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Major-Plätze fürs Volk

Die ganz große Bühne

Von Jan Langenbein

Eine Golfrunde auf dem Schauplatz eines Tour-Events ist für Amateure wie unsereins eine augenöffnende Erfahrung. Den Golfschwung auf einem Major-Platz testen zu können sicherlich ebenfalls - in zehnfacher Potenz. Auf den wenigen öffentlichen Plätzen, die je Major-Turniere ausrichten durften, werden die Egos von Hobbygolfern gebrochen und ihre Kreditkarten gesprengt. Um wenigstens Letzteres zu verhindern, präsentieren wir die obskursten, unbekanntesten und somit oft auch preiswertesten Möglichkeiten für Otto Normal-Golfer, einmal Major-Luft zu schnuppern.

PGA CHAMPIONSHIP


Kein anderes Major ist mit einer Mischung aus exklusiven Country Clubs, sündhaft teuren Edelwiesen und öffentlichen Golfplatzperlen derartig experimentierfreudig in Sachen Austragungsort. Neben den üblichen Verdächtigen Pebble Beach, Pinehurst No. 2 und Kiawah Island wurde der Kampf um die Wanamaker Trophy bereits auf Wiesen ausgetragen, auf denen sich heute Fuchs und Platzreifespieler gute Nacht sagen.

Major-Plätze fürs Volk: Lee Travino (1974), Tanglewood Park
Lee Travino (1974), Tanglewood Park

KELLER GOLF COURSE


Greenfee: 45 Euro
Majors: 2x PGA Championship
Sieger: Olin Dutra (1932), Sam Snead (1945)
Adresse: Maplewood, Minnesota/USA

Von 1930 bis 1968 fanden auf dem Keller Golf Course die St. Paul Open statt und brachten Sieger wie Horton Smith, Jimmy Demaret und Ray Floyd hervor. Die zweite von insgesamt drei PGA Championships auf dieser Anlage wurde von niemandem Geringeren als Sam Snead gewonnen und die LPGA Tour war während der 70er-Jahre regelmäßig hier zu Gast. Da mit ist diese unscheinbare Wiese im Mittleren Westen der wohl dekorierteste Golfplatz, den kaum eine Menschenseele kennt. Und auch die Unterwelt fand einst Gefallen an diesem öff entlichen Golfplatz. Staatsfeind Nr. 1 John Dillinger spielte hier in den 30ern, als ihn die Nachricht ereilte, ihm würde wegen seiner zahlreichen Banküberfälle das FBI im Nacken sitzen. Also ließ er Schläger und Bälle liegen, sprang auf einen Zug, der über die nahe gelegenen Gleise rollte, und entkam so dem Arm des Gesetzes - kurzzeitig jedenfalls.

EISENHOWER PARK RED COURSE


Greenfee: 39 Euro
Major: 1x PGA Championship
Sieger: Walter Hagen (1926)
Adresse: East Meadow, New York/USA

Als Walter Hagen 1926 hier den achten seiner insgesamt elf Major-Titel gewann, war dieser Platz nur einer von insgesamt fünf 18-Loch-Schleifen im exklusiven Salisbury Country Club. Dieser Spielplatz der New Yorker Schickeria konnte im Zuge der Weltwirtschaftskrise wenige Jahre später jedoch seine Steuern nicht mehr berappen und wurde 1944 in den heutigen Eisenhower Park umgewandelt und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der 1914 von Devereux Emmet designte Major-Platz blieb glücklicherweise erhalten und kann heute als Red Course für einen echten Spottpreis von jedem Golfer genossen werden. Falls die Golflust bei Sonnenuntergang noch nicht gestillt ist, bieten zwei beleuchtete 18-Loch-Minigolfplätze direkt nebenan Abhilfe.

TANGLEWOOD PARK


Greenfee: 45 Euro
Major: 1x PGA Championship
Sieger: Lee Travino (1974)
Adresse: Clemmons, North Carolina/USA

Am Wochenende der 56. PGA Championship wollte sich in den USA niemand so recht für Golf interessieren, schließlich war Präsident Nixon gerade zurückgetreten und verabschiedete sich keinerlei Schuld bewusst mit provokativem Victory-Zeichen in den politischen Ruhestand, während die zweite Runde des Turniers im Gange war. Schade, denn das Duell, das sich Lee Trevino und Jack Nicklaus am Sonntag lieferten, war großes Golf. Der öffentliche Golfplatz im Tanglewood Park, den lediglich der Sieger Trevino zu mögen schien, war zuvor von Robert Trent Jones vollständig umgegraben worden, um diesem Anlass den gebühren den Rahmen zu geben. 2018 wurde der Platz komplett renoviert, und obwohl das Clubhaus immer noch den süßlich-miefigen Charme der 70er versprüht, zählt der Platz nun zu den besten öffentlichen Anlagen in North Carolina.

