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Wisconsin – Teil 2

Im Land der Käseköpfe

Von Jan Langenbein, Fotos: Rüdiger Meyer

Für die zweite Runde des Tages füttern wir das Navi unsere Mietwagens mit den wohlklingenden Wörtern "The Club at Lac La Belle" und sehen dort angekommen bereits vom Parkplatz aus, dass wir es jetzt mit dem kompletten Gegenteil zu Lawsonia Links zu tun bekommen werden, schließlich sind die übersichtlichen Fairways von beängstigendem Rough oder sogar Marschland umgeben und das Bunker-Design mit seinen gleichzeitig ausgefransten, ganz offensichtlich aber penibel manikürten Kanten deutet ganz klar auf zeitgenössisches Design hin. Abgesehen vom noch taufrischen Redesign reicht die Geschichte dieser Anlage bis in das 19. Jahrhundert zurück, und glaubt man der gusseisernen Tafel am Clubhaus, fand hier 1899 sogar bereits ein Major statt, denn die Oconomowoc Open lockten damals mit dem üppigsten Preisgeldtopf ihrer Zeit: 200 Amerikanische Dollar. Heute bekommt man für diesen Betrag ein Greenfee plus ein vorzügliches Abendessen im "Rivalry Pub" des Clubs und verlässt die Anlage sicher besser gelaunt als die zehn Schotten, die nach ihrem Major 1899 in eine Art Generalstreik traten, da ihnen die Preisgelder anderer Turniere nicht mehr hoch genug erschienen. Die Saudis hatten ihre Finger damals allerdings noch nicht im Spiel. Auf uns wartet nach diesem Tag voller Golfhistorie nun eine Autofahrt in das Herz von Wisconsin, wo ein mit Gruß- und Glückwunschkarten zum Millionär gewordener Golf-Fanatiker seit 2016 auf Sand baut.

Wisconsin: Nicht zum ersten Mal: auf dem Holzweg (l.). Saisonkennzeichen: warten auf den ersten Schnee (r.)Wisconsin: Nicht zum ersten Mal: auf dem Holzweg (l.). Saisonkennzeichen: warten auf den ersten Schnee (r.)
Nicht zum ersten Mal: auf dem Holzweg (l.). Saisonkennzeichen: warten auf den ersten Schnee (r.)

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DIE PLÄTZE VON SAND VALLEY WURDEN FÜR PILGER AUS ALLER WELT AUF DER SUCHE NACH GOLF IN SEINER PURSTEN FORM UND NIEMAND ANDEREN GEBAUT.
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AMERIKAS BESTER SANDKASTEN


2:45 Stunden braucht es, um aus Wisconsins Hauptstadt Milwaukee am Lake Michigan bis nach Sand Valley im Herzen des Bundesstaats - oder weniger pathetisch ausgedrückt: im absoluten Niemandsland - zu gelangen. Zwischen Lake Arrowhead und Petenwell Lake kaufte Mike Keiser beflügelt von seinem Erfolg mit Bandon Dunes um 2010 riesige, von der hier einst florierenden Papierindustrie aufgeforstete Waldgrundstücke.

An den Bäumen hatte Keiser kein Interesse, am darunter liegenden Sandboden, ideal für Golfplätze, dafür umso mehr. Wie schon in Bandon an der Pazifikküste gab sich Keiser in Sachen Personal nur mit den Besten zufrieden und so eröffnete 2017 als erster von bisher vier Plätzen zunächst der von Bill Coore und Ben Crenshaw designte Sand-Valley-Platz. Ein Jahr später folgten von David McLay Kidd entworfene 18 Löcher namens Mammoth Dunes. Während Sand Valley mit Grüns wie umgedrehte Suppenschüsseln an die Heathland-Plätze im Südwesten Londons erinnert, baute der Schotte McLay Kidd mit Mammoth Dunes eine Hommage an die Links-Plätze seiner Heimat in Wisconsins Sandhügel Tausende Kilometer von jedem Ozean entfernt. Zu diesen beiden Traumwiesen gehört mittlerweile auch eine ebenfalls von Coore & Crenshaw gebaute, aus 17 Par-3-Löchern bestehende Spielwiese namens The Sandbox, auf der je nach der Höhe des Trinkgelds, das dem Starter vor Beginn der Runde zugesteckt wird, auch Flight-Größen von bis zu acht Golfern toleriert werden.

