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Alt vs. neu

Ich bin dein Vater

Von Jan Langenbein, Fotos: Patrick Runte

Beim Duell der Generationen aus dem Hause Cobra gilt es herauszufinden, ob all die Technik-Features in moderneren Drivern tatsächlich halten, was ihre Schöpfer versprechen, oder ob es sich vielleicht doch nur um Marketing-Hokuspokus handelt. Fahren wir den TrackMan hoch.

Die Tatsache, dass auf der PGA Tour mancher Pro noch bis in die 90er mit Persimmon-Drivern, also "echten" Hölzern spielte und Tiger Woods sein erstes Masters mit einem nach heutigen Maßstäben winzigen King-Cobra-Deep-Face- Driver mit Stahlschaft gewann, lässt keinen Zweifel daran, welch massive Fortschritte die Driver-Technologie in den vergangenen 30 Jahren gemacht hat. Als wir beim Ausmisten der Garage über einen gut erhaltenen King- Cobra-Driver von Anfang der 90er stolperten, kam echte Neugier auf. Welche Vorteile bringt modernes Golf-Equipment tatsächlich? Und wie werden die Werte des Launch-Monitors aussehen, vergleicht man einen Cobra-Driver von 1993 mit seinem Urenkel aus 2022?

Unterstützt von einem professionellen Clubfitter und dem besten Golfer der Redaktion schlossen wir uns deshalb bei Castan Golf in Hamburg ein, um mithilfe des dort vorhandenen TrackMan 4 definitive Antworten auf diese Fragen zu bekommen. Bei allen erhobenen Daten wurden Titleist-Pro-V1-RCTBälle verwendet, deren Oberflächenbeschichtung eine echte Messung der Spin-Werte ermöglicht. Beide Tester versuchten sich Dutzende Male mit jedem Driver und am Ende ermittelten wir die Durchschnittsdaten der fünf jeweils besten Schläge pro Modell.

Alt vs. neu: Steuererklärung 2022: geht jetzt auch per App
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Wird ein Ball mit dem King Cobra '93 nicht im Sweet Spot erwischt, entstehen nicht nur absurde Flugkurven, auch die Carry-Längen purzeln ins Bodenlose.
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Bereits optisch könnten die Unterschiede zwischen einem King-Cobra-Driver von 1993 und dem aktuellen Cobra LTDx kaum größer sein. Der in schlichtem Grau gehaltene Schlägerkopf aus 17-4 Stainless Steel wirkt in der Ansprechposition kompakter als manch modernes Fairwayholz. Der mit 460 Kubikzentimetern Kopfvolumen dagegen gigantische LTDx kommt mit seiner mattschwarzen Carbon-Krone samt aerodynamischen Finnen, variablem Hosel zur Loftanpassung und einem austauschbaren Gewicht in der Sohle beinahe wie ein Raumschiff daher.

"Ich spiele seit fast 35 Jahren Golf und kenne diese Mini-Köpfe noch", muss Sebastian lachen, als er den Oldie in Händen hält. "Damit haben wir damals wirklich gespielt. In der Ansprechposition ist mein Respekt vor diesem kleinen Schlägerkopf enorm."

Auch Patrice, der noch nicht geboren war, als dieser Driver über die Ladentheke ging, klingt wenig zuversichtlich: "Man steht wie versteinert am Ball und traut sich kaum, den Abzug zu betätigen - vom komplett durchgenudelten Schaft mal ganz zu schweigen..."

Trotz des zu weichen Schafts - 30 Jahre haben ihre Spuren hinterlassen - fallen die Ergebnisse aber erstaunlich positiv aus. Niemand im Raum hätte gedacht, dass ein winziger Stahl-Driver aus den 90ern heute noch in der Lage wäre, Bälle mehr als 250 Meter das Fairway hinunterzubewegen und dabei Carry-Längen von rund 235 Metern zu liefern.

Alt vs. neu: Jugend von heute: dickköpfig und dünnhäutigAlt vs. neu: Jugend von heute: dickköpfig und dünnhäutig
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Der größte Unterschied zwischen den Generationen wird bei den ersten nicht ganz satt getroffenen Schlägen sofort sichtbar: In Sachen Fehlertoleranz trennen die beiden Driver Welten. Wird ein Ball mit dem King Cobra '93 nicht im Sweet Spot erwischt, entstehen nicht nur absurde Flugkurven, auch die Carry-Längen purzeln ins Bodenlose.

Um verstehen zu können, welchen Unterschied ein moderner Schlägerkopf ausmacht, testen wir einen nagelneuen Cobra LTDx mit einem Hzrdus-Smoke-Standardschaft in R-Flex. Auch dieser fällt für die beiden Longhitter spürbar zu weich aus, ist so aber mit dem Schaft des King Cobra von 1993 halbwegs vergleichbar.

