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Lydia Ko

Erwachsenes Wunderkind

Von Jan Langenbein, Fotos: Thomas Höffgen & Getty Images

Wenn selbst eine 'Formkrise' nicht genügt, Siege zu verhindern oder aus den Top 50 der Weltrangliste zu fallen, gehört man zweifelsohne zu den absoluten Legenden des Golfsports. Lydia Ko hat diesen Status mit gerade einmal 23 Jahren erreicht. Wow!

Niemand hatte einen Einstieg in die höchsten Höhen des Golfsports wie Lydia Ko - nicht einmal Tiger Woods. Kostprobe gefällig? 2012 krönte sie sich als 14-Jährige zur jüngsten Siegerin eines Profigolfturniers aller Zeiten und verdrängte den bisherigen Rekordhalter Ryo Ishikawa aus Japan, der mit greisenhaften 15 Jahren und 8 Monaten zum ersten Mal gewann. Kurz darauf - Lydia hatte gerade die 15 Kerzen auf ihrer Geburtstagstorte ausgepustet - schnappte sie sich mit ihrem Triumph bei der Canadian Women's Open diesen Titel auch auf der LPGA Tour. Ein Jahr später verteidigte sie ihren Titel in Kanada - sehr zur Freude der zweitplatzierten Karine Icher, denn als Amateurin war es Lydia nicht vergönnt, den Siegerscheck über 300.000 Dollar in Empfang zu nehmen.

Im Oktober 2013 war es nach 130 Wochen an der Spitze der Amateurweltrangliste Zeit, ins Profilager zu wechseln, wo LPGA Commissioner Mike Whan die Neuseeländerin mit den Worten empfing: "Es kommt nicht oft vor, einen Rookie begrüßen zu dürfen, der bereits Wiederholungssieger auf der LPGA Tour ist." Vier Siege im ersten Jahr auf der LPGA Tour ließen Weltranglistenpunkte regnen und am 02. Februar 2015 war der Berg erklommen. Mit 17 Jahren, 9 Monaten und 9 Tagen wurde Lydia Ko zur jüngsten Weltranglistenersten, die der Golfsport je gesehen hatte, ganz egal welchen Geschlechts.

Es klingt daher wie ein schlechter Witz, dass drei Jahre mit "nur" einem Sieg und der "schlechtesten" Weltranglistenplatzierung auf Rang 46 von der Sportpresse als Formkrise tituliert wurden. Doch so ist das eben, wenn man als Wunderkind in Teenagerjahren mit 18 Profisiegen weltweit, darunter zwei Major-Titel, den Sport dominierte wie niemand zuvor.

Im April 2021 fand diese "Krise" bei der Lotte Championship ein spektakuläres Ende, als Lydia mit einer 62er-Schlussrunde und sieben Schlägen Vorsprung LPGA-Sieg Nummer 16 feierte und sich zurück unter die Top Ten der besten Golferinnen der Welt spielte.

Lydia Ko: Lydia Ko, Lake Nona Golf Club, 25. Januar 2021 (l), Oops: Niemand hat etwas von Vorlegen gesagt (r)Lydia Ko: Lydia Ko, Lake Nona Golf Club, 25. Januar 2021 (l), Oops: Niemand hat etwas von Vorlegen gesagt (r)
Lydia Ko, Lake Nona Golf Club, 25. Januar 2021 (l), Oops: Niemand hat etwas von Vorlegen gesagt (r)

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Vor einiger Zeit habe ich mir das Ziel gesetzt, mit 30 meine aktive Karriere zu beenden, und bis dahin sind es lediglich noch sieben Jahre. Ich habe das Gefühl, dass auch diese Jahre sehr schnell vorüberziehen werden.
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Wie fühlt es sich an, erstmals seit 2018 wieder auf der LPGA Tour zu gewinnen?
Hand aufs Herz, es gab Momente in den vergangenen Jahren, in denen ich dachte: "Hey, ich weiß wirklich nicht, ob ich es noch einmal aufs Siegertreppchen schaffen werde." Als ich das letzte Mal nach Runde 3 in Führung lag [2020 Marathon LPGA Classic; Anm. d. Red.], konnte ich in der Nacht von Samstag auf Sonntag kaum schlafen. Vor der Finalrunde in Hawaii habe ich großartig geschlafen. Vielleicht hat mir auch die Tatsache, dass Jordan Spieth und Hideki Matsuyama in den Wochen zuvor wieder gewinnen konnten, Hoffnung gemacht. Sie hatten schließlich auch nach längeren Durststrecken wieder gewonnen und ich dachte mir, vielleicht gelingt es mir, diesen Trend fortzusetzen.

