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Golfpunks dieser Welt

Paul Scoot Runyan

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Es kommt nicht immer auf die Länge an: Wie einer der kleinsten Golfer der Geschichte die Größten nicht nur schlug, sondern nach allen Regeln der Kunst dominierte. Dies ist die Geschichte von Paul Runyan.

Die frühen Legenden des Golfsports waren allesamt kräftige Hünen, die Golfplätze wie Gegner körperlich dominieren konnten: Byron Nelson, Sam Snead, der späte Gene Sarazan, allesamt Granden des Golfsports und sicherlich keine Hemden. Und dennoch tummelt sich unter ihnen ein heute fast vergessener Gigant, der alles andere als imposant daherkam: Paul Runyan.

Früh ist der nur 1,70 Meter große Paul auf eine Golfkarriere fokussiert. Ein Lebensplan, den sein Vater, ein einfacher Farmer in Hot Springs, Arkansas, nicht gerne sieht. Statt die ihm aufgetragenen Arbeiten auf dem Milchbauernhof zu erledigen, streunt der junge Paul seinen Träumen nachhängend über die Golfanlage seines Heimatorts, um festzustellen, dass er als Caddie und mit der Unterstützung des örtlichen Pros Geld verdienen könne. "Mein Vater hat mir so einige Male den Arsch versohlt", erzählt Runyan Jahre später. "Er sah es als frivol an, mit einem Spiel Geld zu verdienen. Golf war für ihn keine Arbeit. […] Irgendwann sah ich ihm in die Augen und sagte, dass er mir so oft den Hintern verhauen könne, ohne dass es was ändere. Ich werde immer wieder auf die Anlage gehen und am Ende Golf Professional werden!"

Paul wird als Praktikant angeheuert, spielt regelmäßig bereits vor der Schule einige Löcher und feilt an seinen Skills. "Ich musste hart arbeiten, war kein Talent!" Anfänglich sieht er gegen die anderen Jungs auf der Anlage kein Land, schafft es dann aber, bereits mit 18 Jahren Head-Pro im Concordia Golf und Country Club in Little Rock zu werden. Kurz darauf zieht es ihn weiter östlich in den Forest Hill Field Club in Bloomfield, New Jersey, um Craig Wood zu assistieren, jenen Wood - im Übrigen einer der Längsten seiner Zeit -, den er im Finale der PGA Championship 1934 schlägt, wodurch Runyan sein erstes Major erringt.

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Lass die schlechten Schläge nicht an dich heran!
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Ein Standardsatz in der heutigen allgemeinen Lehrmeinung, auch dem eigens auf die Weitenjagd ausgelegten Material geschuldet, ist, dass ein Defizit der Schlagweite von der Teebox ein kaum zu überwindender leistungs-limitierender Faktor sei, Stichwort: Bomb and Gauge à la Bryson DeChambeau. Die Antithese bildet hier Paul Runyan, von den Zeitgenossen wegen seiner Unnachgiebigkeit "Little Poison" getauft, der selbst in seinen besten Zeiten den Drive kaum 200 Meter das Fairway hinunterbringt. "Aus der Notwendigkeit heraus begann ich, mich zeitlebens dem Kurzspiel zu verschreiben. […] Es war die Suche nach dem Weg, der mich wettbewerbsfähig machte und hoffentlich bestehen ließe in einer Welt vieler stärkerer Spieler." Seinem Spitznamen alle Ehre machend dominiert Paul Runyan die Longhitter seiner Zeit. Der am 12. Juli 1908 geborene zähe Wettkämpfer ist ein unangenehmer Gegner und sammelt so 29 PGA-Tour-Siege, 16 davon allein in den Jahren 1933 und 1934. Nur Hogan, Nelson und Snead gewinnen je in einer Saison mehr als die neun Trophäen, die er durch sein feines Händchen im kurzen Spiel 1933 errang. Erst Tiger 2000 egalisiert diese Leistung. "Lass die schlechten Schläge nicht an dich heran", lautet Runyans Mantra. "Erlaube dir nicht, wütend zu werden, die wahren Kämpfer haben eine dicke Haut und werden die Weinerlichen immer besiegen."

1,70 Meter, kaum 70 Kilo schwer: Um wenige Meter aus seiner begrenzten Physis herauszukitzeln und etwas mehr Hebelwirkung zu erzielen taucht er förmlich in seinen Schwung. Umso präziser ist er mit dem Fairwayholz und noch verlässlicher sind seine Eisen. Rund ums Grün dann lässt sich sein Spiel nur mit "genial" ansatzweise treffend beschreiben. So ist er selbst mit 91 Jahren beim traditionellen Par-3-Contest in Augusta im Jahr 2000 noch konkurrenzfähig. Beinahe unglaublich, schließlich spielte Runyan beim allerersten Masters 1934 mit dem Gründervater Bobby Jones in einem Flight und wurde geteilter Dritter. Und noch kurz vor seinem Tod mit 93 Jahren unterweist er Schüler in seine Geheimnisse. Nelson sieht in ihm den besten Chipper aller Zeiten. Neben Runyans aktiver Karriere sind es seine über 75 Jahre als Golf-Coach, in denen viele Golf-Professionals wie etwa Gene Littler und Phil Rodgers seine "handgelenksfreie" Bewegung als das Credo im kurzen Spiel übernehmen. In einer Serie von "Golf Digest" lässt sich Runyans Zauber im YouTube-Video "The Short Way to Lower Scoring" bestaunen, in dem der gut 70-Jährige sein Arsenal um die Grüns leicht verdaulich erläutert. Und das "Golf Magazine" schreibt: "Seit den späten 30er-Jahren ist er sicherlich der einflussreichste Kurzspiel-Guru."

