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Stroke of Genius

Shaun Micheel 2003

Von Jan Langenbein

Shaun Micheel ging als One-Hit-Wonder in die Golfgeschichte ein. Die Story hinter dem einzigen Triumph des Amerikaners - besiegelt durch einen Schlag für die Ewigkeit - ist herrlich kitschig und tragisch zugleich.

Ort: Oak Hill Country Club, East Course, New York (USA) Turnier: PGA Championship Datum: 17. August 2003 Schläger: Eisen 7

Ausgangssituation


Shaun Micheel war 34 Jahre alt, seit elf Jahren Golfprofi, die Nummer 245 der Weltrangliste, noch ohne Turniersieg und spielte sein drittes Major: "Zu Beginn der Woche wollte ich nur den Cut überstehen, doch am Ende des zweiten Tages lag ich in geteilter Führung." Micheels Gedanken kreisten von nun an um den Sieg, die Tourkarte und seine Zukunft - bis er vor Nervosität Bauchschmerzen bekam. Vor der Finalrunde griff er in die Psycho-Trickkiste. "Meine Frau Stephanie trug eine pinke Bluse. So konnte ich sie trotz der vielen Zuschauer gut erkennen, wenn ich abzuschweifen drohte. Das hat geholfen."

Finalrunde


Micheel ging schlaggleich mit seinem ebenfalls noch sieglosen Landsmann Chad Campbell auf die letzte Runde. Nach einem ständigen Auf und Ab hatte Micheel vor der 17 zwei Schläge Vorsprung - nach einem Bogey vor dem finalen Showdown nur noch einen. Auf der 18 (Par 4, 441 Meter) verfehlte sein Drive das Fairway links um wenige Zentimeter. Die Lage im First Cut war trotzdem gut. "Mit 160 Metern war es die perfekte Entfernung. Ich musste nicht nachdenken, sondern nur mein Eisen 7 nehmen und es so gut schlagen wie schon die ganze Woche." Ein Zuschauer rief ihm zu: "Mach es nicht wie Van de Velde!"

Traumschlag


Hut ab vor dem, der in dieser Gemengelage unter solch immensem Druck solch einen Zauberschlag rauslässt: Nach dem Micheel den Ball gen Grün geschlagen hatte, rief sein Caddie Bob Szczesny: "Be right!" "Alle dachten, ich hätte das gerufen. Dabei habe ich mich gewundert, warum er das tat. Er hatte das noch nie getan." Der Ball schlug auf dem Grün auf und rollte bis auf fünf Zentimeter ans Loch heran. "Ich sagte zu Bob, dass ich nicht glauben konnte, dass ich gerade ein Tour-Event gewonnen hatte. Er antwortete: 'Das ist kein Tour-Event, das ist ein Major.' Und ich hatte wirklich verdient gewonnen."

Augenzeugen


Die Zuschauer auf den voll besetzten Tribünen drehten ekstatisch durch, als der Ball beinahe ins Loch gefallen wäre. Micheel selbst schleuderte nur einmal kurz den rechten Arm mit geballter Faust in die Luft und blieb ansonsten erstaunlich ruhig. Rührend anzusehen, wie Shauns Eltern sich vor dem Bildschirm freuten. Ebenso wie er anschließend am Grünrand seine hochschwangere Frau Stephanie umarmte und ihr einen Kuss auf den Bauch gab. "Danach habe ich 20 Minuten gebraucht, um die Scorekarte auszufüllen, weil ich sicher sein wollte, dass mir da kein Fehler unterläuft."

Nachspiel


"Das war der eine Glanzmoment in meinem Leben", verriet er Jahre später. Shaun Micheel gewann kein zweites Mal. "Ich wollte den Sieg unbedingt bestätigen. Jeder Schlag bedeutete von da an Leben und Tod. Das hat mein Leben lange Zeit schwierig gemacht." Heute ist er damit im Reinen. "Kein Kauf könnte mir so viel Befriedigung verschaffen wie dieser Schlag ins Grün." Am Ort des Geschehens erinnert in Oak Hill seither eine Plakette mit seinem Namen an diesen genialen Moment. Das 7er-Eisen ziert heute noch voller Stolz sein Zuhause. Eine Anfrage der World Golf Hall of Fame hat er höflich abgelehnt.

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