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Porträt

Emma Spitz kämpft sich an die Spitze

Von Johannes Oberlin, Fotos: Tino Dertz

Beim Amundi German Masters 2024 musste sich Emma Spitz erst am zweiten Extra-Loch geschlagen geben. Dennoch steht ihr eine große Karriere bevor. Ein Porträt der Österreicherin. (Text: Rüdiger Meyer)

Als wir am Mittwoch beim Pro-Am des Amundi German Masters mit Emma Spitz spielen, ist die Österreicherin sich noch nicht ganz sicher, was sie von ihrer zweiten Saison auf der Ladies European Tour halten soll. Die 24-Jährige hat jeden Cut geschafft, aber meistens nur eine Platzierung um Rang 20 eingefahren. "Ich bin eine konstante Spielerin und es fehlen nur Kleinigkeiten. Hier mal ein kleiner Fehler, da mal ein verschobener Putt, und das ist dann zu viel, um ganz vorne zu landen. Aber es fehlt nicht viel, dass mal diese eine Woche dabei ist." Da ahnte sie noch nicht, dass genau diese Woche in Berlin fehlen sollte. Zwar fehlte wieder eine Kleinigkeit - genauer gesagt ein Millimeter, der ihr Eisen an der vorletzten Bahn zum Hole-in-One statt wieder aus dem Loch katapultiert hätte. Doch mit ihrer knappen Playoff-Niederlage gegen ihre beste Freundin Alexandra Försterling, die wie eine Maschine im Playoff spielte, fuhr Emma Spitz zumindest die beste Platzierung ihrer Karriere ein. Zwar flossen nach dem zweiten Extra-Loch Tränen, aber Försterling, die sie seit mehr als zehn Jahren kennt, fand die richtigen Worte: "Der erste Sieg ist schwierig, aber Du schaffst das. Vertrau mir!"

Dass die Woche speziell sein würde, war schon am Mittwoch zu sehen. Bei stürmischen Bedingungen traf Emma Spitz jedes Fairway und spielte jeden Annäherungsschlag wie an der Schnur gezogen auf die Fahne. "Meine Stärke ist, dass ich mir keine groben Fehler erlaube. Doppelbogeys sind relativ selten bei mir", erklärt Spitz ihr Spiel. "Dafür habe ich allerdings auch nichts womit ich alles rausreißen kann, weil ich darin so dominant bin."

Der Golfplatz ist ihr Wohnzimmer


Die sympathische Niederösterreicherin hat dank örtlicher Nähe mit Golf angefangen. "Wir wohnen hinter dem elften Abschlag des Golfplatzes, aber nur weil meine Eltern außerhalb der Stadt wohnen wollten. Und dann bin ich zufällig über Leute aus meiner Schule, die bei uns gespielt haben, dazu gekommen." Der Auftakt für eine beeindruckende Amateurkarriere, die sie 2018 zu einem Sieg bei der Girls Amateur Championship und bis auf Platz 5 des World Amateur Golf Rankings führte. Als sie 2022 ins Profilager wechselte, schien der Wechsel ein Kinderspiel zu sein. "Am Anfang habe ich bei sieben Einladungen gleich vier Top 10s gemacht und dachte mir so, das geht immer so weiter. Das war dann leider nicht so. Das letzte Jahr war nicht schlecht, aber es ging dann doch nicht immer so einfach", erzählt sie über ihr Rookie-Jahr auf der LET, das sie mit Platz 53 im Ranking und dem Erhalt der Tourkarte beendete. Dennoch war es nicht immer leicht: "Es ist schon anders, wenn man fast 30 Wochen im Jahr unterwegs ist und man sich gefühlt keine schlechten Wochen erlauben kann. Es gibt Spielerinnen, die können vier Cuts verpassen und dann in der fünften gewinnen, aber so schätze ich mich nicht ein. Gerade, weil mein Spiel auf Konstanz aufgebaut ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass bei mir nach vier verpassten Cuts das Selbstbewusstsein besonders hoch ist."

Folgerichtig erfolgte ihr bisher größter Erfolg beim Amundi German Masters auch in einer anstrengenden Spielphase. Letzte Woche war sie noch in Korea start, erst am Montagnachmittag kam sie in Berlin an und ließ es am Dienstag etwas ruhiger angehen, um den Jetlag loszuwerden. Zumal sie nach dem LET-Turnier auch noch für die US Open Qualifikation, die am Montag im Golfclub Seddiner See stattfindet, gemeldet ist. Für die fast 80 Teilnehmerinnen gibt es nur zwei oder drei Startplätze für die US Women's Open, aber Spitz hat bereits letztes Jahr mit einem Sieg und dem geschafften Cut in Pebble Beach bewiesen, dass sie das Zeug dazu hat. Anschließend geht es nach Frankreich zum nächsten LET-Turnier. "Man muss in den ersten Jahren auf der Tour ein wenig für sich herausfinden, wieviel man spielen kann. Einige spielen acht Wochen durch, das wäre gar nichts für mich. Danach würde ich nie wieder Golf spielen", kommentiert Spitz ihren Kalender lachend. "Mir ist vor allem wichtig, zwischendurch zwei Wochen Pause nehmen zu können, weil ich dann wirklich mal fünf Tage frei habe und mich trotzdem noch eine Woche auf die nächsten Turniere vorbereiten kann."

