Featured StoriesFeatured Stories

Golfpunks dieser Welt

James 'Jim' Martin Barnes

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Als Teil der 'Lost Generation' wurde Jim Barnes dennoch zu einem der ersten Pioniere im Profi-Golf und prägte seinen Beruf auf beiden Seiten des Atlantiks in der Entstehungsphase der PGA of America.

Die Bilder lernen gerade laufen. Noch gibt es keinen Ton. Nichtsdestotrotz sind die Zeugnisse aus der Zeit eine Erinnerung an die frühe Strahlkraft des Golfsports. Prestwick 1925, Open Championship: Die Zuschauer scharen sich bis zu zehn Reihen tief um einen Mann. Es ist einer der ihren: James "Jim" Martin Barnes. Der hoch aufgeschossene Brite ist drauf und dran, ein weiteres, sein viertes, Major-Turnier zu gewinnen. Sein Kontrahent zerfällt auf der Schlussrunde mit einer 82 und Barnes triumphiert, obwohl er zu Beginn des Tages mit fünf Schlägen Rückstand gestartet war. Nach moderner Zählung, wohlgemerkt. Nach damaliger Sachlage ist es sogar sein neunter Major-Sieg. Randnotiz der Geschichte, gelten doch die längst vergessenen Western Open und North & South Open unter Medienschaffenden und Experten jener Zeit als Majors. Das erste US Masters lässt da noch neun Jahre auf sich warten. Wie dem auch sei, er ist einer der frühen Koryphäen des Sports. Barnes gehört zu den Weltbesten und gewinnt Turniere zu einer Zeit, da Bobby Jones gerade ein junger Teenager ist. Barnes ist es auch, der einen nicht unwesentlichen Teil zu dessen späteren Erfolgen als der überragende Amateur-Golfer und Grand-Slam-Sieger beiträgt. "Bobby, du kannst nicht immer gut spielen", gibt Barnes Jones mit auf den Weg. "Du wirst nie Golfturniere gewinnen, bis du nicht lernst zu scoren, wenn du schlecht spielst." Und dies, so sagt es Robert Tyre Jones jr. einst selbst, sei vermutlich das, was er am besten zu beherrschen lernte.

Prestwick, Schauplatz der 1860 erstmals ausgetragenen Open und 24-mal Gastgeber des ältesten Turniers der Welt. Noch ahnt niemand, dass es die letzte Austragung dort sein wird - bis heute. Jim Barnes ist zu der Zeit bereits seit 1906 Profi und auch seine größten Erfolge liegen bereits einige Jahre zurück, wie später noch Erwähnung finden wird. Er ist die nächste große britische Golfsensation nach Harry Vardon zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dominiert die Zeit um den Ersten Weltkrieg herum.

Golfpunks dieser Welt: Klassenfoto in Chicago: Der größte Teil sitzt im Knast
Klassenfoto in Chicago: Der größte Teil sitzt im Knast

»
DU WIRST NIE GOLFTURNIERE GEWINNEN, WENN DU NICHT LERNST ZU SCOREN.
«

Der später 1,93 Meter große James Barnes wird am 08. April 1886 in Lelant, Cornwall, geboren. Und obwohl er mit 20 Jahren in die Staaten zieht, um dort als Profi-Golfer sein Glück zu finden, bleibt er mit Stolz der britischen Heimat verbunden und nimmt nie die US-Staatsbürgerschaft an. Dominieren heute die Amerikaner die Golfwelt, sind es anfänglich die Briten, die als Entwicklungshelfer des Sports in den Staaten ein gut dotiertes Auskommen bei sogenannten Exhibition Matches finden. Neben den Erwähnten sind hier auch James Braid oder Ted Ray zu nennen. Mit den 1895 zum ersten Mal ausgespielten US Open und dem Sieg des US-Amerikaners John McDermott 1911 gewinnt das Turnierformat an Prestige. So werden anfänglich vor allem in Florida, Texas und an der Westküste vermehrt Turniere ausgetragen, sodass sich allmählich eine Tour bildet. Zu den profiliertesten Siegern in dieser Anfangsepoche gehört nun eben Jim Barnes, dem 21 Siege zugerechnet werden. Den offiziellen Namen PGA Tour erhält der Golfzirkus jedoch erst im Zuge des nächsten großen Golf-Booms und des gesteigerten Geldflusses durch vermehrte Fernsehübertragungen in den 1960er-Jahren; das Label manifestiert sich im Jahr 1975. Jedenfalls ist die PGA Tour nun nicht zu verwechseln mit der PGA of America, der Vereinigung professioneller Golfer in den Staaten, eine heute 28.000 Mitglieder starke Organisation der Golf-Professionals. Und die haben ihr eigenes Major-Turnier: die PGA Championships, deren Anfänge Jim Barnes im entscheidenden Maße mitbestimmt.

Aber der Reihe nach: Wie zu der Zeit üblich arbeitet Jim Barnes in einem Pro-Shop und als Golflehrer. Turniere bilden in jener Zeit nicht das Hauptauskommen. Eine wie auch immer geartete zentrale Vereinigung oder Organisation der Profi-Golfer auf Clubebene oder Tourniveau gibt es noch nicht. Auf Initiative von Lewis Rodman Wanamaker, einem Geschäftsmann aus dem Großraum New York, bildet sich nun die Vereinigung professioneller Golfer in Amerika und wird am 10. April 1916 von den 78 Gründungsmitgliedern - 28 von ihnen sind außer halb der USA geboren - aus der Taufe gehoben. Dazu stiftet er die bis heute nach ihm benannte Wanamaker Trophy und spendiert ein erstes Preisgeld von 2.500 Dollar: Die PGA Championship ist geboren und wird nur sechs Monate nach ihrer Gründung zum ersten Mal ausgetragen. Von seiner Initiative verspricht sich der Magnat eine Umsatzsteigerung seiner eigenen Golfprodukte und geht bewusst in Konkurrenz zu der damals führenden Company, der A.G. Spalding & Bros.

