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Interview

Marcel Schneider

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Mit zwei Siegen auf der Challenge Tour im vergangenen Jahr sicherte sich Marcel die Spielberechtigung für die höchste europäische Spielklasse. Zeit, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen, gönnte sich der 32-Jährige jedoch nicht, sondern liess lieber seinen Schwung auf Herz und Nieren prüfen.

2022 ist deine zehnte Profisaison. Bedeutet dir so ein Jubiläum etwas?
Oh, wow - das war mir gar nicht bewusst! [lacht] Du siehst, es wäre also übertrieben, wenn ich behaupten würde, dass dieser Meilenstein wirklich etwas bedeutet. Rückblickend kann ich sagen, dass es zwar langsam, aber stetig bergauf ging und ich mit meiner Entwicklung zufrieden bin.

Zwei Siege auf der Challenge Tour 2021 haben dir die Tourkarte für 2022 gesichert. Welche Kategorie hast du und was ist dein Turnierplan für 2022?
Ich habe Kategorie 14 und kann damit etwa 85 Prozent aller Turniere spielen. Ich denke, ich komme in fast jedes Starterfeld abgesehen von den Events der Rolex Series. Aber auch dort kann man mal reinrutschen. Beim Rolex-Event in Abu Dhabi gab es coronabedingt einige Ausfälle und ich hätte einen Startplatz gehabt. Am Flughafen vor der Abreise war mein PCR-Test dann aber positiv und ich konnte nicht reisen. Ich hatte keinerlei Symptome und es stellten sich auch in den folgenden Tagen keine ein, aber das Turnier war gelaufen.

Kannst du deine Kategorie auch während der laufenden Saison verbessern?
Natürlich, aber dazu braucht es Spitzenergebnisse. Ein Top-Five-Finish in der Vorwoche garantiert den Start bei einem darauffolgenden Rolex-Series-Turnier und ein Sieg ändert sowieso alles.

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Ich lasse mich nicht davon ablenken, dass Bryson DeChambeau direkt neben mir dicke Murmeln rausfeuert.
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Du warst zur Saisonvorbereitung im Titleist Performance Institute in Kalifornien. Wie läuft ein Profitraining in dieser Hightech-Einrichtung ab?
Als sich im Januar die einmalige Chance bot, für einige Tage ans TPI zu gehen, habe ich sie sofort ergriffen, denn der Input, den man dort für sein eigenes Training bekommt, ist sehr wertvoll. Ich war acht Tage dort und habe nach einem Titleist-Fitting auch eine 3-D-Analyse meines Schwungs bekommen. Dazu wird man komplett verkabelt, um mithilfe von Motion Capturing ein digitales Modell des Schwungs zu erstellen. Dieses lässt sich dann mit den absoluten Spitzenspielern vergleichen und man kann herausfinden, wo die Defizite im eigenen Bewegungsablauf liegen. Darauf folgt dann ein Bodyscreening, um festzustellen, ob es überhaupt möglich ist, die nötigen Trainingseinheiten körperlich richtig umzusetzen.

Du bist schon eine ganze Weile Profi und kennst deinen Schwung wie auch deinen Körper sicher in- und auswendig. Gibt es für dich bei solch einer Analyse tatsächlich noch neue Erkenntnisse?
Ich dachte eigentlich auch, dass ich schon alles über mich und meinen Schwung wüsste. Aber das war nun bereits mein dritter Besuch im TPI und jedes Mal bin ich aus San Diego mit einem Wow-Effekt abgereist und hatte eine viel bessere Vorstellung davon, was ich zu trainieren habe.

Was hast du dieses Jahr gelernt? Und woran arbeitest du jetzt?
Ich versuche schon länger, eine schnelle Unterkörperrotation hinzubekommen, und es hat sich herausgestellt, dass ich das am besten durch ein Abstoßen mit dem linken Bein erreichen kann. Ein Golfschwung muss sich für mich also beinahe so anfühlen, als würde ich mit dem linken Bein nach hinten abspringen. Denn so streckt sich das linke Bein und die Hüfte dreht sich automatisch mehr. Dafür haben mir die Coaches im TPI spezielle Fitness- und Dehnübungen mitgegeben.

