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Fitting-Guide 2018

Welcher Schaft passt?

Von Jan Rohbeck, Fotos: Mizuno, Clubfixx, Fujikura

Beim Blick auf das riesige Angebot an Custom-Schäften beim Driverkauf kann einem schwindelig werden. Doch den richtigen Schaft mithilfe eines Fittings zu finden ist alles andere als Atomphysik. So läuft ein Schaft-Fitting ab.

Es ist eine alte Binsenweisheit, doch sie stimmt immer noch: Der Schaft überträgt beim Golfschwung die Kraft und ihm kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung zu. Er ist die Verbindung zwischen Golfer und Schlägerkopf und ist dafür verantwortlich, die aufgebaute Energie an den Ball abzugeben. Die entscheidende Arbeit des Schafts findet daher vor dem Treffmoment statt, seine Aufgabe ist es, den Schlägerkopf in die korrekte Position zu bringen, damit der Ball in die gewünschte Richtung startet. Während des Impact ist diese Arbeit beendet und der Schaft praktisch bedeutungslos. In diesem kurzen Zeitfenster hat der Schlägerkopf seinen großen Auftritt. Die Dauer des Schwungs, in der dem Schaft eine entscheidende Rolle zukommt - vom Take-away bis kurz vor dem Impact -, ist damit also viel länger als der zeitlich relevante Beitrag des Schlägerkopfs zum Golfschlag.

Den passenden Schaft für einen neuen Driver zu finden ist deshalb essenziell, möchte man mit diesem Schläger nicht nur Spaß haben, sondern auch Fairways treffen und wenn möglich auch noch die Gegner ausdriven, womit wir schon bei zwei der wichtigsten Fragen wären, die es vor einem Schaft-Fitting zu klären gilt. Was möchte ein Spieler erreichen? Mehr Länge? Mehr Konstanz? Gibt es körperlich Schwierigkeiten, die es erschweren, 14 Drives auf den Fairways landen zu lassen? Soll das Handicap gehalten oder verbessert werden?

Fitting-Guide 2018:

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DEN PASSENDEN SCHAFT FÜR EINEN NEUEN DRIVER ZU FINDEN IST DESHALB ESSENZIELL, MÖCHTE MAN MIT DIESEM SCHLÄGER NICHT NUR SPASS HABEN, SONDERN AUCH FAIRWAYS TREFFEN.
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Sind diese Fragen geklärt, schaut ein ausgebildeter Fitter auf das bisherige Equipment des Spielers und im Hinblick auf den Schaft vor allem auf dessen Länge, Schwunggewicht, Schaftgewicht und den Flexwert in CPM. Sobald diese Werte ermittelt sind, ist der Spieler gefragt, Schwungdaten mit seinem bisherigen Driver zu liefern. Dazu reicht es, sobald er aufgewärmt ist, vier, fünf Bälle vor einem Launch-Monitor zu schlagen, um Ist-Werte zu erhalten, die dann als Ausgangspunkt für Verbesserungen und Optimierungen dienen.

Um die blanke Theorie zu verlassen, haben wir für diesen Artikel einen Beispielspieler (Hcp. 3) verpflichtet, der einen Callaway-Epic-Driver mit 10,5° Loft spielt. Verbaut ist ein Fujikura-Pro-Schaft mit einem S-Flex und einem Gewicht von etwa 65 Gramm. Das Schwunggewicht liegt bei D34 bei einer Länge von 45,5 Inch. Dies entspricht in etwa den Standardspezifikationen dieses Modells, wenn es von der Stange gekauft wird. Mit einem CPM-Wert von 253 ist dieser Schaft meiner Meinung nach etwas zu weich für die Bezeichnung "stiff", jedoch hat das wahrscheinlich auch marketingtechnische Gründe, schließlich schmeichelt es dem Ego mancher Golfer ganz erheblich, wenn "stiff" auf dem Schaft prangt, wo eigentlich "regular" stehen sollte.

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Beim Blick auf die Werte wird deutlich, dass mit einer recht hohen Schlägerkopfgeschwindigkeit von 109 mph gute Voraussetzungen gegeben sind, den Ball weit zu schlagen. Der positive Attack Angle von 4,6°, bedeutet, dass der Spieler den Ball in der Aufwärtsbewegung trifft - ganz so, wie es sein soll. Der Launch Angle könnte etwas flacher sein, aber das ist Geschmackssache. Lediglich der Spin mit einem Wert von knapp 2.800 Umdrehungen pro Minute ist doch zu hoch, besonders wenn man diesen Wert in Verbindung mit dem positiven Attack Angle betrachtet. Daraus resultieren 233,6 Meter Carry-Länge.