US OPEN


Auch wenn das härteste aller Major-Turniere das Wort "Open" bereits im Titel trägt, sind dessen Austragungsorte das genaue Gegenteil: Von der ersten Auflage 1895 an wurde die nationale Meisterschaft der USA ausschließlich in ebenso legendären wie meterhoch umzäunten Country Clubs ausgetragen. Erst 1972 wurde mit Pebble Beach zum ersten Mal einem Platz, der Greenfee-Spieler akzeptiert, die Ehre zuteil, eine US Open austragen zu dürfen. Mit der Jahrtausendwende wurde die USGA plötzlich mutig, wie diese Marterwiesen beweisen.

Major-Plätze fürs Volk: Erin Hills: von wegen 'Grüne Hölle'. Abseits des Grüns wird es haarig
Erin Hills: von wegen 'Grüne Hölle'. Abseits des Grüns wird es haarig

BETHPAGE BLACK COURSE


Greenfee: ab 120 Euro
Majors: 2x US Open, 1x PGA Championship
Sieger: Tiger Woods (2002), Lucas Glover (2009), Brooks Koepka (2019)
Adresse: Farmingdale, New York/USA

Es brauchte 102 US Open, um dem Namen endlich gerecht zu werden, denn als Tiger Woods 2002 auf dem 18. Grün des Black Course im Bethpage State Park die stattliche Trophäe in den Nachthimmel reckte, tat er es als erster US Open Champion auf einem öffentlichen Golfplatz. Ein Greenfee auf dem unter New Yorker Golfern legendären Black Course war damals unter der Woche für schlappe 39 Dollar zu haben und der Platz des genialen Architekten A.W. Tillinghast sicher genau so gut und wahrscheinlich um einiges brutaler als die ultraexklusiven US-Open-Austragungsorte der Nachbarschaft wie Winged Foot oder Baltusrol. Zwei US Open und eine PGA Championship später sind die Zeiten, in denen für eine Handvoll Dollar jeder hier Major-Luft schnuppern konnte, leider vorbei. Dennoch zählt der Black Course im Bethpage State Park immer noch zu den größten Greenfee-Schnäppchen weltweit. Bleibt abzuwarten, wie das nach dem Ryder Cup 2025 aussehen wird.

CHAMBERS BAY


Greenfee: ab 130 Euro
Major: 1x US Open
Sieger: Jordan Spieth (2015)
Adresse: University Place, Washington/USA

Über 100.000 Sattelschlepperladungen Erde und Sand ließ Robert Trent Jones jr. bewegen, um am Ufer des Puget Sound unweit von Seattle einen Golfplatz zu formen, der - zumindest was seine einzigartige Optik angeht - eigentlich an der irischen Atlantikküste liegen müsste. Chambers Bays Feuertaufe während der US Open 2015 ging dann allerdings mächtig in die Hose, denn wochenlange Hitze hatten den Platz in eine braune Marslandschaft verwandelt. Henrik Stenson gab zu Protokoll, die Grüns wären eine Katastrophe und es würde sich anfühlen wie "Putten auf Brokkoli". Eine Einschätzung, die Rory McIlroy nicht teilen wollte: "Ich denke nicht, dass sie so grün wie Brokkoli sind, das hier erinnert mehr an Blumenkohl." Am Finalsonntag schenkte Dustin Johnson dann auf dem 18. Grün seinen ersten Major-Titel an Jordan Spieth ab und es darf bezweifelt werden, dass sich noch einmal ein Major hierher verirren wird. Schade eigentlich, denn einige Jahre nach diesem Debakel hat sich Chambers Bay trotz des holprigen Starts dank besseren Greenkeeping und neuer Grassorten zu einem der Lieblingsplätze vieler Golfer aus Seattle entwickelt.

ERIN HILLS


Greenfee: ab 255 Euro
Major: 1x US Open
Sieger: Brooks Koepka (2017)
Adresse: Erin, Wisconsin/USA

Selbst aus dem Flugzeug betrachtet wirken die 18 Löcher von Erin Hills monumental. An Land mangelte es im "Flyover Country" von Wisconsin schließlich nicht, als vor 20 Jahren mit dem ausgesprochenen Ziel, hier möglichst bald eine US Open auszutragen, mit dem Bau dieser 18 Löcher begonnen wurde. Den Initiatoren von Erin Hills ging leider recht schnell die finanzielle Puste aus, die halbfertige Anlage musste verkauft werden. Da der aktuelle Besitzer auch Teilinhaber einer 100 Milliarden Dollar schweren Vermögensverwaltung ist, spielt Geld hier kaum eine Rolle, was Spielbedingungen wie bei einem Major im Sommer garantiert. Auf nervtötende Details moderner Golfplätze wie Cartwege wurde verzichtet, denn in Erin Hills wird ausschließlich gelaufen, was die Major-Erfahrung mit einem Caddie an der Tasche nahezu perfekt macht. Das Platz-Set-up in Erin Hills würde es schließlich jeden Sommer möglich machen, mit wenigen Tagen Vorwarnfrist eine US Open auszurichten.

