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Golfpunks dieser Welt

Robert Lee Elder

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Er war zwar nicht der erste Afroamerikaner auf der PGA Tour, aber der erste auf dem heiligen Rasen in Augusta. Lee Elders Geschichte von Rassismus, Haltung und später Genugtuung ist 2021 aktueller denn je.

Die Angst um sein Leben, sie ist real, 1975 als er sich als erster Afroamerikaner für das Masters qualifizierte. "Du Neger, du wirst niemals in Augusta abschlagen!" - nur einer der Sätze, die ihm jahrelang entgegenflogen. Lee Elder hat sie nie vergessen: die unsägliche Ignoranz. "Die Todesdrohungen, die ich erhielt, die Anrufe, das hat mir wirklich ungeheure Angst gemacht." Bis dahin sind Schwarze beim prestigeträchtigsten Golfturnier der Welt bestenfalls als Taschenträger geduldet. Über Robert Lee Elder bricht sich eine Welle des Hasses, weil er eine der größten Barrieren im Golfsport eingerissen hat: das schmiedeeiserne Tor des Augusta National Golf Club.

45 Jahre später, Amerika brennt. Georg Floyd, Breonna Taylor und viele andere: Exzessive Polizeigewalt gegenüber People of Color in den USA dominiert immer noch weltweit die Schlagzeilen. Dass er nun vor wenigen Wochen an der Seite von Jack Nicklaus und Gary Player als dritter Honorary Starter den Platz von Arnold Palmer einnehmen und das Masters eröffnen durfte, muss auch in diesem Licht gesehen werden. Die Tradition der zeremoniellen Abschläge besteht seit 1963 und erneut ist er der erste Schwarze, der die Barriere der weißen Dominanz an der Magnolia Lane bricht. Ehre, wem Ehre gebührt! Nichtsdestotrotz ist es auch eine öffentlichkeitswirksame Symbolhandlung, um auf die anhaltende Rassenungleichheit aufmerksam zu machen. Das Timing ambivalent? Vielleicht. Das richtige Zeichen? Bestimmt.

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Lee und andere haben einen Prozess in Gang gesetzt, der meine Karriere erst möglich gemacht hat.
Tiger Woods
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Elder wird im Jahr der ersten Austragung des Turniers in Georgia geboren: 1934, als jüngstes von acht Kindern. Ein Leben in Armut und ab dem Alter von sieben Jahren ist er Waise. Vater Charles fällt im Zweiten Weltkrieg, Mutter Almeta stirbt nur wenig später an gebrochenem Herzen. Schwere Jahre sollen folgen. Seine Lebensrealität: die Ghettos von Dallas, Texas. Dabei hat er früh Bekanntschaft mit dem Krebs menschlicher Gesellschaften gemacht, dem Rassismus: "Sie haben mich geschlagen, geschubst, warfen mich auf den Boden und bespuckten mich." Mit zwölf nimmt ihn seine Tante in Los Angeles/ Kalifornien auf. Laut eigener Aussage weiß er da schon, dass Golf sein Schicksal sein wird. Wie es so ist, arbeitet einer seiner älteren Brüder auf einem Golfplatz. "Er kam jeden Abend mit Cash in der Tasche nach Hause." Zunächst zu schmächtig, um die schwere Golftasche von Loch zu Loch zu wuchten, sammelt er die verstreuten Bälle auf der Anlage. Der erste Schläger ein Geschenk eines Mitglieds, die ersten Schlagversuche dann auf einem verödeten Feld gegenüber des eigentlichen Golfplatz-Areals. Elder arbeitet hart: "Ich war kein Naturtalent." Mit 16 Jahren spielt er endlich die erste 18-Loch-Runde. Da ist er schon zwei Jahre nicht mehr auf der High School und schlägt sich mit Zockerrunden und Jobs in ProShops durch.

Erst die Begegnung mit der Boxerlegende Joe Louis bei einer Runde Golf setzt Lee auf die richtigen Gleise. Louis, nicht nur eine Ikone im US-Sport, sondern auch begeisterter Golfer, bringt ihn mit seinem Trainer Ted Rhodes zusammen. Rhodes ist einer der Pioniere des "schwarzen" Golfs. Ausgebremst von einer Regel, die es Farbigen bis 1961 untersagte, auf der PGA Tour zu spielen, ist er es, der die Pioniere wie Charlie Sifford, später Elder und Calvin Peete, wenn nicht mehr als Trainer betreut, so sicherlich inspiriert. Namhafte Männer, die ein eigenes Golf-Triumvirat hätten bilden können, wären sie eben weiß gewesen so wie Nicklaus, Palmer und Player. Elders Spiel gewinnt an Format.

