Ein Blick auf Brysons Statistiken zeigen jedoch, dass sich das kurze Spiel in den vergangenen Monate zu seiner größten Schwachstelle entwickelt hat. Während er mit seinen Abschlägen pro Runde statt zuvor 1,3 nun 5,4 Schläge gegenüber dem Rest des Feldes gutmacht, hat sich dieselbe Statistik für die Schläge rund ums Grün von 1,2 auf -0,2 Schläge verschlechtert. Im Moment verliert DeChambeau im kurzen Spiel gegenüber der Konkurrenz also an Boden. Seinen Sieg bei der Rocket Mortgage Classic in Detroit sicherte er sich mit einer durchschnittlichen Drive-Länge von 320 Metern und einem halbwegs funktionierenden Putter.
MAJOR DECHAMBEAU?
Beefy Bryson ist also trotz gehöriger Längenvorteile schlagbar, auf mögliche Verletzungen wie Ermüdungsbrüche oder Muskelfaserrisse durch zu viel oder falsches Training sollte die Konkurrenz jedoch nicht hoffen. "Im extremen Schnellkraftbereich wird die Muskulatur viel leistungsfähiger und die Kräfte, die der Muskel erzeugt, ziehen mehr an den Sehnen", erklärt Dr. Sebastian Gehlert. "Es kann sein, dass der Muskel dadurch verletzungsanfälliger wird, andererseits hilft eine große Muskelmasse im Rumpf, bei den komplexen Rotationen gegenzusteuern und Verletzungen zu vermeiden."

Ob die US Open Ende September Schauplatz des ganz großen Durchbruchs werden, ist fraglich. Schließlich muss sich das Rough dort keinen Dopingkontrollen unterziehen und die Grüns des West Course im Winged Foot Golf Club sind mit ihren tiefen Kratern und schwer einzuschätzenden Wellen ein ganz anderes Kaliber als die Tanzflächen der PGA Championship. Dennoch zählt Bryson DeChambeau für die amerikanischen Buchmacher auch bei der US Open zu den Top-Favoriten.
Noch scheint er sich an die neuen Realitäten seiner physischen Möglichkeiten gewöhnen zu müssen: "Ich habe bereits vor der Pause gesagt, dass ich als anderer Mensch zurückkommen werde - größer, stärker, schneller. Das ist mir gelungen. Beim Training in Dallas habe ich Ballgeschwindigkeiten von mehr als 200 Meilen pro Stunde erreicht, was für mich vor Kurzem noch absolut undenkbar war. Es fühlt sich verrückt an, macht aber auch jede Menge Spaß." Sollten sich diese rohen Kräfte bald nicht mehr verrückt und nahezu unkontrollierbar anfühlen, müssen sich wohl nicht nur die Konkurrenten auf der Tour warm anziehen, sondern der Ende der 90er-Jahre geprägte Begriff "Tiger-Proofing" wird ein Update erfahren.
Auf die neue Realität im Profigolf und den scheinbaren Sieg der rohen Kraft und schnöden Physik über die einst notwendige Kunstfertigkeit und den sprichwörtlichen Touch angesprochen, zeigte sich Rory McIlroy jedoch völlig unbeeindruckt: "Der Trend auf der Tour im Moment, angeführt von Bryson und Tony, ist nicht zu übersehen. Am Ende bin ich jedoch davon überzeugt, dass die Künstler unter den Profis immer gewinnen werden."
Bryson selbst hat derweil seine Ziele bereits ganz neu gesteckt und plant, "130 bis 140 Jahre alt zu werden. Ich glaube wirklich, dass dies mit heutiger Technologie möglich ist", wie er "GQ" in einem Interview verriet. Ob als T-1000 oder Bewohner eines Borg-Würfels ließ er allerdings offen.