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Golfpunks dieser Welt

Slammin' Sam Snead

Von Gavin Newsham, Fotos: Getty Images

Sieben Major-Siege, eine Vorliebe für Strohhüte und ein Schwung, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte - ''Slammin' Sam'' Snead machte so schnell niemand etwas vor.

Wir schreiben das Jahr 1936 und ein 24 Jahre alter Samuel Jackson Snead gibt bei den Hershey Open in Pennsylvania sein Debüt als Profi. Am ersten Abschlag, einem Par 4, greift er ohne Zögern zum Holz 1, spricht den Ball an und schwingt mit voller Kraft. Der Ball jedoch segelt in einer hässlichen Kurve ins Aus. Nervös lädt der Debütant nach, aber das Ergebnis bleibt das Gleiche: Wieder segelt sein Ball jenseits der weißen Pfosten. Out of Bounds. Als Snead in seine Tasche greift, um einen weiteren Ball ins Spiel zu bringen, beginnen die anwesenden Zuschauer zu tuscheln, ob das wohl so eine gute Idee war, dass dieser junge Mann, der sich hier vor ihnen abmüht, den Schritt zu den Profis gewagt hat. Währenddessen hat Sam Snead jedoch den dritten Ball aufgeteet und diesen mit einem mächtigen Hieb das Fairway hinunterkatapultiert. Erst 320 Meter weiter kommt die weiße Kugel zum Liegen - auf dem Grün. Vier Tage später hat der junge Man aus Hot Springs in West Virginia sein erstes Profiturnier auf dem fünften Rang beendet und die Legende von "Slammin' Sam" ist geboren.

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SEIN SCHWUNG MACHTE DIE ZUSCHAUER SPRACHLOS UND TRIEB GEGNERN VOR NEID DIE ZORNESRÖTE INS GESICHT.
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Aufgewachsen während der Wirtschaftskrise auf einer Farm, tat Sam Snead in Jugendjahren all die Sachen, die auch andere Jungs aus den Wäldern von West Virginia unternahmen. Er ging jagen, fischte und, wenn sich die Gelegenheit bot, jobbte er auch als Caddie auf einem nahe gelegenen Golfplatz, um seiner Familie ein wenig Geld nach Hause zu bringen. Sein Spiel hieß Football und Sam Snead hatte hochfliegende Träume, es eines Tages bis zu den Profis zu schaffen, bis eine Rückenverletzung diesen Traum zunichte machte. Sein älterer Bruder Homer gab dem niedergeschlagenen Sam den Rat, es doch mal mit Golf zu versuchen. Ohne die finanziellen Mittel für Trainerstunden oder Golf-Equipment begann Sam sein Training mit weggeworfenen Schlägerköpfen, die er an geeignete Äste montierte. Trainingseinheiten dauerten oft bis in die Nacht und nur die Scheinwerfen eines Autos sorgten zumindest für so viel Licht, dass Snead erkennen konnte, was er tat. Als er sich 1937 der Tour anschloss, hatte er sich längst den Ruf als "das nächste große Ding" erspielt, und als der legendäre Gene Sarazen Snead zum ersten Mal schwingen sah, wusste er sofort, dass er hier einen Spieler vor sich hatte, der einen großen Einfluss auf das Profigolf der kommenden Jahre haben würde. "Ich habe gerade einen Burschen gesehen, der keine Ahnung hat, wie man Golf spielt. Und weiß Gott, ich bin hoffentlich im Ruhestand, wenn er es denn lernt!", lautete Sarazens beeindruckter Kommentar.

Seine Vorahnung sollte sich bewahrheiten. Als sich das Jahr dem Ende zuneigte, hatten der Junge vom Land und sein Strohhut insgesamt sechs Siege errungen, doch es sollte weitere 24 Siege dauern, bis er endlich sein erstes Major, die PGA Championship 1942, gewinnen konnte. Als es dann so weit war, wusste längst jeder in der Golfszene über den Schwung Bescheid. Lang, elegant und scheinbar mühelos - es war eine Bewegung, die Zuschauer sprachlos machte und Gegnern vor Neid die Zornesröte ins Gesicht trieb.

Wie so viele seiner Kollegen zierte sich Sam Snead jedoch, den langen Weg ins Vereinigte Königreich zur Open Championship auf sich zu nehmen. Gründe dafür waren nicht nur die lange Reise, die knochigen Links- Plätze oder die kleineren Bälle, die in Großbritannien benutzt werden, die den Amerikaner vom Start bei der Open abhielten. Knackpunkt war das verhältnismäßig geringe Preisgeld, das es in der Heimat des Golfsports zu gewinnen gab. Als sich Sam endlich ein Herz fasste und bei der Open 1946 in St. Andrews an den Start ging, gewann er auf Anhieb die Claret Jug und das Preisgeld von 600 Pfund, hatte jedoch Unkosten von über 2.000 Dollar während der Woche angehäuft. Für jemanden, der für seine Sparsamkeit berühmt-berüchtigt war, bedeutete das nichts anderes als eine miese Woche, ganz gleich ob am Ende dieser Woche ein weiterer Major-Sieg zu Buche stand. Als ein Reporter nach seinem Sieg wissen wollte, ob er plane, im kommenden Jahr seinen Titel in Hoylake zu verteidigen, antwortete Snead mit entwaffnender Ehrlichkeit: "Nein, Sir, 600 Pfund sind nichts weiter als ein Trinkgeld. Wenn ich möchte, kann ich das meinen Buddys zu Hause bei einem Match abknöpfen." Es sollte ganze 16 Jahre dauern, bis Sam Snead wieder bei der Open an den Start ging.

