wenn alles normal läuft, stehen dir enorm erfolgreiche Jahre als Profi-Golfer bevor. Es verändert sich gerade viel in deinem Leben: Sponsorentermine, Interview-Anfragen und jede Menge Aufmerksamkeit. Wie sehr siehst du darin die Gefahr, dass du dich verändern könntest und irgendwann nicht mehr der unbekümmerte Nick aus Köln bist?
Also, ich glaube, dass es einen auf jeden Fall verändert, und Veränderungen sind ja nichts per se Schlechtes. Würde alles immer so bleiben, wie es ist, wäre das auch nicht gut. Ich lerne gerade, dass man anfangen muss, auch mal Nein zu Sachen zu sagen. Das fällt mir noch extrem schwer. Ich muss mich schließlich auf den Kern der Sache, das Golfspielen, konzentrieren und dafür muss man sich schon ein bisschen verändern und manche Einflüsse stärker abblocken. Jetzt gerade finde ich es noch immer geil, dass ich Interviews geben kann. Ich habe keine Angst vor Veränderung, da ich weiß, dass sich mein Charakter, mein Umfeld und die Art, wie ich mich darin bewege, nicht verändern werden. Auf alles, was sich so drum herum verändert, bin ich gespannt und beobachte das einfach.

Deine Freundin ist Profiseglerin und hat bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Silbermedaille gewonnen. Versteht sie mehr vom Golf oder hast du mehr Ahnung vom Segeln?
Oje, das ist eher peinlich, denn ich verstehe überhaupt nichts vom Segeln. Sie weiß inzwischen, was ein Par, ein Birdie oder ein Bogey ist. Deshalb würde ich sagen, dass die Sanni einen Tick mehr über meinen Beruf Bescheid weiß. Aber eigentlich haben wir beide überhaupt keine Ahnung von der Sportart des anderen.

Nick Bachem:
Ist das im Alltag eine gute Sache oder führt das auch zu Missverständnissen?
Nein! Das ist perfekt so, denn wir können über alles quatschen, was den Sport angeht. Damit meine ich die ganzen Gedanken, Emotionen und Gefühle die einen Sportler ausmachen. Das ist super. Noch schöner daran ist aber, dass wir in Gesprächen über Sport nicht in dieses unnötige Kleinkarierte der jeweiligen Disziplinen abdriften. Ich denke, jeder weiß, wie es ist, mit Golfern über Golf zu sprechen. [lacht]

Nach dem Sieg in Südafrika hattest du beim Empfang in deinem Heimatclub Marienburger GC ein grünes Jackett an und der "Kölner Stadtanzeiger" hat dich prompt mit "Ich hoffe, irgendwann mal ein anderes grünes Jackett zu tragen" zitiert. Nachdem du nun weißt, dass du gewinnen kannst, ist das mehr als bloßes Wunschdenken, oder?
Auf jeden Fall. Ich traue mir durch den Sieg sicherlich mehr Sachen zu als zuvor. Davor wusste ich, dass ich ein sehr guter Spieler bin, dass ich siegen und und auch größere Turniere gewinnen kann. Aber bevor man es nicht tatsächlich geschafft, ist dieses Wissen immer mit einem Fragezeichen hinterlegt. Was das Jackett angeht: Ein Mitglied hatte ein grünes Jackett an und hat mir dann aus Spaß gesagt: "Komm, zieh das mal an! Wir machen ein Foto zusammen." Als ich es zurückgeben wollte, meinte er: "Ja, nee, lass es mal an." So trug ich es den gesamten Abend und nach dem 17. Kölsch wusste ich auch gar nicht mehr, dass ich es anhatte. Ich glaube, es ist noch viel zu früh zu sagen, mein Ziel wäre es, das Masters oder ein anderes Major zu gewinnen. Aber ich denke, unrealistisch ist es nicht.

