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Francesco Molinari – Teil 2

War was?

Von Tim Southwell, Fotos: Mike Meyer, Getty Images

Nun bereitet Molinari sich darauf vor, dieses Kunststück in Royal Portrush zu wiederholen. "Nachdem dieser Sieg nun Geschichte ist, weiß ich, was es braucht, abgeholt werden um solch einen Sieg Wirklichkeit werden zu lassen", stellt er klar. "Ich denke, nachdem man ein Major gewonnen hat, wird es aufgrund der Erwartungshaltung noch schwieriger, ein zweites zu gewinnen. Besonders für jemanden wie mich, der aus einem anderen Land kommt. Ich bin nicht einfach ein weiterer amerikanischer Major-Sieger. Diese Tatsache bringt eine Menge Aufmerksamkeit mit sich. [...] Das vergangene Jahr war der Stoff, aus dem Träume gemacht sind. Thomas Bjørn meinte in Paris zu mir: 'Du hast die Erfolge einer großartigen Karriere in einem Sommer erlebt, es hat dich nicht einmal ein Jahr gekostet.' Unglaublich! Ich habe immer davon geträumt, ein Major zu gewinnen, hätte aber nicht gedacht, dass es die Open sein könnte. Als Europäer macht es diesen Sieg noch spezieller. [...] Die Feierlichkeiten in Carnoustie, als alles vorbei war, fielen nicht wirklich ausschweifend aus. Zusammen mit meiner Frau, meinem Caddie, meinem Manager und einigen Freunden hatten wir einfach einen schönen Abend und jeder konnte Geschichten erzählen, die sich während der Woche zugetragen hatten. Ich wollte absolut nicht ins Bett gehen. Alles, was ich wollte, war, die Claret Jug zu betrachten, um auch sicherzugehen, dass dies gerade wirklich passiert war. Ich wollte den Pokal keine Sekunde aus den Augen lassen und habe ihn, als es dann irgendwann tatsächlich Schlafenszeit war, neben mir auf den Nachttisch gestellt, damit er das Erste wäre, was ich am nächsten Morgen sehen würde. Das war ein unbeschreibliches Gefühl! Natürlich möchte ich noch mehr Titel gewinnen. Das wird nicht einfach werden, doch der Schlüssel dazu ist, sich stets weiter zu verbessern. Nach der Open Championship verging die Zeit wie im Flug und plötzlich saßen wir im Flugzeug nach Paris zum Ryder Cup."

Bei all den großartigen Erinnerung an den Ryder Cup 2018 sollte allerdings nicht vergessen werden, dass dies nicht das erste Mal war, dass Francesco Molinari beim Duell der Golfsupermächte Geschichte schrieb. 2010 auf einem vom Dauerregen in ein Schwimmbecken verwandelten Golfplatz im Celtic Manor Resort trat Francesco gemeinsam mit seinem Bruder Edoardo als erstes Bruderpaar in einem Ryder-Cup-Match an, was die Fans in Wales dazu veranlasste, "There's only two Molinaris" zu skandieren. "Ich muss immer noch lachen, wenn ich daran denke!", stellt Francesco mehr als acht Jahre später fest. "Das hat mir damals wirklich geholfen, die Nerven unter Kontrolle zu halten."

Zwei Jahre später, im Medinah Country Club fand er sich im letzten Single Match eines denkwürdigen Sonntags wieder. Der Gegner: Tiger Woods - natürlich. Als Woods auf dem 18. Grün seinem Gegner einen kurzen Putt schenkte und das Match damit teilte, hatte Francesco Molinari den entscheidenden halben Punkt zum größten Comeback der europäischen Ryder-Cup-Geschichte beigetragen und sichergestellt, dass das Ergebnis kein Unentschieden, sondern ein 13,5-zu-14,5-Sieg war.

