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Linn Grant

Sie schlägt Männer

Von Jan Langenbein, Fotos: Zwei:D Tino Dertz

Als das Gewinnen auf der Ladies European Tour scheinbar zu leicht wurde, versuchte es die Schwedin einfach einmal auf der DP World Tour. Das Ergebnis war dasselbe: Sie siegt und siegt und siegt.

Zugegeben, auch wir machen uns ab und zu schuldig, das Wort "historisch" viel zu inflationär zu benutzen. Darum macht es umso mehr Freude, "historisch" endlich einmal vollkommen zu Recht zu verwenden, denn nichts anderes war Linn Grants Sieg beim Scandinavian Mixed. Schließlich trug sich die Schwedin als erste Frau überhaupt in die Bücher der European Tour ein. Und sie tat es mit Style: Mit einer schlanken 64 am Finaltag wies Linn keinen Geringeren als Ryder-Cup-Captain und Turniergastgeber Henrik Stenson in die Schranken. Allein am Sonntag nahm sie dem Landsmann und Major-Sieger satte sechs Schläge ab und ließ das 78 Proetten und 78 Pros starke Starterfeld buchstäblich im Staub zurück. Wer glaubt, Linn habe angesichts dieser unglaublichen Zahlen von den Kinderabschlägen gespielt, dem sei ein Blick aufs finale Leaderboard ans Herz gelegt, denn keine Kollegin schaffte es unter die Top Ten.

Unglaublich ist nicht nur dieser Sieg, sondern jeder einzelne Auftritt der Senkrechtstarterin, seit sie im August 2021 ins Profilager wechselte. Bei ihrem ersten Ladies-European-Tour-Event sicherte sich Grant bei den Didriksons Skaftö Open den zweiten Platz, bevor sie in der folgenden Woche bei den Creekhouse Ladies Open erneut Zweite wurde. Im Oktober 2021 bewies Grant bei den Terre Blanche Ladies Open auf der LET Access Series, dass sie das Zeug zur Siegerin hat. Zum Jahresausklang 2021 sicherte sie sich die Tourkarten für die LET und die LPGA Tour, ehe sie Anfang 2022 den Titel der Dimension Data Ladies Challenge auf der Sunshine Ladies Tour im Februar holte und einen Monat später bei der Jabra Ladies Classic gleich noch einen hinterherschob. Ihre erste LET-Trophäe sicherte sich Linn kurz darauf bei den Mithra Belgian Ladies Open, ehe die geschichtsträchtige Woche in Halmstad bei Henrik und Annikas Mixed-Turnier die 23-Jährige ins internationale Scheinwerferlicht der Golfwelt katapultierte. Puh, durchatmen.

Das macht beinahe unglaubliche sechs Profisiege in zehn Monaten. Aber eben nur beinahe, denn bei den German Masters konnten wir uns mit eigenen Augen davon überzeugen, dass Linns Golfschwung tatsächlich wie der einer Seriensiegerin aussieht.

Was ist bisher dein persönliches Highlight der ersten zehn Monate als Golf-Pro?
Natürlich Halmstad und das Scandinavian Mixed, denn die Atmosphäre, zu Hause vor so vielen heimischen Fans zu spielen, war unglaublich. Ich habe das Mixed-Turnier bereits im letzten Jahr mitgespielt und die Woche dort wirklich geliebt, deshalb war es allein schon großartig, wieder dort antreten zu können. Wie die Woche dann verlaufen ist... ich kann es immer noch nicht glauben!

Linn Grant: Wadenbeißer: Sticht mehr als jeder KrampfLinn Grant: Wadenbeißer: Sticht mehr als jeder Krampf
Wadenbeißer: Sticht mehr als jeder Krampf

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Golf, Golf, Golf, ein bisschen Lernen und dazwischen dann Party.
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Im TV wirkte der Finaltag in Halmstad beinahe wie ein Major, so viele Zuschauer waren auf der Anlage. Hast du die Runde bewusst erlebt oder lief alles wie im Film ab?
Ein bisschen verschwimmt tatsächlich alles in der Erinnerung, ich weiß aber noch, wie die Anzahl der Zuschauer von Tag zu Tag anwuchs, und am Sonntag säumten die Leute vom Tee bis zum Grün die Spielbahnen. Ich habe mir Mühe gegeben, den Tag so gut wie möglich zu genießen, denn ich war wirklich nervös. Aber da ich meinen Freund als Caddie an der Tasche hatte, war es eine positive Nervosität und am Ende eine entspannte und gleichzeitig aufregende Runde Golf.

