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Tiger Woods – Teil 2

The Greatest Game ever Played

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images (1), IMAGO (2) Illustration: ZWEI:D / Tino Dertz

Woods' erste Runde in St. Andrews begann, wie seine letzte in Pebble Beach endete: ohne ein einziges Bogey. Tatsächlich gelang Tiger eine Serie von 63 Major-Löchern in Folge ohne Schlagverlust. Das Erfolgsgeheimnis auf dem Old Course von St. Andrews liegt darin, den tückischen Bunkern aus dem Weg zu gehen, die automatisch mit einem Schlagverlust einhergehen. Woods' Taktik war die Adaption eines Kinderspiels, bei dem man nicht den Boden berühren darf. Seine "Die Bunker sind Lava"-Strategie war erfolgreich. In vier Tagen kam er nicht ein einziges Mal mit den 112 Sandhindernissen in Berührung. "So sollte Golf gespielt werden. Man muss sich Gedanken darüber machen, wo man den Ball hinspielt. Wenn man sich die richtige Flugbahn vorstellt und diese genau trifft, ist man auf der sicheren Seite. Wenn das nicht gelingt, ist das Risiko groß, in einer schlechten Lage zu landen."

Die ideale Flugbahn können sich viele Profis vorstellen; beim Versuch, diese dann Schlag um Schlag umsetzten, trennt sich die Spreu vom Weizen - oder in diesem Fall die Spreu von Woods. Natürlich gehört auch ein wenig Zufall dazu. "Ich hätte leicht in drei bis fünf Bunkern landen können", resümierte der Weltranglisten-Erste bei seiner Rückkehr nach St. Andrews im Jahr 2005. "Einige Abschläge sind über Bunker gesprungen oder liefen genau darum herum. Ich habe ein paar Mal Glück gehabt." Nicht dass er es gebraucht hätte.

Seine vier Tage im Juli wurden zu einer ähnlichen Machtdemonstration wie fünf Wochen zuvor in Pebble Beach. In der zweiten Runde übernahm Woods die Führung, nach drei Runden lag er bereits mit sechs Schlägen in Front und am Sonntag hatte er mit 19 unter Par einen Major-Rekord aufgestellt, Thomas Bjørn und Ernie Els acht Schläge hinter sich gelassen und als jüngster Spieler der Golfgeschichte den Karriere-Grand-Slam eingefahren. Der geschlagene Els äußerte sich nach der Runde mit einem Mix aus Resignation und Bewunderung. "Würde man Tiger Woods mit Old Tom Morris auf die Runde schicken, würde er Morris wahrscheinlich 80 Schläge hinter sich lassen. Der Kerl ist unglaublich, mir fehlen die Worte."

Tiger Woods:

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ALS WOODS SEIN BIRDIE AUF DER 18 VERSENKTE, WAR DIE GOLFWELT UM EINEN NEUEN BEGRIFF REICHER: 'TIGER SLAM!'
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Bis zum letzten Major des Jahres blieben wieder nur vier Wochen und erneut ging Woods nur einmal an den Start: beim Turnier seines Hauptsponsors Buick, das er lustlos auf Platz elf beendete. Aller Fokus lag darauf, die Major-Serie im Valhalla Golf Club fortzusetzen - und gleichzeitig erneut Geschichte zu schreiben. Seit die PGA Championship 1958 die Match-Play-Ära beendet hatte, konnte noch kein Golfer seinen Titel erfolgreich verteidigen, und seit Ben Hogan 1953 hatte kein Spieler drei Majors in einem Kalenderjahr gewinnen können.

Als ob der Hype noch nicht groß genug gewesen wäre, griffen die Turnierverantwortlichen der PGA noch mal tief in die Trickkiste. Woods wurde für die ersten beiden Runden in eine Gruppe mit seinem Rivalen Vijay Singh und Jack Nicklaus gesteckt. Der "Golden Bear" hatte angekündigt, mit der PGA seine Major-Karriere zu beenden (auch wenn er später noch viermal das Masters und einmal die Open spielte) und die Flight-Zusammenstellung war als metaphorische Staffelübergabe gedacht. Es war das erste Mal, dass die beiden Legenden zusammen in einem Turnier spielten. Und obwohl Nicklaus seinem Nachfolger schon zweimal die Memorial-Trophäe überreicht hatte, zeigte sich der Altmeister beeindruckt. "Ich wusste, dass er gut war. Aber er ist noch so viel besser, als ich dachte", kommentierte er, als er den Cut um einen Schlag verpasst hatte.