Im Fußball werden nach jedem Spiel unzählige Statistiken bemüht, um den Spielverlauf nachvollziehen zu können und sich auf die nächste Partie vorzubereiten. Nutzt du ebenfalls Statistiken, um dein Golfspiel besser verstehen zu lernen oder dich auf kommende Turniere einzustellen?
Ich habe mir noch keine einzige meiner Statistiken angeguckt. Ich habe wirklich gar keine Ahnung, wie meine Zahlen aussehen. Im letzten Jahr fiel mir auf, dass ich auf Par-5-Bahnen relativ schlecht war. Deshalb habe ich mir für diese Saison vorgenommen, im Durchschnitt viereinhalb Schläge auf den Par 5 zu brauchen, also pro Runde zwei unter, wenn man von vier Par-5-Spielbahnen ausgeht. Das macht dann pro Turnier acht unter auf den Par-5-Löchern. Eigentlich ein ganz einfaches Ziel. Als das formuliert war, habe ich überlegt, wie das zu schaffen ist, und dabei ist mir aufgefallen, dass ich viele schlechte Schläge ins Grün bei den Par-5-Löchern mache. Dann habe ich überlegt: Wie viel trainiere ich denn mit meinen langen Eisen? Gar nicht! Okay. Vielleicht liegt's daran... Auf diese Weise baue ich mir mein Training zusammen. Abgesehen davon ist Golftraining ein schwer zu knackendes Geheimnis, denn jeder arbeitet an ähnlichen Dingen. Ich hau den Ball eh weit, deshalb ist das nie ein Thema...

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME
Nick Bachem

JAHRGANG
1999

WOHNORT
Seelscheid, NRW

PROFI SEIT
2022

LIEBLINGSTEAM
1. FC Köln

ERFOLGE
2021
- Gradi Polish Open (Pro Golf Tour - als Amateur)
- Red Sea Ain Sokhna Classic (Pro Golf Tour - als Amateur)

2022
3. Limpopo Championship (Challenge Tour)
T2. Frederikshavn Challenge (Challenge Tour)

2023
Jonsson Workwear Open (DP World Tour)

Du bist also kein detailverliebter Nerd in Sachen Golfschwung, sondern eher ein Gefühlsspieler?
Ja, ein totaler Gefühlsspieler. Die meiste Trainingszeit fließt deshalb bei mir ins kurze Spiel und das Putten, denn wenn man schlecht spielt und gut puttet oder ein gutes kurzes Spiel hat, dann sind die Runden meistens noch okay. Im langen Spiel arbeite ich nach Lust und Laune. Schließlich kann man auf der Driving Range 50-mal ein Eisen 7 schlagen und auf dem Platz nutzt man diesen Schläger dann nur zweimal und dazwischen liegen drei Stunden. Deshalb verstehe ich den Sinn hinter vielen Wiederholungen nicht. Wenn ich zweimal einen Schlag mache, der sich perfekt anfühlt und dahin geht, wo ich ihn hinhaben will, muss ich ja nicht so lange weitermachen, bis der erste schlechte kommt.

Hast du im Laufe der Saison deine dir zuvor gesteckten Ziele verändert oder angepasst?
Interessant, dass du fragst, denn vor Kurzem hat mir Uli Eckhardt, der Nationaltrainer, vorgelesen, was wir vor einem Jahr als Ziele definiert hatten. Das waren Dinge wie: keine unnötigen Drei-Putts, einfache Up and Downs alle machen und Par 5 viereinhalb Schläge oder besser. Es waren also relativ überschaubare Ziele. [lacht] Dann haben wir überlegt: Was ist denn jetzt das neue Ziel? Und im Grunde bleibt das Ziel eigentlich gleich. Für mich geht es weiter darum, einfach besser zu werden. Ich hätte Lust, ein bisschen konstanter über vier Runden zu spielen - das muss ich auf jeden Fall noch besser hinbekommen -, und sonst mich so häufig wie möglich nach drei Runden in eine Position zu bringen, in der ich um den Sieg mitspielen kann. Wenn dann noch irgendwie ein Sieg oder noch mehrere Siege rausspringen, wäre das ein toller Bonus.

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