Zumindest im TV hast du kein bisschen den Anschein erweckt, nervös zu sein. Hat die große Führung geholfen, die innere Nervosität etwas abzubauen?
Die Führung war nicht so groß, als ich in die Runde ging, lediglich zwei Schläge. Bis zum 13. Loch habe ich nicht aufs Leaderboard geschaut. Mir war zwar klar, dass ich gut spiele, ich wusste jedoch nicht, wie die anderen außerhalb meiner Gruppe scorten. Henrik Stenson spielte in der Gruppe vor mir und man weiß schließlich nie, wie viele Birdies er an einem Sonntag spielt. Als ich das Leaderboard auf der 13 sah, konnte ich ein bisschen entspannen und die Runde ruhig zu Ende spielen.

Das Stereotyp ist, dass Skandinavier auf dem Golfplatz meist cool sind und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Trifft das auch auf dich zu?
Ich glaube schon, dass ich auf dem Golfplatz meist ruhig bleibe. Aber gleichzeitig spiele ich gerne aggressiv und mag es, ein wenig nervös zu sein, um die nötig Spannung in den Körper und den Geist zu bekommen.

Versuche mal, dich in die Situation, kurz bevor du Pro wurdest, zurückzuversetzen. Aus dieser Perspektive betrachtet: Hätten die vergangenen Monate in irgendeiner Weise besser verlaufen können?
Nein, sicher nicht. [lacht] Wenn mir im vergangenen August jemand gesagt hätte, wo ich heute stehe, hätte ich die Person wahrscheinlich ausgelacht.

Gemessen an der Einwohnerzahl kommen unglaublich viele Weltklasse-Golfer aus Schweden. Hast du als lebendes Beispiel eine Erklärung für das Phänomen?
Ich denke, dass die Tatsache, dass wir im Winter nicht draußen trainieren können, dazu beiträgt. Eigentlich sollte man meinen, das wäre ein Nachteil, aber so haben wir viel Zeit, um im Kraftraum zu arbeiten, den Körper fit zu machen und nicht nur auf dem Platz zu trainieren. Wir haben auch einige gute Indoor-Anlagen, in denen vor allem jüngere Golfer früh an ihren technischen Grundlagen arbeiten können. Und das monatelang, schließlich lenkt kein gutes Golfwetter von der Arbeit ab.

Würdest du gerne mehr Formate wie das Scandinavian Mixed im Kalender sehen?
Ich liebe dieses Format und glaube, vielen der anderen Mädels auf der LET geht es genauso. Endlich einmal gegen die Jungs, mit denen man im Nationalteam aufgewachsen ist, in einem Turnierumfeld antreten zu können, ist cool. Wenn man sich als Golferin verbessern möchte, ist es sicher ein guter Weg, gegen Männer zu spielen. Ganz davon abgesehen fühlt sich eine Woche mit Henrik und Annika für uns LET-Spielerinnen wie ein Major an.

Du kommst aus einer echten Golffamilie. Wie sieht der Golfstammbaum der Linns genau aus?
Mein Großvater war ein Teaching-Pro aus Schottland, der in den 50ern nach Schweden kam, um Golfunterricht zu geben. Mein Vater war ein guter Juniorengolfer und spielte erfolgreich als Amateur. Er spielte College-Golf in den USA und wechselte auch kurzzeitig zu den Profis, aber entschloss sich dann, eine Familie zu gründen und Zeit mit uns Kids zu verbringen. Als wir aus dem Gröbsten raus waren, widmete er sich wieder dem Amateurgolf und spielt immer noch viel und gerne.

Linn Grant: Linn Grant:
Angesichts dieses Familienhintergrunds: War es für dich immer klar, dass Golf ein Sport ist, oder hast du dich auch an anderen Disziplinen versucht?
Oh nein, ich habe wirklich alles zumindest mal ausprobiert. [lacht] Dazu gehörten auch Klavierunterricht und viel Singen. Ich liebe Pferde und bin einige Jahre viel geritten. Doch mit 14 oder 15 Jahren habe ich mich dann voll auf Golf konzentriert.

