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Pfusch am Bau: Der verlegte Teppich schlägt schon wieder Wellen

Old Course Reversed

Umgekehrt wird ein Clou draus

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Rüdiger Meyer, Mike Meyer, Getty Images, PR

Das coolste Querfeldein-Turnier der Welt fand in diesem Jahr in St. Andrews statt. An drei Tagen wurde der legendäre Old Course so gespielt, wie der Golfgott alias Old Tom Morris ihn schuf: im Uhrzeigersinn, oder wie es neudeutsch heißt: reversed.

Das coolste Querfeldein-Turnier der Welt fand in diesem Jahr in St. Andrews statt. An drei Tagen wurde der legendäre Old Course so gespielt, wie der Golfgott alias Old Tom Morris ihn schuf: im Uhrzeigersinn, oder wie es neudeutsch heißt: reversed.

Seit der Open Championship 2015 habe ich ein Trauma. In der Schlussrunde sah ich, wie Phil Mickelson auf dem Tee der 17 stand und seinen Drive auf einen Balkon des "Old Course Hotel" hookte. Wenn das einem fünffachen Major-Sieger passieren kann, was blüht dann erst einem Linkshänder, der weder Kontrolle über seinen Driver hat noch das Budget, um mögliche Reparationszahlungen an das vornehmste Hotel von St. Andrews zu zahlen? Und so habe ich bei meinen drei bisherigen Runden im "Home of Golf" nie den Mut gehabt, über den grünen Nachbau eines Eisenbahnschuppens zu zielen, weswegen ich den Schlag in das legendäre Road Hole immer vom falschen Fairway spielen musste.

Old Course Reversed:

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ES WÄRE FANTASTISCH, EIN TURNIER ZU SPIELEN, BEI DEM MAN ZWEI RUNDEN IN EINE UND ZWEI IN DIE ANDERE RICHTUNG SPIELT.
RICHIE RAMSAY
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Umso verlockender war es, als ich hörte, dass zum 50. Geburtstag des St. Andrews Links Trust eine alte Tradition wiederbelebt und der Old Course rückwärts gespielt wird. Nicht nur, dass es auf der Welt nur wenige Menschen gibt, die den altehrwürdigen Links auf diese Weise spielen durften, die Kursführung im Uhrzeigersinn sorgt auch dafür, dass mir der nervenzerreißende Abschlag vom Tee der 17 erspart bleibt. Entsprechend optimistisch stelle ich mich am Osterwochenende der Edelversion eines Querfeldein-Turniers - und erlebe gleich am zweiten Loch eine böse Überraschung. Ein kapitaler Slice in Kombination mit kräftigem Wind von rechts führt dazu, dass ich mit zitternden Knien sehe, wie der Abschlag immer weiter Richtung Hotel kurvt, bevor er gegen die oberste Kante der als Ausgrenze fungierenden Steinmauer prallt und zurückspringt. Doch die Erleichterung wandelt sich schnell in Panik, als ich zu meinem Ball gehe. Um den Ball auf mein zweites, im Normalfall das 16. Grün zu spielen, gibt es nur eine Möglichkeit: Der Ball muss über den grünen Eisenbahnschuppen fliegen. Manche Dinge ändern sich einfach nie, ganz egal in welche Richtung man im "Home of Golf" spielt.

Dass es überhaupt möglich ist, den Old Course reversed zu spielen, liegt an seiner einzigartigen Architektur. Bei so gut wie keinem deutschen Golfplatz wäre es möglich, die Abfolge der Bahnen einfach umzudrehen. Entweder liegen die Löcher 1 und 18 bzw. 9 und 10 zu weit auseinander oder Baumreihen erweisen sich als ebenso unüberwindbare Hindernisse wie der Türsteher vor der Edel-Disco. In St. Andrews hingegen existieren diese Probleme nicht. Bäume sind so rar wie die Zahl der Nüchternen im "Jigger Inn", und weil 14 Löcher auf Doppelgrüns gesteckt sind, ist es ein Leichtes, das Routing umzukehren. Der heute populäre Ablauf entgegen dem Uhrzeigersinn ist dabei eine eher späte Entwicklung. Bis Old Tom Morris 1870 die Grüns der 17 und der 1 trennte, wurde der Platz nur in einer rechtsdrehenden Abfolge gespielt, danach wechselte sich das Routing im Wochenrhythmus ab, um den Rasen zu schonen. Dass sich am Ende in guter britischer Tradition der Linksverkehr durchsetzte, hatte vor allen Dingen Sicherheitsgründe. Weil die meisten Spieler nach rechts slicen, flogen bei diesem Routing die Bälle eher von der Mitte weg. Sämtliche großen Turniere wurden deshalb auch gegen den Uhrzeigersinn gespielt - mit einer einzigen Ausnahme. Die Amateur Championship 1886 startete in einer Woche, in der planmäßig rechtsherum gespielt wurde. Als die Veranstalter ihren Fauxpas bemerkten, waren die ersten Matches schon auf der Runde und so ist Horace Hutchinson bis heute der unangefochtene Rechts-Experte von St. Andrews.

