Kurzer Ausflug in die Sportgeschichte: Sheringham trat beim EM-Halbfinale 1996 gegen Deutschland als fünfter Schütze beim Elfmeterschießen an und verwandelte souverän gegen Andreas Köpke, ehe Gareth Southgate als Einziger an jenem denkwürdigen Abend in London verschoss. "Aber im Ernst, beide Situationen sind tatsächlich vergleichbar, was die Anspannung angeht. Ehrlich gesagt war ich beim Elfmeterschießen weniger nervös, schließlich war das mein Job und ich hatte jahrelang dafür trainiert. Ich wusste, wie ich den Elfmeter schießen wollte, und war mir sicher, dass er schwer zu halten sein würde. Auf dem ersten Abschlag ist es dagegen still, kein Torhüter versucht, einen Ball zu halten, und trotzdem ist es nervenaufreibend. Das ist das Großartige am Golf."

»Wir haben hier Major-Sieger und Ryder-Cup-Kapitäne im Starterfeld und ich bin überzeugt davon, dass das Niveau extrem hoch ist.«
An der Rezeption checken derweil mit Paul Lawrie und Michael Campbell zwei Major-Sieger ein, die sich beide berechtigte Hoffnung auf den Turniersieg in dieser Woche machen. Das Thermometer zeigt bei strahlendem Sonnenschein 29 Grad, und da mir für FC-Liverpool-Legende Robbie Fowler keine sinnvolle Frage einfällt, ist es an der Zeit, diesen schweißtreibenden Arbeitstag zu beenden.
EINE NEUE ÄRA
Zwei Tage später können wir beim Pro-Am der MCB Tour Championship am eigenen Leib erfahren, was für ein Biest der Legends Course des "Constance Belle Mare Plage Resort" sein kann. Enge Fairways flankiert von dichtem Dschungel und riesigen Wasserhindernissen sorgen dafür, dass die Ballvorräte schneller zur Neige gehen, als uns allen lieb sein kann; und trotzdem ist die Stimmung prächtig, schließlich hat noch niemand einen ernsthaften Blick auf die Wetter-App geworfen. Im Flight mit Simon Brown beeindrucken mich meine beiden Amateurkollegen, die ebenfalls aus Deutschland angereist sind, nicht nur mit gutem Spiel, sondern vor allem durch unglaubliche Coolness. Der Erfahrung nach treten Amateurspieler bei Pro-Am-Runden sichtbar nervöser auf, doch die beiden Düsseldorfer lächeln nur müde auf meine Frage, wo diese Lässigkeit herrührt: "Die Runde heute ist doch vollkommen entspannt. Erst morgen zählt es wirklich, wenn das Turnier losgeht. Wir spielen im Alliance-Feld mit und das ist eine ganz andere Anspannung, glaube uns."


Treibende Kraft hinter diesem beinahe revolutionären Konzept ist Ryan Howsam, der neue Chairman der Legends Tour, und als auch er seine heutige Runde beendet hat, erklärt mir der Gründer der Staysure-Versicherung bei einem kühlen Bier die Vision hinter seinem Investment. "Ich habe die Mehrheitsanteile der Legends Tour gekauft, da ich unsere Zeit als Titelsponsor der Tour bereits sehr positiv empfunden habe. Abgesehen von der Präsentation der Tour in den Medien wurde meiner Meinung nach jedoch wenig in Sachen Marketing getan. Wir haben hier Major-Sieger und Ryder-Cup-Kapitäne im Starterfeld und ich bin überzeugt, dass das Niveau extrem hoch ist. Ich möchte nicht respektlos gegenüber der DP World Tour klingen, aber ich denke, von Zeit zu Zeit haben wir Namen bei Turnieren der Legends Tour, die klangvoller sind, wie zum Beispiel Ian Woosnam oder Michael Campbell."
Mit dem Kauf der Legends Tour ist Howsam, dessen Visitenkarte ihn als CEO, Mentor und Investor ausweist, nun als erste Privatperson überhaupt im Besitz einer großen Profitour. Als Jugendlicher war er ein ambitionierter Amateurspieler und Scratch-Golfer und ist dem Golfvirus noch genauso verfallen wie damals. Jeden Tag blockt er Teile seines proppenvollen Terminkalenders, um systematisch zu trainieren: "Ich habe in den letzten Monaten gemeinsam mit Michael Campbell hart an meinen Golfspiel gearbeitet und seither auch schon Runden unter Par gespielt." Klingt beinahe so, als hätte sich der Engländer zum Ziel gesetzt, selbst noch auf seiner Tour anzutreten - als Profi, versteht sich.

"Die Erfahrung, bei einem Profiturnier mitzuspielen - und zwar keinen Scramble, sondern mit dem eigenen Ball -, ist etwas ganz Besonderes. Wie auch die Profis steht man unter Druck, Leistung abzuliefern. Diese Erfahrung ist im Golfsport für Hobbyspieler rar, doch wir können sie bieten", erklärt Howsam stolz und übertreibt damit nicht. Von den 15 angekündigten Turnieren der Legends-Tour-Saison 2022 werden vier im Alliance-Format gespielt, darunter auch die PGA Seniors Championship im Formby Golf Club und das Irish Legends in Rosapenna. "Dort haben wir mit Paul McGinley einen fantastischen Botschafter und ich bin mir sicher, dass wir jeden Tag Tausende Zuschauer auf der Anlage haben werden." Man kann sich vorstellen, wie es um den Adrenalinpegel der Amateure bestellt sein wird. die dort gemeinsam mit den Profis auf die Runde gehen.