Ein erfahrener Fitter kann an diesen Werten bereits ablesen, dass durch einen Schaftwechsel aus diesem Schwung mehr Länge herausgekitzelt werden könnte, denn angesichts der hohen Schlägerkopfgeschwindigkeit benötigt unser Testspieler in jedem Fall einen härteren Schaft. Die Wahl fiel dann auf den Accra Tour Zx 400. Der kanadische Schafthersteller Accra wird bei Club-Fittern in aller Welt seit Jahren immer beliebter, denn das Accra-Sortiment bietet Schäfte für nahezu jedes Spielerprofil in hoher und gleichbleibender Qualität zu fairen Preisen. Der Tour Zx 400 ist ein halbes Inch kürzer (45"), hat einen Flexwert von 264 CPM und liefert einen flacheren Ballflug bei leicht reduziertem Spin. Das Gewicht ist ähnlich wie beim vorhandenen Fujikura Pro, doch durch die kürzere Länge reduziert sich das Schwunggewicht in diesem Fall auf D1.

Nach fünf weiteren Testschwüngen springt sofort ins Auge, was Amateurgolfer oft verwundert, für Club-Fitter jedoch ein alter Hut ist: Trotz niedrigerer Schlägerkopfgeschwindigkeit ist es uns gelungen, mehr Carry-Länge zu erzeugen. Die Ballgeschwindigkeit ist in etwa gleich geblieben, was für konstant getroffene Bälle spricht. Mit diesem Schaft wurde ein noch höherer Attack Angle produziert, was den Abflugwinkel noch steigerte. Dies ist aber erst einmal nicht so wild. Der Spin wurde nämlich spürbar gesenkt und ist der Grund, warum der Ball vier Meter weiter flog. Zahlen sind jedoch nur eine Seite der Medaille, denn das subjektive Gefühl des Spielers spielt eine mindestens ebenso große Rolle. Sein Feedback zum neuen Schaft: "Ich konnte den Schläger aufgrund der Länge besser kontrollieren und er hat sich deutlich stabiler angefühlt." Jackpot - Volltreffer.

Dieses Beispiel zeigt, welche Auswirkungen allein eine Schaftveränderung beim Driver-Kauf ausrichten kann. Der gesamte Fitting-Prozess ist damit natürlich noch längst nicht beendet. Der Loftwert des Schlägers und die Gewichtsverteilung im Schlägerkopf wären in diesem Fall die nächsten Faktoren, die es zu optimieren gilt. Auch das Schwunggewicht und die Balance des Schlägers sind bestimmt noch nicht perfekt.

Es gibt daher mehrere Ansätze, den Ballflug eines Spielers zu beeinflussen. Einer dieser Ansätze ist eine Veränderung des Schafts. Bei meiner tagtäglichen Arbeit als Fitter kann ich immer wieder beobachten, dass tatsächlich jeder Golfschwung anders ist und sich nur schwer kategorisieren lässt. Wir haben schon festgestellt, dass ein ausgesprochener Low-Spin-Schaft bei manchen Spielern mehr Spin erzeugt als ein auf hohe Spin-Werte hin entwickelter High-Spin-Schaft. Um einen Spieler optimal beraten zu können, kommen wir um das Testen der Schläger nicht herum.

Marke? Farbe? Schwungprofil?



Ein kleiner Fremdenführer durch das schier undurchdringliche Dickicht des Schaftdschungels.

Die Auswahl an Schäften als unübersichtlich zu beschreiben wäre eine Untertreibung. Unterschiede zwischen den einzelnen Herstellern liegen vor allem in den Biegeprofilen der jeweiligen Schäfte - also wie sehr der Schaft im Tip-Bereich, im mittleren Bereich oder im Butt-Bereich flext -, im verwendeten Material und im Aufwand des Herstellungsprozesses. Besonders die letzten beiden Faktoren bestimmen den Preis eines Schafts, wobei gesagt werden muss, dass ein höherer Preis nicht bedeuten muss, dass solch ein Schaft für einen Spieler auch besser geeignet wäre.

Seit einigen Jahren kann man beobachten, dass auch bei Drivern "von der Stange" der großen Hersteller Schäfte von Marken verbaut werden, die eigentlich im Custom-Schaft-Bereich tätig sind. Diese sogenannten OEM-Schäfte sind speziell für die jeweiligen Hersteller produziert und bieten in der Regel nicht die Eigenschaften der auf dem Custom-Markt erhältlichen Schäfte der gleichen Marke. Es werden zumeist nicht die gleichen Materialien verwendet, sie sind teilweise leichter und weisen höhere Fertigungstoleranzen auf. Die Schäfte werden entwickelt, um gemeinsam mit dem jeweiligen Kopfdesign des auszurüstenden Drivers zu funktionieren und zu einer breiten Masse Spieler zu passen. Das muss nicht nachteilig sein, in vielen Fällen sind sogenannte Stockschäfte für Amateurgolfer eine gute Wahl. Es dürfte jedoch einleuchten, dass große Schlägerhersteller keinen 400-Euro-Schaft in einem Driver verbauen, der im Pro-Shop für 500 Euro zu haben ist.