Golfpunks dieser Welt: Optimierungswürdig: Golfhandschuhe anno 1920 (l.)Golfpunks dieser Welt: Optimierungswürdig: Golfhandschuhe anno 1920 (l.)
Optimierungswürdig: Golfhandschuhe anno 1920 (l.)
Unter den 32 Spielern, die antreten, sind auch Barnes sowie der spätere Rekordsieger Walter Hagen (5 Siege), der aber erst 1921 das bis 1958 im Match-Play-Format ausgespielte dritte moderne Major gewinnt. Bei der Erstausgabe steht der 30-Jährige aus Cornwall im Fokus. Spielt er sich souverän durch die K.o.-Runden, findet er sich nach den ersten 18 Loch im Finale mit einem Loch gegen Jock Hutchison im Rückstand. Nachdem Barnes den Zuschauern vergnüglich erzählt hat, dass er nach dem Mittagessen immer besser spiele als am Morgen, liegt er nach 27 gespielten Bahnen 1up. Mit drei zu spielenden Löchern allerdings liegt erneut der Schotte in Führung, nur um am vorletzten Loch einen vorentscheidenden Putt aus eineinhalb Metern danebenzuschieben. Dieses Missgeschick widerfährt ihm auch auf dem 36. Grün des Tages. Jim Barnes locht hingegen und reckt so die nagelneue Trophäe als Erster in den Himmel über dem Siwanoy Country Club in Bronxville, NY. Ein gelungener Start, das Turnier wird gut angenommen und gewinnt rasch an Prestige. Dass viele Club-Pros mitspielen, ist bis heute Bestandteil des Charmes des Turniers; immer wieder überrascht einer die arrivierten Tourspieler wie jüngst Michael Block bei der diesjährigen 105. Ausgabe im Oak Hill Country Club.

Jim Barnes kann seinen Premierentitel im folgenden Jahr nicht verteidigen. Die Ur-Katastrophe des Ersten Weltkriegs führt zu Absagen in den Jahren 1917 und 1918. Erst 1919 findet die zweite Ausgabe statt, wieder sichert sich Jim Barnes die Trophäe. Diesmal setzt er sich in einem weniger spannenden Match erneut gegen einen Schotten, seinen guten Freund Fred McLeod, mit 6&5 durch. PGA Championship, The Open, zwar spielt er nie in Augusta, doch auch so setzt er sich ein weiteres kleines Denkmal in der Golfgeschichte. Denn auch die US Open kann der Schlaks mit dem hageren Gesicht auf seinen Briefkopf schreiben. 1921 düpiert er das Feld im Columbia Country Club mit neun Schlägen Vorsprung. Ein Rekord, den erst Tiger Woods 2000 in der magischen Woche von Pebble Beach bricht (15 Schläge). Jim Barnes ist damit nur einer von acht Golfern, die zumindest diese drei der vier Majors gewinnen konnten, und nur einer von drei Briten, denen dies gelingt. Die anderen beiden: Tommy Armour und Rory McIlroy. Ein bisschen Trivia am Rande und Alleinstellungsmerkmal ist der Fakt, dass er seine US-Open-Trophäe vom damaligen amtierenden US-Präsidenten Warren Harding überreicht bekommt. Damit ist Barnes der Einzige, dem diese Ehre zuteil wird. 1916, 1919, 1921, 1925 - seine Major-Siege sind Marksteine einer der großen frühen Karrieren in einer sich entwickelnden Golf-Welt der USA in einer Gemengelage aus Tour-Pros, den Club-Professionals und der Industrie im Fokus der Presse. Ein letztes spielerisches Ausrufezeichen setzt er, als er mit bereits 53 Jahren - er ist der erste Ü50-Sieger - die New Jersey Open 1939 und damit sein letztes Turnier gewinnt.

Golfpunks dieser Welt: Ernste Sache: als Hölzer noch aus Holz waren
Ernste Sache: als Hölzer noch aus Holz waren
Bahnbrechend ist er mit seinem Buch "Picture Analysis of Golf Strokes", dem meistverkauften Lehrbuch jener Zeit. Was heute gang und gäbe ist, nämlich die Schwungsequenzen einzeln in Fotos festzuhalten mit den entsprechenden Erklärungen, ist zum Zeitpunkt des Erscheinens 1919 durchaus revolutionär. "Sein Finish ist Modell und Vorbild für einen großen Mann, der geneigt ist, sich zu früh nach oben zu strecken, nachdem der Ball getroffen ist." So beschreibt es Bernard Darwin. Und weiter: "Alles, was er tut, ist angenehm anzuschauen." Jim Barnes, ein ruhiger, aber verbissener Wettkämpfer. Kantiges Gesicht, wildes Haar, oft mit einem kleinen Zweig Klee oder Gras zwischen den Zähnen, dazu Hosen anstatt der "Knickers" - old school eben. Es sind diese Bilder aus einer anderen Epoche, verewigt in der World Golf Hall of Fame neben weiteren Pionieren seiner Zunft: Gene Sarazen, Walter Hagen oder eben jenen Jock Hutchison. Jim Barnes, wahrlich eine Legende aus einer Zeit, als die Bilder laufen lernten.

Featured Stories