Du hast die Selbstzweifel angesprochen. Wie sehr nagt es am Selbstbewusstsein, wenn man die Führung auf der letzten Spielbahn mit einem Doppel-Bogey abgibt, wie es dir bei der Marathon Classic letztes Jahr passiert ist?
Bei der Marathon Classic hatte ich die ganze Woche über hervorragendes Golf gespielt mit Ausnahme des letztes Lochs. Das war natürlich nicht das Finish, das ich im Sinn hatte, aber manchmal läuft es einfach nicht so, wie man es gerne hätte. Danielle Kang hat fantastisches Golf an diesem Sonntag gespielt und mein unglückliches Finish überschattete leider die Tatsache, dass sie das Turnier verdient gewonnen hat. Kurz nach dem Turnier war ich natürlich enttäuscht, aber gleichzeitig habe ich aus dieser Woche auch jede Menge Selbstvertrauen gezogen, weil ich gezeigt habe, dass ich wieder oben mitspielen kann.

Dein erstes Profiturnier hast du mit 14 Jahren gewonnen. Wie schaffst du es, dich jeden Tag aufs Neue zu motivieren, wo du doch bereits in so jungen Jahren schon so viel erreicht hast?
Golf ist sehr gut darin, für Demut zu sorgen. Es ist ein sehr fordernder Sport. An einem Tag fühlt man sich nahezu unfehlbar und alles funktioniert wie am Schnürchen und 24 Stunden später klappt überhaupt nichts mehr. Ich liebe diesen herausfordernden Aspekt des Spiels, denn egal wo du in der Weltrangliste stehst oder wie gut du im Moment auch spielst, es gibt immer eine Sache, die du noch verbessern kannst. Im Golf gibt es kein perfektes Ergebnis wie beispielsweise beim Bowling. Diese Tatsache motiviert mich jeden Tag aufs Neue und dann sind da natürlich noch die Mädels auf der Tour, die mich inspirieren, weiter hart zu arbeiten, um hoffentlich mit ihnen auf dem Golfplatz mithalten zu können.

Fühlt es sich manchmal komisch an, dass du mit deinen gerade einmal 23 Jahren schon eine der erfahrensten Spielerinnen auf der LPGA Tour bist?
Lustig, dass du das fragst, denn ich habe heute mit Erik van Rooyen während eines Fotoshootings für unseren gemeinsamen Sponsor Ecco genau darüber gesprochen. Er wollte wissen, wie alt ich bin, und als ich 23 antwortete, schaute er mich total überrascht an und meinte: "Was? Du bist erst 23?" [lacht] Auch für mich selbst fühlt es sich so an, als wäre ich tatsächlich schon ziemlich lang dabei. Diese Saison ist meine siebte auf der LPGA Tour. Ich würde nicht so weit gehen, mich als Tourveteranin zu bezeichnen, aber ich bin wohl im Mittelfeld, was die Erfahrung angeht. Auf der Tour fliegt die Zeit geradezu und ich habe in den vergangenen Jahren eine Menge über mich selbst und mein Spiel gelernt. Ich habe Höhen und Tiefen durchlebt. Vor einiger Zeit habe ich mir das Ziel gesetzt, mit 30 meine aktive Karriere zu beenden, und bis dahin sind es lediglich noch sieben Jahre. Ich habe das Gefühl, dass auch diese Jahre sehr schnell vorüberziehen werden.

Lydia Ko:
Wenn du die momentanen Rookies auf der LPGA Tour auf dem Platz beobachtest, siehst du dich dann selbst ein wenig in ihnen?
Oh, dann habe ich den Eindruck, dass sie viel besser sind als ich damals. [lacht] Golf und vor allem das Spiel der jungen Spielerinnen ändert sich rapide. Der Durchschnitts-Score auf der Tour wird immer niedriger und bei jedem Turnier sehe ich, wie Golfschläge gespielt werden, die einfach unglaublich sind. Es gibt eine Menge Rookies, die absolut nicht wie Rookies spielen und den Eindruck erwecken, als wären sie bereits seit Jahren im Profilager unterwegs. Ich spiele mittlerweile regelmäßig mit Mädchen, die 2000 oder 2001 geboren wurden. Sie sind zwar nur vier Jahre jünger als ich, ich muss dann aber jedes Mal denken: "Wow, du bist in den Nullerjahren geboren?" [lacht]

