Was hätte sie auch noch beweisen sollen? Als einzige Golferin hält sie zeitgleich alle vier Majors, spielt die niedrigste Runde (62), ihr gelingt das größte Comeback (10 Schläge), sie spielt die meisten Birdies (9), dazu niedrigster Schlagdurchschnitt über eine ganze Saison (5x) und die meisten Siege in einem Jahr (13), Aufnahme in die World Golf Hall of Fame und so weiter, die Liste ließe sich um ein Vielfaches verlängern. Herbert Warren Wind beschreibt sie als "großes (1,75 m), gut aussehendes Mädchen, das den Ball mit der gleichen entschlossenen Handbewegung schlug, die die besten männlichen Spieler nutzen. Ihre Schlagbewegungen verschmolzen nahtlos mit dem Rest ihres Schwungs, der dem von Hogan insofern ähnelte, als dass sein zusammenhängendes Timing den Aufwand verschleierte, der darin steckte".
»ES GAB NIE EINE ZEIT IN MEINEM LEBEN, IN DER ICH NICHT AN MEINEM SCHWUNG GEARBEITET HÄTTE.«
"Es gibt einen Unterschied zwischen gut spielen und den Ball gut treffen. Letzteres macht nur 30 Prozent aus. Der Rest ist, sich auf die verschiedenen Situationen auf dem Platz einstellen zu können." Es ist eines ihrer seltenen Bonmots. Oder wie sie es einmal beschreibt: "Ich habe das Gefühl, als hätte ich meinen ganz eigenen Master-Abschluss in Psychologie durch Studium und Erfahrung, Versuch und Irrtum auf Golfplätzen in den Vereinigten Staaten erworben. Denn Psychologie gehört zu gutem Golf ebenso dazu wie ein effizienter Schwung."
Ihr Wettkampfgeist komplementiert ihren Schwung perfekt. Später einmal spricht sie über die "größten Gewinner" im Golfsport, nennt Hogan, Nicklaus, Jones und freilich Tiger. Alle hätten sie einen fantastischen Schwung gehabt, allerdings sei ihr innerer Antrieb unerreicht. Auf die Frage, ob sie sich in diese Liste einreihen würde, antwortet sie knapp: "Ja, das würde ich!" Kein Wunder, so scheu sie außerhalb des Platzes die Ruhe sucht, so sehr will sie gewinnen und beschreibt dies als das beste Gefühl, das es für sie gebe. Und das zweitbeste? Ein hohes 2er-Eisen in ein gut beschütztes Grün.
2017 gibt Mickey in ihrem Refugium Port St. Lucie im Alter von 82 Jahren "GolfDigest" ein seltenes und ausführliches Interview. Es ist mehr ein Gespräch und erlaubt erstaunliche Einblicke, lüftet ein wenig den Vorhang hinter dem Mythos und ist eine Pflichtlektüre für Golf-Aficionados! So spiele sie immer noch Golf für sich, tüftele am Schwung. Von ihrer Veranda aus schlage sie nach ihrem Rücktritt von einer Matte Bälle auf das Fairway der 14 des Golfplatzes, auf dem sie lebe. Fünf oder sechs Stück seien es zu diesem Zeitpunkt noch, gerade genug, "um Golfer zu bleiben", wie sie sagt. Matte, Bälle, Schläger und die Versuchung seien einfach zu groß. Und: Sie werkele an ihrem Schwung. "Es gab nie eine Zeit in meinem Leben, in der ich nicht an meinem Schwung gearbeitet hätte." Auch hier ist sie Vorbild, stehen die fundamentalen Dinge wie Set-up und Ballposition im Fokus. Sie berichtet, wie sie einst Babe Zaharias traf. Oder dass sie und ihre Mitstreiterinnen auf der Tour große Elvis-Fans gewesen seien und sie mit 21 Jahren auf einem Konzert ebenso gekreischt habe wie Tausende andere junge Frauen auch. Sie räumt mit der Mär auf, die Reisen zu den Turnieren wären nur Strapazen gewesen. "Wir fuhren alle große Cadillacs, sehr bequem, und im Radio lief Elvis." Und dann beschreibt sie ihren größten Moment als Golferin. Kein Titelgewinn, kein Major, nicht die Kameradschaft auf der Tour, es sei ein einzelner Schlag mit ihrem 2er-Eisen an der 16 bei den Sea Island Open 1957 gewesen. "Acht Grad und eine steife Brise, ich hatte eine knappe Führung. Lange Eisen waren immer meine Stärke. Und dieser Schlag, einen Meter an die Fahne, gab mir Gänsehaut. Es war surreal. Ich habe den Rest meiner Karriere versucht, dieses Gefühl zu duplizieren." Für sie sei Patty Berg die beste Golferin gewesen und sie bedauere, dass ihr Skills-Set in der Geschichte ein wenig in Vergessenheit geraten sei. Sie empfinde die "erzwungene Sexiness" einiger Proetten als grenzwertig, verfolge aber auch im hohen Alter die Tour und sei vom Schwung der Kordas beeindruckt. Und dann, falls sie in den Himmel käme, dann mit ihrem 2er-Eisen. Sea Island, alles wie damals und "endlich finde ich das Gefühl dieses Schlags wieder!"
Mary Kathryn "Mickey" Wright stirbt drei Jahre nach dem Interview am 17. Februar 2020. Unsterblich jedoch ist der schönste Schwung der Golfgeschichte.