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Die angenehmsten Orte der Welt

Sunningdale Golfclub

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Zwei 18-Loch-Plätze wie aus dem Bilderbuch und mindestens so viele geschichtsträchtige Matches wie Wimbledon - nur zwei von Dutzenden Gründen, warum der urenglischste aller Clubs die wahrscheinlich beste Golfanlage des Planeten ist.

Wenn Bobby Jones sich nach dem Besuch eines Golfclubs zu einer Aussage wie "Ich wünschte, ich könnte diesen Golfplatz mit nach Hause nehmen" hinreißen lässt, dann muss dem größten Amateur aller Zeiten Fantastisches widerfahren sein. Tatsächlich war dem späteren Mitbegründer des Augusta National Golf Club während der auf dem Old Course in Sunningdale ausgetragenen Qualifikation zur Open Championship 1926 Unerhörtes gelungen: die perfekte Golfrunde. Seine 66, die lediglich aus Dreien und Vieren auf der Scorekarte bestand, war zur damaligen Zeit ein absolutes Novum. Genießen konnte Jones diese einmalige Leistung allerdings nicht, plagte ihn doch die Angst, den Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit zu früh vor dem eigentlichen Turnier erreicht zu haben. Eine unbegründete Angst, denn der Amerikaner gewann auch die Open in St. Annes wenig später souverän.

In einen goldenen Rahmen gefasst empfängt noch heute ein auf feinstem Papier verewigtes, minutiöses Protokoll der Fabelrunde die Besucher im altehrwürdigen Clubhaus von Sunningdale. Zwar wurden hier bereits zahlreiche bessere Scores erzielt - Nick Faldos 62 während der European Open 1986 oder Karen Stupples' unglaublicher Auftakt, als sie bei der Women's British Open auf den ersten beiden Löchern mit einem Eagle und einem Albatross loslegte wie die Feuerwehr, sind nur zwei Beispiele -, aber Jones' 66 von 1926 hat mit ihren jeweils 33 Schlägen auf den Front und Back Nine, in deren Verlauf der Amerikaner genau 33 Putts und 33 lange Schläge spielte, etwas Magisches an sich, das nie wieder erreicht wurde.

Die angenehmsten Orte der Welt:

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Die Fliegerbombe schlug rechts des Grüns ein und hinterließ einen Krater, der prompt zum Bunker umfunktioniert wurde und seither als Reparationszahlung der Deutschen für den vom Zaun gebrochenen Weltkrieg angesehen wird.
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Egal ob im Pro-Shop, in den Umkleiden oder natürlich dem Clubhaus - die mittlerweile 120 Jahre zurückreichende Historie des Clubs ist überall auf der Anlage gegenwärtig. Hier wurden ein Walker Cup ausgetragen, zahlreiche British Masters Champions gekürt, die Women's British Open gespielt und Bernhard Langer verpasste 2015 um einen Schlag die Titelverteidigung bei der Senior Open Championship. Hier wurde nicht nur Golfgeschichte geschrieben, die Clubverantwortlichen hatten auch stets ein Faible für das Obskure und den Showeffekt, wie drei Auflagen des TV-Spektakels "Shell's Wonderful Word of Golf", die hier zwischen 1965 und 2000 ausgetragen wurden, und die Tatsache, dass auch 007 im ersten James-Bond-Roman nach Ian Flemings Tod ein Match gegen seinen treuen Weggefährten und MI6-Kollegen Bill Tanner auf dem New Course spielt, beweisen.

Sunningdale ist heute jedoch alles andere als ein Museum. Natürlich werden Traditionen im urenglischsten aller Golfclubs weiterhin mit Hingabe gepflegt. Mögen für einen Drink und Snacks an der Clubhausbar Golfklamotten für Gäste wie Mitglieder absolut akzeptabel sein, so braucht man 2020 erst gar nicht zu versuchen, ohne Jackett Zugang zum Restaurant zu erbitten. Hinter der Fassade des feudalen Clublebens mit ausgeprägtem Old-World-Charme ist Sunningdale im Kern hauptsächlich eine fantastische Golfanlage - viele behaupten sogar, die beste 36-Loch-Anlage der Welt.

Als erster Platz machte der Old Course sich die für Golfanlagen geradezu idealen Bedingungen der vor Urzeiten angeschwemmten Sandablagerungen zunutze, die später die Heidelandschaften von Surrey möglich machten. Auf diesem Sand-Belt südwestlich von London entstanden zu Beginn des 20.

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Jahrhunderts eine ganze Menge erstklassiger Golfplätze wie St. George's Hill, Swinley Forest, The Berkshire oder natürlich Wentworth. Der Großvater all dieser Weltklassewiesen ist der vom zweifachen Open-Champion Willie Park jr. erbaute und 1900 eröffnete Old Course in Sunningdale. Mithilfe einiger Arbeiter, Pferde und Spitzhacken schuf der Schotte einen Golfplatz für den heute lächerlich erscheinenden Betrag von nicht mal 400 Britische Pfund, bedenkt man, dass 2020 ein repräsentativer Landsitz direkt hinter dem 16. Grün des New Course, auf dessen Fläche maximal ein Par 3 Platz finden würde, für 7,8 Millionen Pfund zum Verkauf steht.