In dem Brief, den du vor einigen Monaten an dein 15 Jahre altes Selbst geschrieben hast, meintest du: "Egal wie du im Moment auch spielst - es wird sich ändern." Ist Veränderung ein roter Faden, der sich durch jede große Golfkarriere zieht? Und ist ständige Veränderung notwendig, um an der Spitze zu bleiben?
Es ist egal, ob du die Nummer eins oder die Nummer 100 der Welt bist, es gibt immer etwas in deinem Spiel, das du verbessern kannst. Manchmal sind schwungtechnische Veränderungen notwendig, um diese Verbesserungen zu erreichen, in anderen Fällen genügt es, mit neuen Leuten und einem neuen Team die Aufgaben Schritt für Schritt anzugehen. Golf ist ein komplexes Spiel und das Streben nach Verbesserung macht Veränderungen manchmal nötig. Wenn man lediglich versucht, zu verwalten und die erreichte Position zu halten, dann werden die Konkurrenten zwangsläufig auf- und dich irgendwann auch überholen. Entscheidungen für Veränderungen habe ich bereits während meiner gesamten Karriere getroffen und keine davon je bereut. Ich denke, jeder Schritt, den ich unternommen habe, hat zu einem Lernprozess geführt und mich so zur Person und Spielerin gemacht hat, die ich heute bin.

Martin Kaymer arbeitete an einem verlässlichen Draw, als er die Nummer eins der Welt war. Woran hast du gearbeitet, als du von Turniersieg zu Turniersieg gespurtet bist?
Ich wollte die Konstanz meines Ball-Strikings verbessern. Nachdem ich einige Dinge an meinem Schwung verändert habe, während ich an Nummer eins der Weltrangliste geführt wurde, habe ich ebenfalls einige Höhe-, aber auch Tiefpunkte in meinem Spiel durchlebt. Als Spieler, der von Kindesbeinen an einen Fade gespielt hat, ist die Aufnahme eines Draw ins Arsenal ein riesiger Schritt, der nicht immer funktionieren wird. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass solch tief greifende Veränderungen Zeit brauchen. Geduld ist gefragt, bis echte Ergebnisse sichtbar werden.

Wie hoch führst du selbst deine Silbermedaille in Rio auf der beeindruckenden Liste deiner Erfolge?
Ganz weit oben und ziemlich nahe an meinen Major-Siegen, würde ich sagen. Ich bin als Nummer eins der Welt nach Rio geflogen, die Erwartungshaltung, eine Medaille zu holen, war also entsprechend groß, nicht zuletzt weil es sich bei Olympia um ein kleineres Starterfeld handelt. Auch wenn es am Ende nicht zur Goldmedaille gereicht hat, war es für mich eine enorme Ehre, die erste Silbermedaille im Frauengolf nach mehr als 100 Jahren gewinnen zu können. Mein Land bei etwas Enormem wie den Olympischen Spielen vertreten zu dürfen war wahrscheinlich die großartigste Erfahrung, die ich auf einem Golfplatz jemals machen durfte.

War es schwierig für dich zu akzeptieren, dass die Spiele in Tokio um ein Jahr verschoben wurden, oder hat es deine Vorbereitung sogar begünstigt?
Als Golfer können wir uns wirklich glücklich schätzen, dass wir das ganze Jahr über zahlreiche große und wichtige Events auf unseren Touren spielen können. Obwohl die Spiele in Tokio auf 2021 verschoben wurden, hatten wir 2020 noch genügend andere Großveranstaltungen, auf denen wir uns messen konnten. Manche Athleten in anderen Sportarten befinden sich nicht in einer solch privilegierten Position und arbeiten vier Jahre lang auf ihr absolutes Highlight hin, die Olympischen Spiele. Für sie ist die Verschiebung der Spiele ein weitaus größerer Faktor als für uns, denn sie bedeutet zwölf weitere Monate harte körperliche und psychische Vorbereitung. Für Profigolfer ist die Verschiebung keine große Sache.