OPEN CHAMPIONSHIP


Das älteste Golfturnier der Welt hat bisher 14 Austragungsorte gesehen und allesamt sind der Golföffentlichkeit zugänglich. Natürlich sollte jeder Golfer einmal den Old Course von St. Andrews gespielt haben und Plätze wie Royal Portrush oder Carnoustie sind schlicht zum Zungeschnalzen. Doch als echter Kenner zeichnet sich aus, wer zu einem der in Rente geschickten Open-Austragungsorte pilgert.

Major-Plätze fürs Volk: Prestwick Golf Glub
Prestwick Golf Glub

PRESTWICK GOLF CLUB


Greenfee: 260 Euro
Majors: 24x Open Championship
Adresse: Prestwick, Schottland

Während der ersten Open Championship im Jahre 1860 gingen die acht teilnehmenden Professionals dreimal hintereinander auf die damals zwölf Löcher des Platzes in Prestwick, bevor Willie Parksen mit 174 Schlägen als erster Champion feststand und seinen Preis, einen Gürtel samt Silberschnalle im Wert von 25 Pfund, entgegennehmen durfte. Dafür könnte man sich und seinen Freunden bei der 150. Open in St. Andrews 2022 gerade einmal eine Runde dünnes Bier gönnen, von einem Greenfee in Prestwick mal ganz zu schweigen. Dennoch sollte jeder Open-Besucher in diesem Jahr vor oder nach dem Turnier einen Abstecher nach Prestwick machen und den Ursprungsort des großartigsten aller Major-Turniere selbst einmal erleben. Eine Krawatte und ein Sakko sollten allerdings eingepackt werden, denn sonst ist der Dining Room im altehrwürdigen Clubhaus tabu.

ROYAL CINQUE PORTS GOLF CLUB


Greenfee: 220 Euro
Majors: 2x Open Championship
Sieger: J.H. Taylor (1909), George Duncan (1920)
Adresse: Deal, England

Jack Nicklaus behauptete einmal, die Open-Plätze würden schlechter, je südlicher sie lägen. Der Fakt, dass der 18-fache Major-Sieger seine schlechteste Major-Runde aller Zeiten (83) bei der Open 1983 in Royal St. Georges, dem südlichsten aller Open-Austragungsorte, spielte, könnte damit zu tun haben. Gut möglich, dass Royal Cinque Ports, nur wenige Kilometer von Royal St. Georges entfernt, die Meinung des "Golden Bear" hätte ändern können, gelten die Back Nine dort doch als brutaler, aber fairer Test, der sich auch heute noch mit jedem Links in Großbritannien messen kann. Doch als der Champion Golfer of the Year hier ermitelt wurde, hatten sich Jacks Eltern noch nicht einmal kennengelernt. Und da wir schon mal hier sind: Direkt nebenan liegt mit dem Prince's Golf Club eine weitere Links-Platz-Perle, die 1932 ebenfalls Open-Austragungsort war.

MUSSELBURGH LINKS THE OLD GOLF COURSE


Greenfee: 20 Euro (9 Löcher)
Majors: 6x Open Championship
Sieger: u. a. Willie Park jr. (1889)
Adresse: Musselburgh, Schottland

Am 02. März 1672 wurde die Golfrunde eines schottischen Rechtsanwalt namens Sir John Foulis und zweier Buddys offiziell dokumentiert, weshalb sich dieser Neunlochplatz im Innenfeld einer Pferderennbahn von Musselburgh vom Guinnessbuch der Rekorde beglaubigt ältester Golfplatz der Welt nennen darf. Die Open fand hier 1874 zum ersten Mal statt, nachdem vorher Prestwick zwölfmal und St. Andrews einmal die Ehre hatten. Wenige Jahre später, 1893, um genau zu sein, legten die Regelhüter des Royal and Ancient Golf Club vier ein viertel Zoll (10,8 cm) als Maß für Golflöcher fest - exakt der Durchmesser der Regenabflussrohre, mit denen auf dem Old Course der Musselburgh Links die Golflöcher gestochen wurden. Wenn das mal kein Vermächtnis ist! Für schlappe 20 Euro Greenfee kann heute noch jeder Schottlandpilger in Musselburgh auf Golfzeitreise gehen.

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