Old Course Reversed: 'Zum 100. Mal: Ich kann dir keinen Tisch besorgen, Gordon Ramsay ist nicht mein Bruder'Old Course Reversed: 'Zum 100. Mal: Ich kann dir keinen Tisch besorgen, Gordon Ramsay ist nicht mein Bruder'
'Zum 100. Mal: Ich kann dir keinen Tisch besorgen, Gordon Ramsay ist nicht mein Bruder'
In den Jahrzehnten danach geriet die Runde im Uhrzeigersinn immer mehr in Vergessenheit und wurde zum Schluss nur noch für ein Spaßturnier am St. Andrews Day Ende November reaktiviert. Je rarer sich die Runde machte, desto mythischer wurde ihr Ruf. "Ich wollte immer mal den Old Course rückwärts spielen, bevor ich sterbe", verriet Tiger Woods einmal. Als Ende März für drei Tage die Möglichkeit bestand, war der 15fache Major-Gewinner allerdings nicht zu sehen. Zwei andere Profis ließen sich die Gelegenheit dagegen nicht entgehen. Masters-Sieger Sandy Lyle, der anfangs nur auf der Warteliste stand, rückte ins Feld und trat am Samstag bei idealen Bedingungen mit Hickoryschlägern an, während sein Landsmann Richie Ramsay das Pech hatte, wie ich am Montag zu spielen und dabei mit 50 km/h Wind, Regen und eisiger Kälte konfrontiert zu sein. Als ich den vierfachen European-Tour-Sieger frage, wie er die widrige Runde empfunden hat, kommt das Wetter mit keinem Wort zur Sprache. Auch bei ihm überwiegt der Eindruck, Teil etwas ganz Besonderen gewesen zu sein: "Es war ein enormer Spaß. Das Fantastische am Reverse Routing ist, dass ich exakt wusste, wo ich bin, und zur gleichen Zeit völlig orientierungslos war. Wenn man den Platz so oft wie ich gespielt hat, fühlt man sich so sicher, dass das Gehirn fast abschaltet. Aber rückwärts gespielt fördert es das Denken. Und jeder Kurs, der einen dazu bringt nachzudenken, ist unterhaltsamer und herausfordernder - besonders für bessere Spieler."

Old Course Reversed: Anfängerfehler: das Kanu fürs Wasserpolo zu Hause vergessen
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Das zeigt sich gleich auf der ersten Bahn. Wie gewohnt schlage ich direkt vor dem Clubhaus des R&A ab, aber das Ziel ist nicht das erste Grün, sondern das Grün des legendären Road Hole auf der 17. Wie schmal das breiteste Fairway der Welt dadurch wird, sehe ich bei meinen Mitspielern. Der erste schlägt einen Quick Hook zwischen die parkenden Autos auf "The Links", der zweite spielt sein Driving Iron perfekt in Richtung 17 - nur um den Ball im Swilcan Burn versinken zu sehen, der sich auf dieser Seite 50 Meter weiter vorne durch das Fairway zieht. Ich versuche also, meinen Drive so zu spielen, als wäre das Grün der 1 mein Ziel, und habe anschließend einen simplen Wedge-Schlag vor mir, weil der Greenkeeper gnädig war und die Fahne im vorderen Teil des Grüns platzierte. Doch eines ist klar: Muss die Annäherung über den Road-Hole-Bunker gespielt werden, ist dies einer der größten Zitterschläge, die man sich vorstellen kann. "Vom ersten Tee zum 17. Grün ist eine unglaubliche Bahn", bestätigt auch Richie Ramsay. "Überhaupt waren unsere Front Nine brillant, weil dort alles kurz gemäht ist."

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