Der legendäre Harry Colt nahm sich zu Beginn der 20er-Jahre unter anderem der oft kritisierten Par-3-Löcher des Old Course an und vollendete so ein Meisterwerk. Seither können die ursprünglichen 18 Löcher von Sunningdale mit ihren sechs von Harry Colt und zwölf von Willie Park jr. designten Grüns nahezu unverändert gespielt werden. Mit einer Ausnahme, denn den letzten nennenswerten Beitrag zum Platzdesign in Sunningdale trug Görings Luftwaffe bei. James Sheridan, der 1911 die Stelle des Caddiemasters übernahm und 56 Jahre lang ausfüllen sollte, konnte sein Leben während eines Luftangriffs 1941 nur mit einem beherzten Sprung in den Bunker (oh, die Ironie!) links des 18. Grüns retten. Die Fliegerbombe schlug rechts des Grüns ein und hinterließ einen Krater, der prompt zum Bunker umfunktioniert wurde und seither als Reparationszahlung der Deutschen für den vom Zaun gebrochenen Weltkrieg angesehen wird. Man stelle sich vor, Bernhard Langers Titelverteidigung 2015 wäre in genau diesem Bunker versandet. Es wäre die wohl unglaublichste Geschichte seit Anbeginn des Profisports gewesen, von der "The Sun"-Schlagzeile ganz zu schweigen.

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Es gibt nur wenige Golfanlagen weltweit, die zwei 18-Loch-Plätze zu bieten haben und über die kein Konsens erreicht werden kann, welcher der Plätze der bessere ist. Winged Foot in den Vereinigten Staaten und Royal Melbourne in Australien gehören zu dieser illustren Gesellschaft. Der Sunningdale Golf Club könnte deren Gründungsmitglied sein, denn seit der von Harry Colt entworfene New Course 1923 eröffnete, streiten Mitglieder und Golfplatzkritiker leidenschaftlich, welcher der beiden Plätze wohl nun zu bevorzugen sei. Ohne Zweifel hat der Old Course in Sachen Optik die Nase vorn, doch was die Anforderungen an das Spiel eines jeden Golfers angeht, der hier aufteet, hat der New Course einen spürbaren Vorteil. Schmalere, in interessanten Winkeln im Verhältnis zu den Abschlägen angelegte Fairways machen viele Drives zu echten Nervenproben und fordern selbst die Besten ihres Fachs. Kein Wunder, dass Jack Nicklaus mit einem eigentlich wenig spektakulären Score von 67 lange Zeit den Platzrekord auf dem New Course hielt, ehe Graeme Storm beim finalen Qualifikationsturnier zur Open Championship 2009 ein außerkörperliches Erlebnis auf dem New Course hatte und mit einer sagenhaften 62 sein Ticket nach Turnberry löste.

Apropos Turnberry 2009: Tom Watson meinte einst über den Sunningdale Golf Club: "Viele amerikanische Golfer hatten bisher noch nie die Gelegenheit, Golfplätze wie Sunningdale zu spielen, doch ich sage ihnen, dass Golf genau so sein sollte. Diese Plätze sind einzigartig, sie bringen das innere Kind zum Vorschein", und er traf den Nagel damit auf den Kopf. Die 36 Löcher in Sunningdale sind auf eine derart unprätentiöse Art und Weise großartig, dass jeder Golfer, der das Glück hat, hier einmal spielen zu dürfen, mit derselben Frage auf den Lippen die Anlage verlässt: "Warum können eigentlich nicht alle Golfplätze so sein?" Ein größeres Kompliment kann es kaum geben.

Golfplätze in der Region

Sunningdale - Old Course

Sunningdale - Old Course

18 Löcher, Par 70, 6.068 Meter

Adresse:
Ridgemount Road
Sunningdale SL5 9RR,
Vereinigtes Königreich
Tel. +44 (0)1344.621681
www.sunningdale-golfclub.co.uk

Greenfee:
ca. 300 Euro
(Mo.-Fr./Sommersaison),
ca. 470 Euro
(beide Plätze an einem Tag)

Gesäumt von majestätischen Pinien, Birken und Eichen zählt dieses Meisterwerk aus der Feder von Willie Park junior zu den schönsten Golfplätzen des Planeten abseits der Küste. Der legendäre Harry Colt legte als Sekretär und Captain des Clubs in den frühen Jahren ebenfalls Hand an den Platz an und schuf so dessen heutigen intimen Charakter. Der Old Course erfordert keine unmenschlichen Längen, dafür jedoch die Präzision, dem ballfressenden Ginster zu entgehen, und ein auf harten Sandböden geschultes kurzes Spiel.

Killerloch:
Der Blick vom fünften Abschlag (Par 4) gleicht einem Gemälde. Eingerahmt von goldgelbem Rough und tiefgrünem Wald schlängelt sich ein im Schachbrettmuster gemähtes Fairway an zwei tiefen Bunkern und einem tückischen Teich vorbei bis zum schwer verteidigten Grün.

Sunningdale - New Course

Sunningdale - New Course

18 Löcher, Par 70, 6.161 Meter

Greenfee:
ca. 300 Euro
(Mo.-Fr./Sommersaison),
ca. 470 Euro
(beide Plätze an einem Tag)

Als nach dem Ersten Weltkrieg die Nachfrage nach Golf in England exponentiell anstieg, fackelten die Verantwortlichen nicht lange und beauftragten ihren Captain Harry Colt, einen zweiten 18-Loch-Platz zu bauen. Heute oft als "Sunningdales zweites Meisterwerk" bezeichnet spielt der 1923 eröffnete New Course keinesfalls die zweite Geige und stellt technisch dank langer Carry-Schläge von erhöhten Teeboxen und schmalerer Fairways die größeren Ansprüche an den Golfschwung jedes hier antretenden Spielers.

Killerloch:
Wie eine Boa constrictor schlängelt sich das Fairway der sechsten Spielbahn durch offenes Heideland und bietet somit einen Ausblick, den selbst der ältere Bruder nebenan nicht auffahren kann. Das Grün des Par 5 zählt zu den kniffligsten in ganz England.

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