Wisconsin: Subtil: Aufruf zur Landarbeit (l.). Drachentöter: Charlie Brown rächte sich fürchterlich (r.)Wisconsin: Subtil: Aufruf zur Landarbeit (l.). Drachentöter: Charlie Brown rächte sich fürchterlich (r.)
Subtil: Aufruf zur Landarbeit (l.). Drachentöter: Charlie Brown rächte sich fürchterlich (r.)
Nummer vier ist seit diesem Jahr eine von Tom Doak umgesetzte Eins-zu-eins-Reproduktion des legendären Lido, der 1914 auf Long Island eröffnet einst zu den besten Golfplätzen der Welt zählte, ehe er den Wirren des Zweiten Weltkriegs zum Opfer fiel. An einem weiteren 18-Loch-Platz namens Sedge Valley wird gerade gebaut, aber Sand Valley zählt schon in seiner momentanen Form zu den besten Golf-Resorts der Vereinigten Staaten und das nicht nur, weil hier die Crème de la Crème der Platzarchitekten ihre Spuren im Sand hinterlassen hat, sondern hauptsächlich, weil bei keinem ihrer Werke auch nur ein Gedanke an Profi-Golf und mögliche Turnierausrichtungen verschwendet wurde. Sand Valley wurde für Golfreisende aus aller Welt auf der Suche nach Golf in seiner pursten Form und niemand anderen gebaut.

Nach einer Woche Golfplatz-Hopping kreuz und quer durch einen amerikanischen Bundesstaat, den hierzulande wahrscheinlich nur wenige Golfer als potenzielles Reiseziel auf dem Radar haben, beenden wir die Reise mit einer Runde auf dem Gary Player Course des Geneva National Resort. Nach einer Woche voller Major-Austragungsorte und Architekturperlen sollte man meinen, dass ein Resort-Platz des "Black Knight" einen schwierigen Stand hätte - mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass es mindestens neun Löcher dauert, bis man den von der Lage der Plätze am Ufer des Lake Geneva ausgelösten "Smoke on the Water"-Ohrwurm endlich wieder los wird und sich auf den Golfschwung konzentrieren kann. Doch auch diese Anlage kann mit ihrem ganz eigenen und zutiefst amerikanischem Charme überzeugen.

Wisconsin:
Drei Championship-Plätze designt von den Herren Palmer, Player und Trevino, ein Putting-Course, der das Himalayas-Grün von St. Andrew mickrig und flach aussehen lässt, und eine Outdoor-Grillbar, die jeden Abend magnetische Anziehungskraft auf sämtliche Gäste der nach europäischen Maßstäben riesigen, im amerikanischen Kontext betrachtet höchstens durchschnittlich großen Anlage ausübt, reichen in Wisconsin tatsächlich noch nicht, um sich größtes Golf-Resort des US-Bundesstaats nennen zu dürfen. Unser letzter Burger dieses Trips wird gerade auf dem Grill gewendet, da fällt uns John aus Erin Hills wieder ein. Er hat tatsächlich recht gehabt: Wisconsin ist die beste Sommerdestination in Sachen Golf in den Vereinigten Staaten. Wer hätte das gedacht?

 

Golfplätze in der Region

THE GOLF COURSES OF LAWSONIA

THE GOLF COURSES OF LAWSONIA

THE LINKS
18 Löcher, Par 72, 6.266 Meter

Adresse
W2615 S Valley View Dr.
Green Lake, WI 54941
Tel. +1 920.294.3320
www.lawsonia.com

Greenfee
ab 70 Euro (Nebensaison), ca. 110 Euro (Hauptsaison)

Im Herzen Wisconsins wartet mit diesem historischen Golfplatz eine der größten Überraschungen auf Golfreisende, erbaut in den 1930er-Jahren von William Langford und Theodore Moreau. Vor knapp 100 Jahren wurde nicht gekleckert, denn 250.000 Dollar wurden hier verbuddelt - eine Summe, die heute über 30 Millionen Dollar gleichkommt. Das Architekten-Duo ließ sich offensichtlich von den klassischen Open-Championship-Layouts inspirieren, und seit diese 18 Löcher Anfang des neuen Jahrtausends renoviert wurden, hat man tatsächlich wieder das Gefühl, in Muirfield oder Royal Cinque Ports zu spielen. Lediglich das Meeresrauschen wird durch das Muhen von Milchkühen ersetzt.