Francesco Molinari: Blaumann: Der Arbeitstag erwies sich als äußerst erfolgreichFrancesco Molinari: Blaumann: Der Arbeitstag erwies sich als äußerst erfolgreich
Blaumann: Der Arbeitstag erwies sich als äußerst erfolgreich

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DAS VERGANGENE JAHR WAR DER STOFF, AUS DEM TRÄUME GEMACHT SIND. THOMAS BJØRN MEINTE IN PARIS ZU MIR: 'DU HAST DIE ERFOLGE EINER GROSSARTIGEN KARRIERE IN EINEM SOMMER ERLEBT, ES HAT DICH NICHT EINMAL EIN JAHR GEKOSTET.' UNGLAUBLICH!
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Aus Francescos persönlicher Sicht kann es sicher nichts geben, was die drei Tage von Paris in den Schatten stellt, oder? "Ja, ich denke nicht", stellt er rückblickend fest. "Aus meiner Sicht war der Ryder Cup 2018 sogar eine noch größere Sache als mein Sieg bei der Open. Diese beiden Triumphe so kurz nacheinander erleben zu können ist unschlagbar."

Als Team waren Tommy Fleetwood und Francesco Molinari bereits Wochen vor den tatsächlichen Matches ein offenes Geheimnis. Ihren durchschlagenden Erfolg hätte sich Captain Thomas Bjørn in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. "Die hervorragende Stimmung, die im europäischen Team herrscht, war jederzeit spürbar, besonders während der Tage in Frankreich", erinnert sich Francesco. "Tommy und ich sind bereits seit vielen Jahren enge Freunde und auch unsere Frauen verstehen sich sehr gut. Tommy und ich haben mehr gemeinsam, als viele Leute denken würden. Wir haben einen ähnlichen Sinn für Humor und immer eine Menge Spaß, wenn wir gemeinsam unterwegs sind. [...] Wir wollten beide unbedingt miteinander in den Vierern antreten, wo wir dann schnell eine Menge Selbstvertrauen tanken konnten, da wir umgehend gewinnen konnten. Das erste Match war enorm wichtig, da wir die Partie gegen Patrick Reed und Tiger Woods nach Rückstand noch drehen konnten. [...] Bei den Amerikanern fühlt es sich ein wenig so an, als wäre man nicht wirklich auf ihrem Radar, solange man nicht dorthin fliegt und auf ihrem Grund und Boden gewinnt. Das Positive daran ist allerdings, dass es im Moment eine Menge junger Spieler aus Europa gibt, die absolut in der Lage sind, in Amerika zu gewinnen, und die Arbeit, die wir begonnen haben, irgendwann fortsetzen können. [...] Sie haben ein wirklich starkes Team, angeführt von einer großartigen Generation junger Spieler: Jordan Spieth, Justin Thomas, Rickie Fowler. Tony Finau ist ein enorm unterschätzter Spieler. Ich denke aber, die Amerikaner unterschätzen auch ein wenig unsere Generation an Spielern, die sich gerade auf den Weg macht. Jon Rahm ist auch in Amerika längst ein großer Name, aber Tyrrell Hatton und Thorbjørn Olesen sind dort drüben noch unbeschriebene Blätter. Wir wussten, wie stark die Amerikaner sind, und das schärfte unseren Fokus."

Die Open Championship 2019 steht vor der Tür und als Titelverteidiger zählt Francesco Molinari ohne Zweifel zu den Topfavoriten in Nordirland. Wie kam der Überflieger der vergangenen Saison allerdings überhaupt zum Golfsport? Schließlich ist Italien alles andere als eine Golfnation und weitaus berühmter dafür, Fußballstars und Motorsportlegenden zu produzieren.

Den meisten von uns wird wohl während Costantino Roccas legendärem Auftritt bei der Open 1995 bewusst geworden sein, dass auch südlich der Alpen großartige Golfschwünge reifen. Roccas Zauber-Putt aus dem Valley of Sin am 72. Loch der Open Championship auf dem Old Course von St. Andrews brachte John Daly an den Rand einer Niederlage. Mit blondem Vokuhila und im grünen Reebok-Sweatshirt gewann Daly zwar das folgende Play-off, in seinem Heimatland war Rocca jedoch auch mit einem zweiten Platz bei der Open der Held einer ganzen Generation an Nachwuchsgolfern. In einem Vorort von Turin verfolgte auch ein damals zwölf Jahre alter Francesco Molinari gemeinsam mit seinem Bruder am Fernseher, wie ihr Landsmann um ein Haar die Golfwelt schockte. Dieser Sonntag im Juli 1995 war eine prägende Erfahrung für beide Molinaris, die den unbändigen Wusch weckte, es später einmal in ähnliche Höhen wie ihr berühmter Vorgänger zu schaffen. "Wir lagen uns in den Armen und jubelten, als er den langen Putt am 18. Loch versenkte, um das Stechen zu erzwingen", erinnert sich Francesco. "Und wir weinten bitterlich, als er das Play-off verlor. Jeder weiß, dass Costantino mein Held ist, und mein Sieg bei der Open galt ihm genauso wie mir."