The Greatest Game ever Played: Muttertags-Fauxpas: Blumen für die Vase vergessen (l.)The Greatest Game ever Played: Muttertags-Fauxpas: Blumen für die Vase vergessen (l.)
Muttertags-Fauxpas: Blumen für die Vase vergessen (l.)
Obwohl Woods mit 18 unter Par einen Turnierrekord aufstellte, konnte er das Feld dieses Mal nicht überrunden. Bob May zwang Woods mit einer nervenstarken Leistung ins Play-off, musste sich nach drei Extralöchern aber geschlagen geben. Europas Vorzeigespieler Colin Montgomerie fasste das Dilemma passend zusammen. "Mit großem Abstand ist er der beste Spieler der Welt und wir müssen unser Niveau anheben, um mit ihm mithalten zu können. Wir scheitern zwar, aber wir alle versuchen es." Doch nur wenige Wochen später kam Hilfe.

Im September 2001 hatte Titleist den Pro V1 marktreif. Als Woods im April des Folgejahres nach Augusta kam, um als erster Golfer in der Geschichte alle vier Major-Titel gleichzeitig zu halten, traten nur noch vier Spieler mit einem Balata-Ball an, alle anderen hatten zur neuen Technologie gewechselt. Der Materialvorsprung, den Woods zum ersten und einzigen Mal auf die Konkurrenz hatte, war vorbei und, so schien es, auch seine Dominanz. Nach der ersten Runde lag Woods nur auf dem 15. Platz; bei einem Major hatte er zuletzt nach der zweiten Runde des Vorjahres-Masters schlechter gelegen. Doch alle Hoffnungen auf ein Schwächeln des großen Dominators verpufften 24 Stunden später. Woods legte mit einer 66 die beste Runde des Tages hin und schob sich auf den dritten Platz nach vorne. Als es auf die letzten 18 Löcher ging, lag Woods bereits in Führung, und obwohl Phil Mickelson nur einen Schlag dahinter lauerte, schien die Sache gelaufen. Immerhin hatte Tiger am Schlusstag noch nie eine Major-Führung aus der Hand gegeben. Aber der Sonntag wurde zu einem nervenzerreißenden Dreikampf. Die zwei besten Spieler ohne Major, wie die US-Presse Phil Mickelson und David Duval tituliert hatte, ließen jedoch zu viele Birdie-Putts liegen, und als Woods sein Birdie auf der 18 versenkte, war die Golfwelt um einen neuen Begriff reicher: "Tiger Slam!"

Tiger Woods:
Nachdem Woods ausgerechnet von Vijay Singh das Grüne Jackett übergestreift bekommen hatte, reflektierte er in der Pressekonferenz über seine historische Leistung. "Vier Majors in Folge zu gewinnen ist schwer zu begreifen. Man muss zum richtigen Zeitpunkt seine Bestleistung abrufen. Darüber hinaus braucht man auch etwas Glück. Dass so etwas viermal in Folge passiert... einige der Golfgötter müssen auf mich heruntergesehen haben." In den Jahren danach trug sich Woods noch neun weitere Male in die Major-Siegerlisten ein. Doch die Dominanz von 2000/2001 blieb unerreicht. Hätte sich die restliche Weltelite zusammengetan und nur der Beste sein Turnierergebnis eingereicht, Woods' Vorsprung hätte trotzdem unfassbare 26 Schläge betragen. Nie zuvor oder danach wurde besseres Golf gespielt.

Der Tiger-Slam: Totale Dominanz


US OPENOPENPGAMASTERSOVERALL
TIGER
WOODS
-12-19-18-16-65
ERNIE
ELS
+3-11-3-9-20
PHIL
MICKELSON
+9-7-8-13-9
JOSÉ MARÍA
OLAZÁBAL
+8-4-12-7-15
PAUL
AZINGER
+8-8-6-7-13
BOB
MAY
+11-7-18+5-9
MIGUEL ÁNGEL
JIMÉNEZ
+3-5+3-8-7
DARREN
CLARKE
+17-8-9-4-4
DAVID
TOM
+9-10-1Even-2
PADRAIG
HARRINGTON
+5-6+2-1Even


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