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PRESTWICK GOLF CLUB, LOCH 17, PAR 4, 350 METER

Der Blick des Architekten

Die Templates Vol.3 - Alps

Von Tony Ristola

Was hassen beinahe alle Golfer? Einfache Antwort: Blinde Schläge. Paradox, dass gerade sie das Salz in der Suppe eines der besten Par-4-Löcher des Planeten sind. Unser Kolumnist weiss warum.

Irgendwann um 1907, lange bevor eine verquere Definition von "Fairness" jegliche Bereitschaft der Golfer killte, die scheinbar willkürlichen Aspekte des Golfspiels und einen vermeintlichen "Schicksalsschlag" auch mal sportlich zu nehmen, hörte sich C.B. Macdonald unter den besten Spielern der britischen Inseln um, was wohl ihre Lieblings-Par-4-Spielbahn sei. Die beinahe einstimmige Antwort fiel gelinde gesagt "interessant" aus: das "Alps"-Loch im Prestwick Golf Club. Was diese 350 Meter lange Spielbahn zu einem verblüffenden Gewinner der Umfrage machte, ist die Tatsache, dass, ganz egal aus welchem Winkel, das Grün stets mit einem völlig blinden Schlag über einen hohen Sandhügel, Alps genannt, angespielt werden muss. Angesichts des Equipments im frühen 20. Jahrhundert brauchte es zwei äußerst gute Hiebe, um das Grün mit zwei Schlägen zu treffen. 1860, als Prestwick die erste von zwölf aufeinanderfolgenden Open Championships austrug, wurde das Loch sogar als Par 5 gespielt.

Den Ball über die Alps zu befördern ist bei Weitem nicht die einzige Herausforderung dieser Bahn, denn dahinter lauert komplett unsichtbar ein tiefer Bunker, der den passenden Namen Sahara trägt. Die Verteidigung der 17. Fahne in Prestwick hat also gleich zwei Leberhaken zu bieten.

Der Blick des Architekten: FISHERS ISLAND CLUB, LOCH 4, PAR 4, 377 METER
FISHERS ISLAND CLUB, LOCH 4, PAR 4, 377 METER

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Wie das Resultat eines Annäherungsschlags tatsächlich aussieht, erfährt man auf dieser Bahn erst Minuten später und genau das macht den Nervenkitzel von Alps aus.
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Was erwartet Golfer, wenn sie das enge Fairway der Spielbahn getroffen und ihren Ball erfolgreich über die Alpen und die Sahara manövriert haben? Ein typisches Links-Grün, das in alle Richtungen abfällt? Nein, Old Tom Morris, der 1851 für das Design verantwortlich zeichnete, war kein Sadist. Er baute das genaue Gegenteil, ein Grün, dessen Form an eine Schüssel erinnert - in Golfsprache: eine Punchbowl. Ein solches Grün sammelt die Bälle also ein und lässt sie nicht wie auf Links-Plätzen üblich in sämtliche Richtungen hinunterrollen. Lediglich eine große Welle vorne im Grün kann Bällen den Zutritt verwehren oder sie bis ganz ans hintere Ende rollen lassen.

Wie das Resultat eines Annäherungsschlags tatsächlich aussieht, erfährt man auf dieser Bahn erst Minuten später und genau das macht den Nervenkitzel von Alps aus. Der Ball könnte den Bunker erwischt haben, tot an der Fahne liegen oder ein wenig zu weit geflogen und deshalb ins Rough gesprungen sein. All diese Möglichkeiten machen die Alps zu einem nervenaufreibenden Unterfangen.

Diese Elemente griff C.B. Macdonald auf, als er seine erste Version der "Alps"-Spielbahn im Design des National Golf Links of America unterbrachte. Doch er kopierte das Loch nicht einfach, sondern verbesserte das Original, indem er weiter Spielstrategien ermöglichte.

Zunächst verlängerte er die Bahn um 20 Meter und ließ gleichzeitig Raum, um das Loch auch zukünftig noch strecken zu können. Als Zweites verwarf er das enge Fairway der Vorlage und legte seines diagonal zur Spielrichtung und deutlich breiter an mit einem langen Bunker auf der gesamten rechten Fairwayflanke, den es vom Tee zu überspielen gilt. Die Strategie vom Abschlag ist simpel: Je aggressiver der Drive über das lauernde Sandhindernis gelingt, umso angenehmer, weil kürzer und über eine weniger Furcht einflößende Wand aus Dünen, fällt der Annäherungsschlag aus. Darüber hinaus ersetzte Macdonald den großen Sahara-Bunker aus Prestwick im National durch eine Reihe tiefer Bunker vor und zur rechten Seite des Grüns. Die vierte und vielleicht wichtigste Unterscheidung ist die Lage des Grüns selbst, denn es liegt im National Golf Links in einer Mulde am höchsten Punkt der zu überspielenden Hügel und nicht wie in Prestwick praktisch auf gleicher Höhe wie das Fairway. Dieser Höhenunterschied und die Tatsache, dass Golfer rätseln müssen, wie er sich wohl auf die Schlägerwahl auswirkt, macht Macdonalds erste Version der "Alps"-Spielbahn deutlich anspruchsvoller als das Original.