In den letzten Jahren hast du sowohl auf der Challenge Tour als auch immer wieder im europäischen Oberhaus gespielt. Worin liegen aus Sicht des Spielers die größten Unterschiede zwischen den Touren?
Der Rummel um ein European-Tour-Event, auch abseits des Platzes, ist viel größer. Bei Challenge-Tour-Turnieren ist dagegen recht wenig los. Es kommen weniger Zuschauer und die ganzen Aufbauten wie Tribünen und das Zeltdorf fehlen dort meist komplett. Auf der European Tour gibt es die riesigen Tribünen, die Players Lounge, das Mediazelt. Auf der Range ist viel mehr Trubel, weil die meisten Spieler ihre Trainer vor Ort haben. Auf dem Platz gibt es Ballspotter und die vielen Zuschauer machen es deutlich wahrscheinlicher, verzogene Abschläge im tiefen Rough wiederzufinden. Auch was das Platz-Set-up angeht, sind die Unterschiede riesig. Auf der Challenge Tour gibt es kaum dickes Semi-Rough. Die Plätze sind meist hergerichtet wie deutsche Golfanlagen im Sommer. Auf der European Tour dagegen sieht das Set-up so aus, dass ein verfehltes Fairway meist zu maximalen Problemen beim Schlag ins Grün führt. Auch um die Grüns ist das Rough viel höher, was ein erfolgreiches Up and Down nach verfehltem Grün deutlich schwieriger macht.

Bei der Open Championship im vergangenen Sommer hattest du deinen ersten Auftritt bei einem Major. Was ist dir von dieser Woche am meisten in Erinnerung geblieben?
Alles ist noch mal eine ganze Schippe größer, nicht nur was die Namen auf dem Leaderboard angeht. Ich lasse mich zwar nicht davon ablenken, dass Bryson DeChambeau direkt neben mir dicke Murmeln rausfeuert, aber die Tatsache, dass auf der Anlage extra ein Fitnessstudio aufgebaut wird, ist schon sehr cool.

Dank der Newcomer gibt es nun wieder eine kleine deutsche Community auf der European Tour. Ist das wichtig für dich?
Gott sei Dank! Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, in der wir uns zum Beispiel zum Abendessen verabreden oder gemeinsame Proberunden klarmachen. Beim Training geht jeder von uns seine eigenen Wege, Golf ist nun mal ein Individualsport.

Können die jüngeren Spieler von einem Tourveteranen wie Marcel Siem und seinem Wissen profitieren? Schließlich kennt er so gut wie jeden Platz wie seine Westentasche.
Marcel Siem ist extrem offen, hilfsbereit sowieso, ein absolut korrekter Typ. Was konkrete Tipps zu den Plätzen oder der Spielstrategie angeht, habe ich ihn noch nicht gefragt, denn mittlerweile weiß ich selbst auch, worauf es ankommt und wie man bestimme Situationen meistern sollte.

Wer zehn Jahre als Profi um die Welt reist, hat schon einiges vorgesetzt bekommen. Auf welche Turniere freust du dich aus kulinarischer Sicht am meisten?
Italien ist in dieser Hinsicht natürlich immer ein Highlight. Persönlich habe ich meine Probleme mit der spanischen Küche und Kenia kann auch herausfordernd sein. [lacht]

Wenn du nicht selbst spielst, schaust du Golf im Fernsehen?
Nein, ehrlich gesagt überhaupt nicht. [lacht] Ich bin jeden Tag acht bis zehn Stunden auf dem Golfplatz, da brauche ich am Abend nicht noch mehr Golf. Wenn ich vor dem Fernseher entspanne, dann schaue ich lieber Tennis.

Gibt es einen Tennisprofi, den du bewunderst?
Mir hat Rafael Nadal schon immer sehr gut gefallen. Nicht nur wegen seiner Erfolge, sondern weil er so mitreißend und spektakulär spielt. Da gibt es große Parallelen zu Tiger Woods. Nadal reißt die Zuschauer mit, die Emotionen kommen ans Tageslicht und er spielt aggressiv. Das gefällt mir.

 
INFOBOX

INFOBOX

NAME
Marcel Schneider

JAHRGANG
1990

PROFI SEIT
2012

WOHNORT
Pleidelsheim (Ba.-Wü.)

LIEBLINGSTEAM
VfB Stuttgart

ERFOLGE (AUSZUG):
2014 Open Mogador (Pro Golf Tour)
2014 Open Madaef (Pro Golf Tour)
2016 Deutscher PGA Meister
2018 Swiss Challenge (Challenge Tour)
2021 Kaskáda Golf Challenge (Challenge Tour)
2021 Open de Portugal (Challenge Tour)

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