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"Das ist kein Golf, das ist Magie!" Diese Worte beschreiben das ultimative Duell David gegen Goliath und stammen von keinem Geringeren als Sam "Slammin'" Snead, einem der berühmtesten Longhitter in der Golf-Geschichte. Einer, der mit dem hölzernen Material seiner Zeit Bomben haut, die noch heute beachtlich wären. Schauplatz dieses ehrfürchtigen Zitats ist die PGA Championship in Shawnee on Delaware 1938. Es ist das einseitigste Finale in der 39-jährigen Geschichte des Turniers als Match-Play-Event. Paul Runyan vernichtet Snead auf 36 Loch mit 8 auf 7. Snead danach: "Ich glaube nicht, dass jemand jemals mehr aus seinem Spiel herausholte als Paul. Er konnte den Ball up and down aus einem Schacht spielen." Obwohl nicht selten weit über 50 Meter hinter Snead, traf Runyan eben jedes Fairway. Auf den Par 5, ein Vorteil für den Stärkeren, so könnte man meinen, ist "Little Poison" ebenfalls kaum schlagbar. Er notiert Birdies am Fließband, sechs- von siebenmal! "Manchmal sah ich ihn nach unseren Drives nicht einmal. Und auch nach dem zweiten war ich weit vor ihm und dann schlug er mich von 100 Meter und weniger", so Snead.

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Insgesamt spielt er 196 Loch in 24 unter Par. An einem Punkt des Turniers spielt er 64 Loch in Folge ohne Schlagverlust. Im Finale verliert er lediglich ein Loch, das 24. des Tages. Er ist in der Match-Play-Form seines Lebens, sein Spiel zermürbt die Gegner. "Du bist im Kampf deines Lebens, es war purer Instinkt", bekennt Runyan nach dem Turnier. Kleiner Mann, ganz groß, der Major-Triumph 1938 war bereits sein zweiter im Match Play. Vier Jahre zuvor hatte Runyan die PGA Championship gewonnen. Diesmal benötigte er 38 Löcher, um das Finale für sich zu entscheiden, "Little Poison" eben. Chip-ins aus den unmöglichsten Lagen, Pitching-Rettungsschläge, unfassbare Sand-Saves, sein Spiel muss den Gegnern wie schwarze Magie vorgekommen sein. "Er ließ mich so genervt zurück, ich hätte einen Putt nicht einmal auf eine Badewanne versenkt", kratzte sich Snead später am Kopf. Runyans Plan, um fünf Gegner zu schlagen, die sich bei sengender Hitze in dieser Turnierwoche in den Weg stellen: unnachgiebig und widerspenstig Golf spielen. "Ich war smarter als sie, als alle zusammen", so Runyan. "Sie schmolzen bei 37 Grad dahin. Bevor ich auf die Runde ging, legte ich mich in eine Eiswanne und dann noch mal vor dem Lunch. Ich wurde stärker, als sie schwächer wurden." Selbstbewusst, unorthodox, "outside the box" - nie denkt er daran, an seiner Kraft zu arbeiten, mehr Muskeln aufzubauen. Er fürchtet, seinen Touch zu verlieren, zu muskulös zu werden. Er weiß um seine beinahe magischen Superkräfte. An einem Tag im Jahr 1958 kommt Gene Littler zu ihm. "Er hatte gerade 28.000 Dollar mit dem schlimmsten Schwung gewonnen, den ich je gesehen habe", so Runyan. In einer zehnminütigen Einheit hilft er Littler, seine Form auf Vordermann zu bringen. Eine Form, die diesem hilft, später die offenen US-Meisterschaften zu gewinnen. "Ich sah ihn Schläge um das Grün spielen, schlicht unfassbar, ich habe viel von ihm gelernt!"

Noch mit 90 Jahren spielt er dank seines kurzen Spiels neun Löcher mit 42 Schlägen. Und das auf dem Platz im Shawnee Resort, dem Ort seines größten Triumphs 1938. "Ich kann immer noch ein Spiel außer Form haben und mit meinem Score mein Alter unterbieten! Gerne würde ich erinnert werden als der Beste der Besten der wirklichen Shorthitter." Dieses Lebensziel hat "Little Poison" mehr als eindrucksvoll erreicht.

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