Gibt es eine Sache abseits vom Golf, in der du dir vorstellen könntest, ebenfalls erfolgreich zu sein?
Als Kind wäre ich unglaublich gerne Sängerin geworden und ich glaube, ich habe eine ganz ordentliche Stimme. Aber es ist schon ganz gut, dass es bisher mit der Golfkarriere geklappt hat. [grinst]

Was für eine Art von Musik gefällt dir?
Meine Playlists lassen sich keinem bestimmten Genre zuordnen und sind sehr gemischt. Als ich aufwuchs, hörte mein Vater viel 60s- und 70s-Pop. Das prägt und ich mag diese Musik auch heute noch.

Was sind deine Stärken und Schwächen auf dem Golfplatz?
Ich bin eine gute Allroundspielerin und weder herausragend noch besonders schlecht in einem bestimmten Aspekt des Spiels. Meine Mentalität auf dem Golfplatz ist wahrscheinlich meine größte Stärke. Ich weiß, wie ich auf positive und negative Ereignisse während einer Runde reagieren muss, und es macht mir auch großen Spaß, gegen mich selbst anzutreten.

Bringt dich dein spektakuläres Rookie-Jahr dazu, deine Ziele neu zu definieren?
Ich habe mir immer schon hohe Ziele gesteckt. Nicht unbedingt in der Form von bestimmten Events, die ich gewinnen möchte, sondern mehr im Hinblick auf Rankings und mein eigenes Golfspiel. Dieses Jahr habe ich meine Ziele also zweifelsohne erreicht - kein Grund, etwas zu ändern.

Du hast in Arizona College-Golf gespielt. Gab es während dieser Zeit Studienfahrten zur Phoenix Open?
Nein, leider hatten wir immer selbst Turniere im Kalender, wenn die PGA Tour im TPC Scottsdale haltmachte. Ich würde das 16. Loch aber supergerne einmal selbst erleben.

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME_
Linn Maria Grant

JAHRGANG_
1999

WOHNORT_
Tempe, Arizona (USA)

PROFI SEIT_
2021

ERFOLGE_
2020_
Golfuppsala Open (Nordic Golf Tour / Amateur)
Swedish Match Play Championship (Amateur)
2021_
Terre Blanche Ladies Open (Let Access Series)
2022_
Dimension Data Challenge (Ladies Sunshine Tour)
Jabra Ladies Classic (Ladies Sunshine Tour)
Joburg Ladies Open (LET)
Belgian Ladies Open (LET)
Volvo Car Scandinavian
Mixed (DP World Tour)

Wie war deine Zeit am College? Nur Golf? Oder Golf, Lernen und Party?
[lacht] Das war ein Mix aus allem. Ich denke, darauf kommt es an der Uni an. Man findet seinen Platz im Leben und lernt, wie man Arbeit und Spaß in Balance bringen kann. Ich war dort, um Golf zu spielen, und habe versucht, so wenig Lernstoff wie möglich in meinen Zeitplan zu packen, um mehr trainieren zu können. Meine Studienzeit war während Covid, was es noch leichter gemacht hat, so viel Zeit wie möglich auf der Golfanlage zu verbringen. Mein Alltag sah also so aus: Golf, Golf, Golf, ein bisschen Lernen und dazwischen dann Party.

Wenn du dir die fünf Majors im Turnierkalender anschaust, gibt es da eines, das deinem Golfspiel besonders entgegenkommt und bei dem du dir die besten Chancen ausrechnest?
Die Women's British Open waren immer schon etwas Besonderes für mich. Ich mag Links-Golf sehr und glaube auch, dass es in einem Weltklassefeld auf einem Links-Platz am "einfachsten" ist, am Ende als Siegerin dazustehen, weil diese Plätze und die Wetterbedingungen so unberechenbar sind. Was den mentalen Aspekt angeht, sind die British Open ein wirklich hartes Turnier. Man muss geduldig bleiben und deshalb, glaube ich, werden mir die Women's British Open liegen.

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