Killerloch
Das von den Backtees nur 145 Meter lange Loch 7 zählt zwar zu den "einfachsten" Spielbahnen auf dem Links, der Blick vom Tee fällt jedoch äußerst furchteinflößend aus. Schließlich liegt das Grün auf der Spitze eines riesigen Kegels, der zu allen Seiten beinahe senkrecht abfällt. Besonders tödlich fällt die rechte Seite aus: Dieser Hang ist mehr Skipiste als Golfplatz.
www.lawsonia.com

ERIN HILLS

ERIN HILLS

18 Löcher, Par 72, 7.051 Meter

Adresse
7169 County Road O
Erin, WI 53027
Tel. +1 262.670.8600
www.erinhills.com

Greenfee
295 Euro bis 360 Euro (saisonabhängig), Caddies sind Pflicht

Es gibt nicht viele Golfplätze, auf denen jeder normale Golfer eine Startzeit buchen und sich sicher sein kann, Major-Championship-Bedingungen vorzufinden. Erin Hills zählt zu diesem erlauchten Kreis. Auf einem über 260 Hektar großen Stück Land, dessen dramatisches Auf und Ab von Jahrtausenden von Gletschern geformt wurde, bauten Michael Hurdzan, Dana Fry und Ron Whitten einen Golfplatz, der selbst die besten Golfer der Welt an ihre Grenzen bringt. Brooks Koepka gewann hier 2017 mit unglaublichen 16 unter Par die US Open. Normalsterbliche liegen nicht selten bereits nach wenigen Löchern 16 über Par, doch das tut dem Spaß keinen Abbruch. Ganz ohne Golfcarts und mit exzellenten Caddies in jedem Flight ist Erin Hills ein Golferlebnis, das weltweit seinesgleichen sucht.

Killerloch
Das Design-Highlight in Erin Hills ist Loch 15. Das in eine hohe Böschung gequetschte Grün des für sehr gute Golfer drivebaren Par 4 schickt jeden unpräzisen Schlag drei Stockwerke tiefer zurück aufs Fairway - oder schlimmer noch: in einen der vier abgrundtiefen Grün-Bunker.
www.erinhills.com

GENEVA NATIONAL RESORT & CLUB

GENEVA NATIONAL RESORT & CLUB

PLAYER COURSE
18 Löcher, Par 72, 6.272 Meter

Adresse
1221 Geneva National Ave S
Lake Geneva, WI 53147
Tel. +1 262.245.7000
www.destinationgn.com

Greenfee
ca. 60 Euro (Nebensaison), ca. 110 Euro (Hauptsaison)

An der Grenze zu Illinois liegt keine 90 Autominuten vom O'Hare-Flughafen in Chicago entfernt dieses riesige, drei Championship-Plätze umfassende Resort inmitten einer beliebten Urlaubs- und Ausflugsregion. Im Jahr 2000 kehrte Gary Player nach Wisconsin zurück und komplettierte diesen malerischen, ursprünglich 1995 als Neunlochplatz eröffneten Resort-Course, der tolle Ausblicke auf den See, majestätischen Baumbestand sowie jede Menge Höhenunterschiede bietet. Sollte das Match nach 18 Löchern noch nicht entschieden sein, bietet das Putting-Grün in der Größe eine Football-Felds jede Menge Möglichkeiten, den Sieger des Tages zu küren.

Killerloch
Nach einem gemächlichen Start zeigt der "Black Knight" bereits auf Loch 2 seine Zähne: Auf dem 520 Meter langen Par 5 sammelt nicht nur das Ufer des Lake Geneva gnadenlos jeden Hook, das spürbar erhöht liegende Grün sorgt unter unerfahrenen Golfern reihenweise für zu kurz gewählte Schläger.
www.destinationgn.com

GENEVA NATIONAL RESORT & CLUB

SAND VALLEY

MAMMOTH DUNES
18 Löcher, Par 72, 6.390 Meter

Adresse
597 Leopold Way
Nekoosa, WI 54457
Tel. +1 888.651.5539
www.sandvalley.com