Es kommt durchaus auch vor, dass Spieler gezielt nach einem Schaft fragen, den sie im Driver von Dustin Johnson, Rory McIlroy & Co. gesehen haben, oder schlicht nach einer speziellen Farbe fragen. An dieser Stelle wird es mit einem zielführenden Fitting schwierig, denn es besteht oft durchaus die Möglichkeit, auf den Hersteller dieses Schafts zurückzugreifen; die Farben gruppieren Schäfte jedoch meistens nach verschiedenen Profilen und Gewichtsklassen, die dadurch auch den Flex grob vorgeben. Dass der Spieler dann genau in das Profil des gewünschten Schafts passt, ist sehr selten, und dass es unter uns nur sehr wenige Spieler gibt, die den Schaft von Dustin oder Rory spielen können, versteht sich wohl von selbst.

Jeder Hersteller hochwertiger Custom-Schäfte hat seine eigene Art und Weise, seine Schäfte herzustellen. Angefangen von den verwendeten Materialien bis hin zur Anordnung der Fasern beim Herstellungsprozess. Somit gibt es schon von vornherein Hersteller, die zu einem Spieler und seinem speziellen Schwungprofil besser passen als andere. Diese schon von Anfang an zu definieren ist die Aufgabe eines guten Fitters, schließlich möchte kein Golfer beim Fitting 25 Schäfte ausprobieren und dabei eine dreistellige Anzahl von Bällen schlagen.

Project X produziert unter den Namen HZRDUS und Evenflow Schäfte ab einem Gewicht von 60 Gramm und aufwärts, die sich in ihren Profilen ganz klar an sportlichere Spieler richten und Golfer mit niedrigen Schwunggeschwindigkeiten von vornherein ausschließen, da sie einen leichteren Schaft benötigen, um einen optimalen Abflugwinkel erzeugen zu können.

Die Bassara-Schäfte von Mitsubishi Rayon hingegen sind schon ab einem Gewicht von 30 Gramm erhältlich. Diese ultraleichten Schäfte sind besonders für Langsamschwinger geeignet, können aber nur aus kostspieligen High-End-Materialien hergestellt werden, was den Verkaufspreis spürbar in die Höhe treibt. Die Mitsubishi-Schäfte der Tensei-Orange-Serie sprechen dagegen eine komplett andere Klientel an und sind bei Profis sehr verbreitet.

Bei Graphite Design und bei Oban kommen so gut wie alle Golfer auf ihre Kosten, schließlich stellen beide Hersteller eine große Auswahl verschiedener Gewichtsklassen, Härtegrade und Biegeprofile zur Verfügung, in der man als Fitter für beinahe jedes Schwungprofil fündig wird.

Der bereits erwähnte kanadischer Hersteller Accra bietet eine der umfassendsten Produktpaletten auf dem Custom-Markt an und ist deshalb bei Fittern sehr beliebt. Auf einen gesamten Schlägersatz gesehen lassen sich die Accra-Schäfte sehr gut aufeinander abstimmen. Eine bestimmte Härtestufe ist bei Accra immer dieselbe, egal ob es sich um das 60-Gramm- oder das 50-Gramm-Modell eines Schafts handelt - ein großer Vorteil, wenn ein Spieler im Driver einen schwereren Schaft benötigt als in seinem Fairwayhölzern.

 
AUTOR JAN FREDERICK ROHBECK

AUTOR JAN FREDERICK ROHBECK

ist Clubmaker und Fitter bei Clubfixx, war bereits Hamburger 4er- Meister und qualifizierte sich für die Deutsche Meisterschaft 2013. Zurzeit studiert er an der Sporthochschule in Köln und nennt eine C-Trainerlizenz sein Eigen. www.clubfixx.de

Es gibt also nicht den einzigen, perfekt passenden Schaft für einen Spieler. Oft ist es möglich, Schäfte verschiedener Hersteller auf einen Golfer zu fitten und beinahe identische Ergebnisse zu erhalten. Es kann durchaus sein, dass ein Low-Spin-Schaft von Project X, Oban und Accra ähnlich gut für einen Spieler funktioniert. Besonders dann kommt das subjektive Empfinden des Spielers zum Tragen. Materialien oder ein anderes Schaftdesign (z.B. in Bezug auf die Wanddicke) übertragen die Energie unterschiedlich, was viele Spieler durchaus spüren. Wenn es also zu dem Szenario kommt, dass zwei oder drei Schäfte die gleichen Werte erzeugen, ist es vollkommen okay, wenn sich ein Spieler nach seinem subjektiven Gefühl und vielleicht sogar nach der Farbe des Schafts entscheidet.

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