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Auf der anderen Seite des großen Teichs hatte sich Snead längst als Teil eines Triumvirats zusammen mit Ben Hogan und Byron Nelson etabliert, das die Rekordbücher neu schreiben sollte. Es war Sneads göttlicher Schwung, der allen anderen die Show stahl. Sein Spitzname "Slammin' Sam" wurde dieser ästhetisch perfekten Bewegung kaum gerecht - Snead selbst bevorzugte "Swingin' Sam" -, als Metapher für die unglaublichen Längen, die seine Abschläge zurücklegten, funktionierte der Name allerdings sehr gut. In einer Zeit, in der ein Abschlag von 200 Metern als lang gelten durfte, halfen Sams perfektes Timing zusammen mit seinem untrüglichen Rhythmusgefühl ihm, den Ball regelmäßig mehr als 250 Meter weit zu schlagen. In seinem 1946 erschienenen Buch "How to Play Golf" enthüllte Snead das Geheimnis seiner brachialen Abschläge: "Gehe es leicht und locker an", schrieb er. "Der Ball wird nicht vor dir davonlaufen, während du schwingst."

Während des Zweiten Weltkriegs verpflichtete Snead sich für zwei Jahre bei der Navy, was seine Golfkarriere kurz unterbrach. Kaum herrschte wieder Frieden, begannen seine Angriffe auf den Golfplätzen der Vereinigten Staaten erneut. 1949 gewann er nicht nur den ersten seiner insgesamt drei Titel beim Masters, sondern er wurde auch als Player of the Year ausgezeichnet. Sam hatte Blut geleckt. 1950 gewann er insgesamt elfmal auf der Tour und erreichte dabei einen Durchschnitts-Score von 69,23 Schlägen über 96 Runden. "Ich gewann all diese Turniere, weil ich in besserer Form war als all die anderen", lautet sein Kommentar zur unglaublichen Dominanz. "Ich rauche nicht, ich trinke nicht und ich lege mich zu normalen Zeiten schlafen."

Zu seinem großen Ärger wurde ihm der Titel Player of the Year trotz all seiner Rekorde 1950 nicht noch einmal zugesprochen. Der ging in jenem Jahr an seinen Rivalen Ben Hogan, der nach einem beinahe tödlichen Autounfall zurück auf der Tour war und entgegen allen Voraussagen die US Open in Merion gewann. Snead dagegen hat die US Open nie gewinnen können, die einzige Lücke in seiner riesigen Trophäensammlung. Chancen dafür gab es einige. 1939 zum Beispiel, als er das Turnier mit einem Triple- Bogey beendete und ein Par ihm den Titel gebracht hätte, oder 1947, als er bei noch drei zu spielenden Löchern mit zwei Schlägen Vorsprung führte und auf der 18 einen Putt aus knapp 77 Zentimetern danebenschob. Lew Worshaw gewann in jenem Jahr. "Jeder machte eine große Sache daraus, dass ich nie die US Open gewinnen konnte. Das wurmt mich", gab er noch viele Jahre nach seinem Karriereende zu. "Aber ich muss wohl ganz gut gespielt haben, schließlich hat es für drei Masters-, zwei PGA-Championship- Siege und einen British-Open-Sieg gereicht."

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Der einzige weitere Fleck auf Sneads sonst lupenreiner Karriere war seine Leistung auf dem Grün. Je älter er wurde, desto mehr verließ ihn sein Händchen beim Putten. Das Resultat dieses Niedergangs war ein absolut einzigartiger und unbeholfen wirkender Putt-Stil, der mehr an Krocket als an Golf erinnerte und im absoluten Kontrast zu seinem immer noch eleganten Schwung stand. Die Entscheidung, sein Putten so radikal umzustellen, verhalf Snead jedoch zu einer Langlebigkeit auf der Tour, wie sie kaum ein Spieler vor ihm genossen hatte. Als seine Art des Puttens schließlich als regelwidrig eingestuft wurde, änderte er seine Herangehensweise auf dem Grün ein zweites Mal komplett und stellte sich nun mit dem Gesicht in Richtung Loch, um den Ball dann seitlich neben dem Körper zu spielen. Die spöttischen Blicke scherten ihn kein bisschen: "Es geht nicht darum, wie es aussieht", meinte er nur. "Es kommt darauf an, wie viele Putts man benötigt.

Snead starb am 23. Mai 2002, vier Tage vor seinem 90. Geburtstag. Es war ein passender Zufall, dass er den letzten Golfball seines Leben in Augusta, der Stätte seiner grössten Erfolge, schlug. Als ältester noch lebender Masters Champion kam ihm seit 1984 die Ehre zuteil, den feierlichen ersten Teeshot zu spielen, und es scherte niemanden, dass dieser letzte Schlag einen Zuschauer, der über das erste Fairway spazierte, im Gesicht traf. "Wenigstens habe ich ihn in die Luft bekommen", resümierte Snead nach der Turniereröffnung.

Sam Sneads Rekord von 82 Siegen auf der PGA Tour besteht bis heute. Er liegt damit elf Siege vor Jack Nicklaus und drei vor Tiger Woods. Und auch sein Schwung gilt vielen bis heute als unerreicht. Bei seiner Beerdigung in Hot Springs, West Virginia, konnte Tim Finchem seine Tränen nicht verbergen. "Niemand wird Sam Snead jemals überflügeln. Er war schlicht einzigartig."

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