Greenfee
ca. 195 Euro (Nebensaison), ca. 255 Euro (Hauptsaison)

Als 2018 mit Mammoth Dunes von David McLay Kidd der zweite 18-Loch-Platz des Sand-Valley-Resorts eröffnete, wurde Wisconsin endgültig zur Pilgerstätte für Golfer aus aller Welt. Der Sohn eines schottischen Greenkeepers legte riesige Fairways wie enorme Teppiche über die entlegenen Sandhügel und baute gigantische Grüns, wie man sie in den USA kein zweites Mal findet. Eine Runde auf Mammoth Dunes ist eine Reise zu den Ursprüngen des Golfsports und für jeden Golfer, egal welches Handicap, eine spirituelle Erfahrung.

Killerloch
Auf Loch 14, einem von den Backtees nicht einmal 300 Meter langen Par 4, kommen alle Elemente, die diesen Golfplatz großartig machen, zum Tragen: Vom konservativen Vorlegen bis zur Attacke des Grüns mit dem Drive bietet diese Bahn Dutzende Spielstrategien und wird garantiert nie langweilig.
www.sandvalley.com

THE CLUB AT LAC LA BELLE

THE CLUB AT LAC LA BELLE

18 Löcher, Par 71, 6.315 Meter

Adresse
6996 Pennsylvania St.
Oconomowoc, WI 53066
Tel. +1 262.567.7833
www.clubatlaclabelle.com

Greenfee
ca. 105 Euro (Nebensaison), ca. 130 Euro (Juni bis Oktober)

Seit 1896 wird hier bereits Golf gespielt und ein Besuch in Lac La Belle ist ebenso Geschichtsunterricht wie Golfspaß, denn an vielen Ecken des Platzes erzählen gusseiserne Tafeln von der glorreichen Vergangenheit dieser Anlage. Nach exzessiven Umbaumaßnahmen in den letzten Jahren ist die Gegenwart nicht weniger spektakulär, denn mit kniffligen Grüns und ebenso fotogenen wie scorekillenden Bunker-Kanten aus kniehohem Rough zählen diese 18 Löcher zu den 20 besten öffentlichen Plätzen in Wisconsin. Es ist vor allem die übersichtliche Länge, die Lac La Belle für Amateur-Golfer so interessant macht - was allerdings nicht heißt, dass gute Ergebnisse hier geschenkt würden.

Killerloch
Loch 16 wurde im April 2022 in "Holy Fire" unbenannt, denn in der Nacht zu Karfreitag fing der Baum, der mitten im Fairway die ohnehin schon enge Drive-Landezone noch kleiner machte, zu brennen an. Nach diesem biblischen Ereignis - Blitzschlag wurde in dieser Nacht nicht beobachtet - markiert nun ein ausgebrannter Stamm den Weg über die Bunker.
www.clubatlaclabelle.com

THE BULL AT PINEHURST FARMS

THE BULL AT PINEHURST FARMS

18 Löcher, Par 72, 6.716 Meter

Adresse
One Long Dr.
Sheboygan Falls, WI 53085
Tel. +1 920.467.1500
www.golfthebull.com

Greenfee
ab 60 Euro (Nebensaison), ab 80 Euro (Hauptsaison)

Weitgereiste Golfer werden auf diesem Jack-Nicklaus-Design sicherlich die ein oder andere Spielbahn wiedererkennen, schließlich hat der "Goldene Bär" ähnliche Templates bereits überall auf der Welt gebaut. Diese vorzügliche öffentliche Anlage ist jedoch weit mehr als nur ein weiterer Nicklaus-Championship-Course, denn das spektakuläre Land, das enorme Höhenunterschiede und teils dichter Wald prägen, sowie der wilde Kurven schlagende Onion River machen mindestens die Hälfte aller Spielbahnen des Bullen absolut einzigartig.

Killerloch
Loch 5 ist mit seinen über 400 Metern ein Par 4, das selbst Scratch-Golfern Angstschweiß auf die Stirn treibt. Dichter Wald abseits des Fairways macht einen langen, präzisen Drive notwendig und auf dem Weg zum Grün gilt es, an einer 15 Meter tiefen Schlucht entlangzuspielen, die schon Zehntausende Bälle verschluckt hat.
www.golfthebull.com

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