Roccas Heldentaten waren zwar so etwas wie Brandbeschleuniger für die Golfkarrieren beider Molinaris, der wahre Grund, warum die beiden Halbstarken allerdings überhaupt zum Golfspiel kamen, waren ihre Eltern. Beide waren besessene Golfer und besonders Vater Paolo gab sich viel Mühe, den jungen und äußerst sprunghaften Francesco für das Golfspiel zu begeistern. Kaum zu glauben, doch der Mann, der heute absolut abgeklärt auf dem Golfplatz agiert und dabei cooler wirkt als Jeffrey Lebowski persönlich, war vor seiner Profikarriere ein echter Heißsporn.

War was?
"Als Kind flog oft der Schläger oder ich habe geflucht wie ein Matrose, wenn mir etwas nicht gepasst hat", erinnert er sich zurück. "Wenn mein Vater mich dabei beobachtete, wie ich den Schläger schmiss, gab es für mindestens eine Woche lang Golfverbot. Das war seine Strafe dafür, dass ich mich auf dem Golfplatz nicht anständig benahm. Ich bin heute wirklich froh darüber, dass ich diese Lektion bereits als Kind gelernt habe."

Costantino Rocca erinnert sich heute noch an sein erstes Aufeinandertreffen mit dem sichtlich begabten Bruderpaar aus dem Piemont, denn er war beeindruckt. Ein bisschen zumindest: "Ich kann mich erinnern, von Francescos Spiel vom Tee bis zum Grün sehr angetan gewesen zu sein. Wenn er doch nur im kurzen Spiel nicht so mechanisch gewirkt hätte. Er puttete aus den Schultern und ließ deshalb viel zu viele seiner Putts zu kurz. Heute sind seine Puttbewegung und sein kurzes Spiel viel freier, flüssiger und er verfügt über all die Werkzeuge, die ein Champion benötigt."

Selbstverständlich schloss sich im Juli 2018 der Kreis, denn dieses Mal saß Costantino Rocca gebannt vor dem Fernseher: "Ich konnte die letzten vier Löcher verfolgen, denn mein Sohn und ich reisten an diesem Tag zusammen nach Schottland. Ich war kein bisschen nervös, denn ich sah, wie gut Francesco den Ball traf und wie perfekt sein Schwung funktionierte. Was mir an seinem Spiel immer am besten gefallen hat, war seine mentale Einstellung. Ich nenne das die ,Francesco-Attitüde', mit ihr kann er sicherlich noch weitere Major-Turniere gewinnen.

Im Rückblick auf die Open Championship 2018 kann Francesco Molinari nicht bestreiten, dass die Tatsache, an der Seite von Tiger Woods zu spielen, so etwas wie die Kirsche auf einem perfektes Wochenende war. "Es ist schon komisch, wenn man bedenkt, wie oft Tiger in die wichtigsten Momente des italienischen Golfsports verwickelt war. Ich erinnere mich noch gut an Costantinos Sieg beim Ryder Cup 1997 über Tiger. Das war damals in Italien eine enorme Sache und schaffte es auf die Titelzeilen der Tageszeitungen. Mein halbiertes Match gegen Tiger in Medinah 2012 natürlich ganz genau so."

Doch all diese Heldentaten liegen längst in der Vergangenheit. Francescos Fokus ist ausschließlich gen Zukunft gerichtet und sein Ziel ist klar markiert: die erste erfolgreiche Titelverteidigung bei der Open Championship seit Padraig Harrington 2008. "Ich sehe die Claret Jug jeden Tag, wenn ich zu Hause bin, und kann nicht genug davon bekommen. Das ist für mich Ansporn genug, immer weiter an mir zu arbeiten und zu versuchen, so viele Turniere wie möglich zu gewinnen. Eine Titelverteidigung bei der Open? Man kann nie wissen. Man darf nicht vergessen, dass ich kein junger Hüpfer mehr bin. Deshalb muss ich die Chancen nutzen, die mir noch bleiben."

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