Der Cobra LTDx verfügt über Hightech-Features wie die präzisionsgefräste, hauchdünne HOT-Schlagfläche, viel leichtes Carbon und eine optimierte Gewichtsverteilung. Ehe all diese Technik-Quantensprünge zum Einsatz kommen, fallen die enormen Proportionen des 460-Kubikzentimeter-Kopfs ins Auge, die weit mehr Einfluss auf die Drives haben, als "nur" Fehlertoleranz zu liefern und Selbstvertrauen zu fördern. "Durch den größeren Schlägerkopf des modernen Drivers wird der Ball höher aufgeteet, was es einfacher macht, den gewünschten Eintreffwinkel zu erzeugen, sprich, den Ball in der Aufwärtsbewegung zu treffen. Der gefühlt nur halb so große Kopf des alten King Cobra setzt ein viel kürzeres Tee voraus, was zu einem flacheren Attack Angle führt", stellt Sebastian nach den ersten Schlägen mit dem LTDx fest.

Alt vs. neu: Spin Doctor: 40 Meter Länger (r.)Alt vs. neu: Spin Doctor: 40 Meter Länger (r.)
Spin Doctor: 40 Meter Länger (r.)
Es wird allerdings schnell klar, dass der mit den enormen Schwunggeschwindigkeiten überforderte Schaft nicht in der Lage ist, die aufgebaute Kraft an den Ball weiterzugeben, und viel zu hohe Spin-Werte produziert. Wie sehr sich schlecht gefittetes Material auswirkt, zeigt der Fakt, dass Sebastians Drives trotz 6,5 Meilen höherer Schlägerkopfgeschwindigkeit paradoxerweise fünf Meter kürzer fliegen als die seines Testerkollegen. Die Abschläge steigen auf viel zu hohe Flugkurven, um dann wie tote Tauben abzustürzen.

Abgesehen von zu viel Spin ist Patrice vom neuen Driver überzeugt: "Mit dem LTDx stehe ich viel entspannter am Ball, weil der riesige Kopf einfach einladend aussieht. Der Schaft, obwohl er ein Zoll länger als beim Driver von 1993 ist, wirkt tatsächlich kürzer. Dazu kommt, dass der moderne Driver deutlich leichter und dadurch einfacher zu beschleunigen ist." Nicht nur das geringere Gewicht sorgt für die Steigerung der Kopfgeschwindigkeit, im direkten Vergleich der Generationen wird auch klar, dass sich vor 30 Jahren niemand ernsthafte Gedanken über die Aerodynamik gemacht hat. Der in dieser Hinsicht optimierte LTDx lässt sich daher effektiver beschleunigen und liefert spürbar mehr Speed als sein Großvater.

 
Infobox

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SEBASTIAN ZWEIG

Clubfitter bei Castan Golf

HCP: 2,9
Aktueller Driver: Callaway Rogue ST Triple Diamond 7°
Schaft: Fujikura Pro 2.0 Tour Spec 78 g X-Stiff

"Der für Spieler aller Klassen größte Unterschied und signifikanteste Vorteil, den modernes Equipment mit sich bringt, ist nicht die Länge der Schläge, sondern sind die Fehlertoleranz und die damit verbundene Sicherheit im Spiel."



PATRICE SCHUMACHER

ehemaliger GolfPunk-Volontär

HCP: -4,3
Aktueller Driver: Callaway Mavrik Sub Zero 9°
Schaft: Project X Hzrdus Smoke Black 6.5 60g

"Bei perfekt getroffenen Strikes mit dem modernen Driver ist der Ball kaum noch zu spüren, so effektiv überträgt sich die Kraft. Der alte King Cobra lässt einen dagegen unmissverständlich wissen, mit welcher Stelle der Schlagfläche man den Ball erwischt hat."

Zehn und 15 Meter mehr Carry-Länge des Cobra LTDx gegenüber dem 90er-Jahre-Modell legen aufgrund der gleichermaßen suboptimalen Schäfte nahe, dass moderne Schlägerköpfe Längengewinne mit sich bringen. All das Carbon, die Aerodynamik und die perfekte Gewichtsverteilung können aber nicht performen, spielt der Schaft nicht mit.

"Fitting" heißt das Zauberwort, und als die beiden Tester mit dem Low-Spin-Modell des Cobra LTDx nicht nur den für ihre Schwunggeschwindigkeiten passenden Kopf, sondern mit einem X-Stiff-Schaft auch den passenden Motor dafür in den Händen halten, klettern die Schlägerkopfgeschwindigkeiten noch einmal. Doch viel entscheidender: Endlich explodiert auch die Ballgeschwindigkeit. "Den richtigen Schaft bekommt man einfach besser beschleunigt", merkt Sebastian zufrieden an und Patrice fühlt sich ebenfalls mit dem Cobra LTDx LS noch wohler: "Es ist eine Erleichterung, in der Ansprechposition nicht mehr so viel Loft auf der Schlagfläche zu sehen und hilft, ungehemmt durch den Ball zu prügeln." Am Ende unseres Experiments zeigt der TrackMan eine Steigerung der Gesamtlänge seiner Abschläge von 30,8 Metern an. Bei Sebastian, nachdem er den LTDx LS auf 7° Loft getunt hatte, war sogar ein Längengewinn von 33,5 Metern messbar.

Sollte Cobra für die kommende Saison noch einen griffigen Marketing-Slogan für die Driver-Generation 2023 benötigen, wie wäre es mit "30 Jahre Fortschritt = 30 Meter längere Drives"? Zugegeben, daran kann man noch ein wenig feilen, aber ihr versteht, was wir meinen.

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