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St. Andrews Links, Old Course Nr. 17, Par 4, 450 Meter

Die Templates Vol. 5

Road Hole

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola

Im Golfplatzbau liegen Genie und Wahnsinn oft nah beieinander, wie das Road Hole in St. Andrews beweist. Unser Kolumnist Tony Ristola ist überzeugt, dass das dümmste Loch das jemals "designt" wurde, gleichzeitig auch das Grossartigste ist.

Man stelle sich vor, ein Golfplatzarchitekt würde seinen Kunden mit dieser ambitionierten Vision überraschen: "Wie wäre es mit folgender Idee für eine Spielbahn auf deinem neuen Golfplatz? Es wird 385 Meter lang sein und die Teebox wird sich an der alten Steinmauer, an der man dann die gesamte Bahn über entlangspielen wird, in der westlichen Ecke des Grundstücks befinden. Um die ganze Sache noch etwas interessanter zu gestalten, gilt es, den Abschlag nicht nur über die Mauer zu schlagen, sondern gleichzeitig auch über die alten Eisenbahnschuppen, die dort an der Grundstücksgrenze stehen - ein blinder Drive also. Natürlich werden alle Bälle, die es nicht über die Ecke des Grundstücks oder den Schuppen schaffen, out of bounds landen. Die nötige Carry-Länge der Abschläge? 140 bis 175 Meter! Für den Annäherungsschlag bauen wir ein diagonal zur Bahn angelegtes Grün, das sich mindestens 1,7 Meter oberhalb des Fairways befinden wird. Die Front des Grüns wird mit 18 Metern enorm breit sein, doch mehr als die Hälfte davon wird ein steiler Abhang sein, der alle Bälle wie einen Trichter in einen zwei Meter tiefen Topfbunker lenkt. Die Bunkerwand wird natürlich vertikal sein, damit besonders üble Balllagen nichts anderes zulassen, als diagonal oder, besser noch, zurück aufs Fairways herauszuspielen. Hinter dem Bunker wird das Grün maximal neun bis zehn Schritte tief sein, was uns an speziellen Tagen besonders knifflige - oder besser gesagt: unmögliche - Fahnenpositionen erlaubt.

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Vor 100 Jahren, zur Zeit der Hickory-Schläger, als die Bahn im Gesamten noch 385 bis 395 Meter aufwies, wurde sie als Par 5 gespielt und steht damit als Mahnmal, wie sehr sich das Spiel seit dieser Zeit verändert hat.
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Shoreacres, Illinois 1921
Wie auf dem Old Course wurde auch in Shoreacres später eine neue Teebox errichtet, um die Bahn auf satte 450 Meter zu verlängern. Anstelle der Mauer und des Schuppens begrenzt hier eine steile Böschung die rechte Seite des Fairways. Das Grün verfügt ebenfalls über den charakteristischen Topfbunker auf der linken Seite. Hinter dem Grün platzierten Macdonald und Raynor einen weiteren Bunker als Ersatzhindernis für die dort fehlende Straße.

Aber das war noch nicht alles! Von der Hinterkante des Grüns bis zur Steinmauer werden etwa 15 Meter Platz sein, um der dort verlaufenden Schotterstraße Raum zu geben. Das Grün wird in diese Richtung einen steilen, kurz gemähten und etwa einen Meter hohen Abhang aufweisen, der alle zu lang gespielten Bälle gnadenlos auf den Schotterweg und in Richtung der dahinter liegenden Mauer lenkt. Free Drops von der Straße oder bei Lagen direkt an der Mauer wird es natürlich nicht geben. Na, was hältst du von dieser Idee?"

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Yeamans Hall Club, South Carolina 1925
Diese 360 Meter lange Variante des Road Hole ist vor allem an ihrem charakteristischen Gründesign auszumachen. Anstelle einer Mauer und eines Eisenbahnschuppens wurden Bunker gebaut, um die gewünschten Carry-Längen zu erzwingen. Der zentrale Bunker auf dieser Bahn ist einzigartig, denn er erfordert lediglich 130 Meter Fluglänge vom Abschlag. Das Grün dagegen wurde in der typischen Ausrichtung gebaut und belohnt so mit Drives auf die rechte Seite des Fairways. Da Bunker auf der linken Seite der Bahn lauern, ist ein Fade vom Tee der optimale Schlag gefolgt von einem Draw ins diagonal angelegte Grün.

Nun, oberflächlich betrachtet hört sich eine solche Beschreibung an, als würde hier eines der dümmsten und absurdesten Golflöcher aller Zeiten angeboten. Doch niemand würde heute daran zweifeln, dass das Road Hole auf dem Old Course in St. Andrews zu den großartigsten Spielbahnen aller Zeiten zählt. Bereits vor einem Jahrhundert war dies auch dem Designteam um C.B. Macdonald und Seth Raynor bewusst, weshalb sie die Bahn in ihre Template Holes aufnahmen und unterschiedliche Versionen davon in aller Welt bauten.

Dank neuer Backtees, die 2010 gebaut wurden, spielt sich das Road Hole in St. Andrews heute bis zu 450 Meter lang, was den gefürchteten Carry-Drive über die Rückwand des Schuppens auf satte 190 bis 240 Meter verlängert hat. Vor 100 Jahren, zur Zeit der Hickory-Schläger, als die Bahn im Gesamten noch 385 bis 395 Meter aufwies, wurde sie als Par 5 gespielt und steht damit als Mahnmal, wie sehr sich das Spiel seit dieser Zeit verändert hat. Die Varianten, die C.B. Macdonald und Seth Raynor für ihre Plätze entwarfen und bauten, fielen meist 385 bis 480 Meter lang aus und wurden als Par 4 ausgewiesen, wenngleich sich auch das ein oder andere Par 5 da runter mischte.

Die Templates Vol. 5:
Grünkomplex Road Hole St. Andrews, Schottland
Der beste Winkel für den Schlag in dieses Grün ist aufgrund seiner diagonalen Ausrichtung von der rechten Seite des Fairways aus zu finden. Doch ein Drive dorthin erfordert eine Menge Mut. Von dort aus könnte man das Herz des Grüns attackieren, aber diesen Abschlag trauen sich die wenigsten Golfer zu. Und Bälle, die doch am rechten Fairwayrand nahe der Mauer landen, sind vermutlich oft das zufällig-grandiose Produkt von Abschlägen, die eigentlich woanders landen sollten. Die steile Stufe im vorderen Teil des Grüns macht den zweiten Schlag noch komplizierter, denn sie lenkt Bälle in den Road-Hole-Bunker um, weshalb selbst Profis hier ihren Ball oft absichtlich rechts vor dem Grün platzieren und damit die Herausforderung eines schwierigen Up and Down annehmen, um ein Par notieren zu können. Doch das fällt weitaus schwieriger aus, als man glauben möchte. Während der Open in St. Andrews ist das Road Hole regelmäßig die härteste Bahn des Platzes und 2015 lag der Durchschnitts-Score nach dem ersten Tag bei exorbitanten 4.833 Schlägen. Keinem einzigen Profi gelang auf diesem Grün ein Birdie.

Das Geniale am Road Hole Template ist, dass seine im Kern liegenden Designelemente es erlauben, ein flaches und langes Stück Land an der Grenze eines Grundstücks so geschickt zu verwenden, dass dort eine wirklich markerschütternde Herausforderung für Golfer jeder Spielklasse entsteht, die obendrein noch preiswert zu bauen und zu unterhalten ist. Da ist überhaupt nicht Dummes dran!

 
Der Autor

Der Autor

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teachingsowie Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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