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Er beginnt, an Turnieren teilzunehmen. Auch als er 1959 zur Armee eingezogen wird, hindert ihn dies nicht daran, sein Spiel zu verfeinern. Er hat das Glück, dass sein Vorgesetzter, selbst Golfer, ihm den Raum lässt, regelmäßig zu trainieren. Die Zockertage enden endgültig, als er ab 1961 auf der United Golf Association Tour (UGA) abschlägt. Dort gewinnt er in einer dominanten Phase 18 Turniere von 22, das Preisgeld ist jedoch selten höher als 500 Dollar. Es reicht nicht, um sich die PGA Tour leisten zu können, obwohl sie zu der Zeit ihre rassistische Haltung und den Ausschluss wegen Hautfarbe aufgegeben hat. So ist es Charlie Sifford, der als erster nicht weißer US-Amerikaner ein PGA-Turnier bestreitet und 1967 bei den Greater Hartford Open den überfälligen Premierensieg feiern kann. Am Rassismus auf dem Golfplatz ändert es nichts: Anfeindungen, selbst in den eigenen Flights, sind an der Tagesordnung. Bälle verschwinden einfach so und aus den Reihen der Zuschauer hagelt es wüste Beschimpfungen - es ist ein Spießrutenlauf. Elder versucht, diesen Spieß umzudrehen: "Immer wenn ich beschimpft wurde, konzentrierte ich mich umso mehr." Es ist wohl, was man braucht, um in solch einem Umfeld erfolgreich zu sein: Haltung!

1968 - es ist das Jahr, in dem Martin Luther King ermordet wird - qualifiziert sich der 33-Jährige schlussendlich für die Tour. Und sein Debüt verläuft nicht geräuschlos. So verliert er bei den American Golf Classic erst am fünften Extraloch gegen einen gewissen Jack Nicklaus. Gegen jenen Masters-Ehrenstarter, der noch 1994 auf die Frage, warum es so wenige schwarze Golfer gebe, antwortet, sie hätten halt andere Muskeln und die würden eben unterschiedlich reagieren. Zu der Zeit hatte Calvin Peete bereits zwölf Siege auf der PGA Tour eingefahren. Nicklaus versucht mehr als einmal, diese verunglückte Aussage einzufangen.

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Robert Lee Elder spielt mit, ist konkurrenzfähig, verdient Geld. 1971 folgt er einer Einladung von Gary Player und spielt die South African PGA Championship. Mandela sitzt im Gefängnis, das Land ächzt unter der Apartheid. Es ist ein Zeichen. Elder zeigt Haltung, mal wieder. Endlich und gegen alle Widerstände: sein erster Sieg bei den Monsanto Open 1974. Und somit die Einladung nach Augusta. Es ist keine Geste der Versöhnung damals. Sie hatten in Georgia schlicht die Kriterien für die Teilnahme geändert. Jeder Sieger aus dem Vorjahr des stattfindenden Turniers erhielt nun eine Einladung. Er wird am Ende den Cut verpassen, aber noch drei weitere Male bei diesem Turnier abschlagen und 1977 in den Top 20 landen. Am Ende sind diese Statistiken Makulatur. Dieser Moment, als er zum ersten Mal die Magnolia Lane rauffährt, es ist der stolzeste Moment in seinem Leben. "Ich war sehr nervös, kein Zweifel! Ich habe gehofft, niemanden zu treffen und meinen schlechtesten Schlag nicht gerade jetzt zu fabrizieren." Der Abschlag landete auf dem Fairway. Und die Zuschauer? Wider Erwarten erinnert sich Elder positiv, er habe sehr viel Zuspruch erhalten. Kein Hass, er ist in dem Moment einfach nur Golfer, 40 Jahre alt. Hätte er gewinnen können, wäre er früher von den Restriktionen befreit gewesen, die aufgrund seiner Hautfarbe für ihn in vielen Golfclubs galten? Vielleicht. War er dabei, 1997? Zweifellos. Als Tiger vom 18. Grün kam, war er da. Eine Umarmung und warme Worte. Bei der anschließenden Pressekonferenz die Würdigung des Champions: "Ohne ihn hätte mein Vater keinen Zugang zum Golf gefunden, ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier."

Lee muss keine Angst mehr um sein Leben haben. Er hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Er ist sich aber seiner Sterblichkeit bewusst: Arthritis, vierfacher Bypass, Diabetes, auf dem linken Auge ist blind. Er ist jetzt 86 Jahre alt und wird an diesem Apriltag seinen Ball nicht aufs Fairway schlagen. Seine Konstitution lässt es nicht zu. Nichtsdestotrotz ist es ein besonderer Moment. Jack, Gary und er am Abschlag von Tea Olive. Applaus. Auf Robert Lee Elder werden Elogen gehalten und das verdient. Erinnerungen an das historische Ereignis vor mehr als vier Jahrzehnten und den Einfluss, den Robert Lee Elder nahm. Ein Einfluss über die Symbolik hinaus. Fakt ist bei all den Jubelarien, den Stiftungen in seinem Namen und der Unterstützung der (schwarzen) Sportprominenz jedoch leider auch: Es wird, so verblüffend es scheint, kein Afroamerikaner in diesem Frühling aufteen. Elder brach die Barriere in Augusta, Tiger setzte den Goldstandard. Aber weder der Erste dort noch der Beste aller Zeiten öffneten nachhaltig die Schleusen für junge schwarze Profigolfer. Heute spielen sogar weniger Afroamerikaner auf der PGA Tour als Ende der 1970er und in den 1980er-Jahren. Auf Anhieb fällt mir neben Tiger Woods dann auch lediglich Harold Varner III ein.

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