Nachdem der National Golf Links fertig war, bauten C.B. Macdonald und Seth Raynor weitere Varianten der Spielbahn in allen Ecken der Vereinigten Staaten. Zwar bot nicht jedes Stück Land die Gegebenheiten, ein echtes Alps-Loch zu bauen, doch wenn sie sich mit einem komplett flachen Grundstück konfrontiert sahen, hielten sich die Designer an die Essenz der Bahn und übertrugen diese auf die topfebene Topografie. Will heißen: Sie schufen eine kleine Erhebung, einen Hügel oder einen Böschungsansatz, der den Schlag ins Grün zumindest halb blind macht: Vom Fairway ist die Spitze der Fahne zu sehen, das Grün selbst ist jedoch nicht einsehbar. Oft platzierten sie einen Bunker zwischen den Alps-Hügeln und dem Grün, um so dem Sahara-Bunker Tribut zu zollen, und die Grüns wurden meistens, allerdings nicht immer als Punchbowls angelegt.

Der Blick des Architekten: NATIONAL GOLF LINKS OF AMERICA, LOCH 3, PAR 4, 390 METER
NATIONAL GOLF LINKS OF AMERICA, LOCH 3, PAR 4, 390 METER
Ich bin der Meinung, dass das Konzept der Alps auch heute noch verfeinert werden kann, wirft man einen Blick auf seine Geschichte. Mittlerweile fordern selbst 400 Meter lange Par-4-Bahnen von vielen Golfern kaum mehr als ein kurzes Eisen ins Grün. Für solche Longhitter gibt es auf diesem Template-Loch wenig zu fürchten, gleichzeitig bleibt das Design eine hart zu knackende Nuss für Clubgolfer mit zweistelligen Handicaps. Warum das Konzept also nicht von hinten denken? Aufgrund der immer weiter aus den Fugen geratenden Längen und der damit einhergehenden Zerstörung des strategischen Elements klassischer Golfdesigns für gute Spieler wäre dem Alps-Konzept am besten in seiner Version von 1860 - nämlich als Par 5 oder als Par 4/5 - gedient. Ein Par 4/5 könnte eine Länge besitzen, die es als Par 5 für die Mitglieder des Clubs spielbar macht, für Meisterschafts-Golf allerdings als Par 4 deklariert werden könnte. Eine weitere Möglichkeit wäre, ein Alps-Loch als kurzes Par 4 zu konzipieren.

Beide Varianten, die lange und die kurze, würden wirklich gute Golfer dazu verleiten, an dieser Spielbahn von einem Birdie auszugehen. Doch der geforderte blinde Schlag weckt selbst bei Scratch-Golfern Urängste und diese Herausforderung würde nicht nur beim zweiten Schlag lauern, sondern für Longhitter bereits beim Drive. So verwandeln sich scheinbar einfach Schläge in knifflige Aufgaben - psychisch und physisch.

Für durchschnittliche Golfer wären beide Varianten recht einfach zu erreichen, was der Spielbahn enormes Spaßpotenzial verleihen würde.

Es erscheint auf den ersten Blick seltsam, vor mehr als hundert Jahren eine blinde Spielbahn als die Speerspitze gelungenen Designs zu küren. Heute wäre eine solche Wahl undenkbar, denn Profis legen sich bereits beim bloßen Gedanken an einen Schlag, der nicht komplett berechenbar ist, auf die Couch ihres Psychologen. Die besten Golfer zu C.B. Macdonalds Zeit verfügten über die Eigenschaft, scheinbar böswillige Golflöcher sportlich zu nehmen. Da sie größtenteils auf Links-Plätzen aufwuchsen, war ihnen klar, dass gute Golfplätze nicht fair, sondern interessant, manchmal gar skurril sein müssen und im Fall wirklich großartiger Plätze sogar mit einzigartigen und ungewöhnlichen Spielbahnen wie der "Alps" aufwarten können.

 
Der Autor

Der Autor

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching sowie Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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