Psychologisch geschult


Ihre mentale Stärke, die sie in der Finalrunde und auch im Playoff noch einmal unterstrich, verdankt sie auch ihrer Zeit in den USA. Mit einem Stipendium spielte sie für die UCLA Bruins Golf, was sie nicht nur sportlich vorangebracht hat: "Die persönliche Entwicklung steht fast noch mehr im Vordergrund. Auch wenn einem von der Uni sehr sehr viel geholfen wird, muss man sich selbst organisieren lernen. Das war eine gute Vorbereitung aufs Leben, weil ich sechs Monate am Stück alleine dort war und hier auf der Tour ist man ebenfalls das halbe Jahr unterwegs." Ihr Hauptfach war Psychologie, was auf dem Platz durchaus helfen kann und sie dazu gebracht hat, sich auch der Zusammenarbeit mit Sportpsychologen zu öffnen. "Ich hatte davor immer Angst, mit jemandem darüber reden, woran ich auf dem Golfplatz denke, weil ich dachte, dass ich dann noch mehr darüber nachdenke." Jetzt hat sie die psychologische Hilfe immer griffbereit. "Mein jetziger Trainer hat auch Psychologie in den USA studiert und ist nicht nur mein Golftrainer sondern ein bisschen auch Lifecoach."

Wie jede Profigolferin zieht es natürlich auch Emma Spitz in die USA. "Mein Ziel war lange Zeit nur Amerika, Amerika. Ich habe es letztes Jahr auch bei der Qualifying School versucht und es war sehr knapp. Aber mein nächstes großes Ziel ist es, in Europa zu gewinnen. Unsere Tour wird immer stärker." Dass ihr früher einmal verkündetes Ziel, die Nummer 1 der Welt zu werden, nicht illusorisch ist, bewies sie bei der Augusta National Women's Amateur, wo sie sich bei allen drei Teilnahmen für die Finalrunde auf Augusta National qualifizierte. Nach einer 80 beim Debüt des Turniers, schrammte sie 2020 nur knapp am Sieg vorbei. "Im ersten Jahr sind auch so viele Eindrücke auf einen eingeprasselt, zumal es auch das erste Mal war, dass das Turnier ausgetragen wurde. Und im zweiten Jahr war ich ganz alleine da, weil es während Corona war und das war eine der besten Wochen. Nicht, weil ich es nicht mag, wenn jemand dabei ist, aber ich konnte alles für mich selber so wahrnehmen. Zudem hatte ich hatte beim zweiten Mal einen Local Caddie, das hat auf jeden Fall geholfen." Dabei ließ sie mit Maja Stark, Rose Zhang und Linn Grant drei Frauen hinter sich, die aktuell in den Top 30 der Welt sind.

Großes Ziel: Olympia


"Das zeigt mir, dass ich das Niveau auch erreichen kann", ist sich Spitz sicher, weiß aber auch, dass man es nicht erzwingen kann. "Wie in jedem Sport ist nie etwas garantiert und wie man sich entwickelt, weiß man nicht. Die einen sind Schnellstarter, andere brauchen etwas länger. Es ist auf jeden Fall eine Motivation zu wissen, dass das möglich ist, aber man darf sich auch nicht zu sehr unter Druck setzen." Erst einmal geht es ihr darum, sich für die Majors zu qualifizieren wofür der zweite Platz beim Amundi German Masters schon mal ein kleiner Schritt ist. Was sie auf jeden Fall dadurch bereits erreicht hat, ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris. "Ich denke, dass Olympia auch im Golf immer mehr ein großes Event wird. Wenn ich jemandem sportfremden sage, ich spiele auf der LET, wird das denen nichts sagen. Aber wenn ich sage, ich mache bei den Olympischen Spielen mit, dann wissen sie, dass ich zur Elite gehöre." Eine erste olympische Erfahrung hat sie bereits 2018 mit einer Bronzemedaille bei den Youth Olympics gesammelt. Bei die Frage, ob daheim noch Platz für eine weitere wäre, setzt Emma Spitz wieder ihr einnehmendes Lachen auf: "In unserer neuen Wohnung ist sehr viel Platz für eine neue Medaille." Nach der Leistung im heutigen Finale ist dies absolut nicht illusorisch.

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