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Frei nach Peter Fox: Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht
Lass uns noch ein bisschen über Neuseeland sprechen. Was sind deiner Meinung nach die drei Golfplätze, die Golftouristen auf Neuseeland-Tour auf keinen Fall verpassen sollten?
Tara Iti ist die Nummer eins, würde ich sagen. Es ist einer der neuesten Plätze des Landes und er hat es schon unter die Top Ten der besten Golfplätze der Welt geschafft. Die Lage direkt am Meer ist spektakulär schön. Einer meiner Favoriten ist Jack's Point auf der Südinsel. Er liegt ebenfalls am Wasser und bietet die perfekte Kombination aus Bergen und einem wunderschönen See. Nicht weit von Jack's Point liegt der Privatgolfplatz The Hills. Die Konturen des Grundstücks und die verschiedenen Kunstwerke, die der Besitzer überall auf der Anlage verteilt hat, sind einzigartig. Es gibt so viele traumhafte Golfplätze in Neuseeland, dass es wirklich schwerfällt, drei auszuwählen. Kauri Cliffs darf natürlich nicht fehlen, aber ebenso wenig mein Heimatplatz Gulf Harbour Country Club. Vor einigen Jahren wurde dort der World Cup of Golf ausgetragen und neben John Daly kamen eine Menge weitere Superstars dorthin, um sich zu duellieren.

Gibt es neben Golf noch eine Sportart, in der du dich als ziemlich schwer zu schlagen einstufen würdest?
Absolut nicht. [lacht] Ich erinnere mich noch gut daran, wie mein Sportlehrer einmal meinte: "Zum Glück kannst du gut Golf spielen, denn in keiner anderen Disziplin ist auch nur ein Funke von Talent auszumachen." Während der Quarantäne habe ich ein wenig Tennis gespielt. Aber ich sollte dabei bleiben, Tennis nur zum Spaß zu spielen, denn sobald ein Match ernsthaft gespielt wird, habe ich keine Chance mehr. Abgesehen vom Golf kann ich mich wirklich in keiner anderen Sportart in einer Wettkampfsituation sehen.

Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt, bei einem Turnier auf der PGA Tour anzutreten, wie Michelle Wie und Annika Sörenstam es bereits getan haben?
Was die beiden gemacht haben, ist wirklich unglaublich und ich denke nicht, dass ich in der Lage wäre, mit den Spielern auf der PGA Tour mitzuhalten wie Michelle und Annika. Mir würde es mehr Spaß machen, Freundschafts- Matches gegen Profispieler wie Erik heute hier in Lake Nona auszutragen. Ich hatte bisher tatsächlich noch nicht häufig die Möglichkeit, gegen Pros der PGA Tour zu spielen.

Du hast den Meilenstein deines 30. Geburtstags erwähnt als möglichen Karriereendpunkt. Ist dieser Plan immer noch aktuell?
Das ist immer noch mein Ziel. Ich habe darüber auch mit anderen Spielerinnen gesprochen und sie meinten alle: "Unser Ziel war, mit 32 aufzuhören." Doch dann wurden sie 30 und begannen zu realisieren, dass nichts mit Golf zu vergleichen ist. [lacht] Golf ist ein solch großer Teil unseres Lebens und es ist schlicht großartig, jeden Tag von Freunden umgeben zu sein und gleichzeitig mit ihnen in sportlichen Wettkämpfen anzutreten. Wer weiß? Das Ziel mag sich noch ändern, aber im Moment plane ich tatsächlich nicht mit 30 als Endpunkt. Ich würde gerne mein Studium beenden und vielleicht auch eine Familie haben. Aber auch wenn ich mit dem Profigolf aufhören sollte, bin ich mir sicher, dass es auch danach immer eine starke berufliche Verbindung zwischen mir und dem Golfsport geben wird.

 
Infobox

Infobox

Name: Bo-Gyung "Lydia" Ko

Alter: 23 Jahre

Geburtsort: Seoul, Südkorea

Profi seit: 2013

Profisiege: 21

Lieblingsteam: All Blacks

Erfolge:
2012 & 2013
CN Canadian Women's Open (LPGA Tour als Amateur)
2013, 2015 & 2016
ISPS Handa New Zealand Women's Open (Ladies European Tour)
2015
The Evian Championship (Major)
2016
ANA Inspiration (Major)
2018
LPGA Mediheal Championship (LPGA Tour)
2021
Lotte Championship (LPGA Tour)

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