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Rory McIlroy

Eine eigene Liga

Von Jan Langenbein, Fotos: Mike Meyer

Rory McIlroy spielt das beste Golf seiner Karriere - sagen die Statistiker. Rory McIlroy verdient astronomische Summen - sagen seine Buchhalter. Rory McIlroy ist Postmaterialist - sagt er selber. 48 Stunden im Leben eines Superstars.

Man muss sich diese Zahl immer wieder vor Augen führen, um zu verstehen, wie extraordinär sie tatsächlich ist: 15 Millionen Dollar!

15 verdammte Millionen Dollar hat Rory vor 48 Stunden für seinen Sieg bei der Tour Championship überreicht bekommen und nun sitzt er hier im VIP-Bereich des Omega European Masters in der Schweiz, hat gerade gemeinsam mit Justin Timberlake und Dennis Quaid eine lockere Proberunde gespielt und die Schlange der Gratulanten will kein Ende nehmen. Wie das denn sei, 15 Millionen Dollar zu gewinnen, möchte einer der geladenen Gäste wissen und McIlroy antwortet mit weicher Stimme: "Ach, ich weiß nicht. Diese materialistische Phase habe ich lange hinter mir. Die ganze Sache mit den schnellen Autos und den schicken Häusern - natürlich habe ich das alles gemacht, aber heute sind es andere Dinge, die mir Freude bereiten."

Selbstverständlich muss man grinsen, hört man solch einen Satz von jemandem, der vor 48 Stunden nicht nur 15 Millionen Dollar gewonnen hat und diesen Geldeingang auf dem Bankkonto wahrscheinlich nicht einmal wahrnimmt, sondern nun hier in der Schweiz sitzt und eine von ihm mitentwickelte Sportarmbanduhr seines Sponsors Omega vorstellt, die samt Textilarmband nur 55 Gramm auf die Waage bringt und aus diesem Grund nicht nur für den Einsatz bei Profigolfturnieren geeignet ist, sondern auch stolze 45.400 Euro kostet.

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Diese Einstellung, ein durchaus sympathisches Wohlstands- Hippietum, in dessen Lebenswelt Geld längst keine entscheidende Rolle mehr spielt, ist nur den größten Superstars ihrer jeweiligen Profession vorbehalten. Sie setzt nicht nur immensen Erfolg voraus, sondern auch eine immense Gelassenheit, mit diesem umzugehen. Dies bleibt auch Rorys Gegnern nicht verborgen. "Selbst als sein Konkurrent, der jede Woche versucht, den Kerl zu schlagen, muss ich manchmal einen Schritt zurücktreten und anerkennen, wie großartig Rory McIlroy für den Golfsport ist. Sein Umgang mit dem Rampenlicht, mit den Höhen und Tiefen, seinem Sozialleben, den Fans, seinem Golfspiel, einfach allem... es ist großartig anzuschauen", lobte Justin Thomas seinen Ryder-Cup-Gegner vor einigen Wochen auf Twitter und bestätigte damit nur, was wir alle seit vielen Jahren längst wissen. Rory McIlroy ist der größte Superstar, den das europäische Golf jemals hervorgebracht hat.

Obwohl er nach den Heldentaten bei der Tour Championship in Atlanta nach drei Wochen Play-off-Strapazen eigentlich eine Pause verdient hätte, sitzt er hier und beantwortet geduldig alle Fragen, ohne dabei die Skurrilität der vergangenen zwei Tage aus den Augen zu verlieren. "Wegen der Regenunterbrechung in Atlanta mussten wir am Sonntag 31 Löcher spielen. Also bin ich dort um fünf Uhr aufgestanden - elf Uhr mitteleuropäischer Zeit -, habe 31 Löcher gespielt und das Turnier gewonnen und bin sofort ins Flugzeug gestiegen. Am darauf folgenden Montag bin ich um 11:30 Uhr in der Schweiz gelandet. Zwischen dem Aufwachen in Atlanta mit der Mission, den FedEx Cup zu gewinnen, und der Landung in der Schweiz lagen also gerade mal 24 Stunden. Als ich hier aus dem Flugzeug stieg, musste ich mich selbst kneifen, denn das waren wohl die surrealsten 24 Stunden meines Lebens. Atlanta und die Schweizer Alpen könnten schließlich kaum unterschiedlicher sein. Mit anderen Worten: ein Golfturnier gewonnen, viel zu wenig Schlaf, dafür ein paar Gläser Rotwein zu viel und ein Transatlantikflug - alles an einem Tag. Aber hey, ich beschwere mich sicherlich nicht... Schieß los mit deinen Fragen!"

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GolfPunk: Ist Rory vs. Brooks das neue Tiger vs. Phil?
Rory McIlroy: Ich hoffe nicht, denn in dem Fall hätte einer von uns beiden keine Chance. [lacht]

GP: Hilft es dir, einen klar definierten Gegenspieler auf der Tour zu haben?
RM: Golf unterscheidet sich in dieser Hinsicht stark von anderen Sportarten. Selbst Tiger und Phil standen sich in den vergangenen 20 Jahren bei bedeutenden Turnieren höchstens drei- oder viermal von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Das ist nicht mit Rafa vs. Roger oder Roger vs. Djokovic zu vergleichen, obwohl ich denke, dass Golf und Tennis auf viele Arten vergleichbar sind. Am vergangenen Sonntag in Atlanta war ich noch ein kleines bisschen mehr motiviert, denn Brooks hat mich einige Wochen zuvor in Memphis geschlagen. Diese Extramotivation, jemanden bezwingen zu wollen, der einen kurz zuvor besiegt hat, ist äußerst hilfreich. Das funktioniert aber auch nicht jede Woche, denn ich kann nicht beeinflussen, was er tut und wie er spielt. Ich kann meine Spielstrategie nicht auf meinen Gegner auslegen wie ein Tennisspieler, der sich vielleicht denkt: "Seine Rückhand ist heute schwach, deshalb retourniere ich die Bälle nun ausschließlich auf dieses Seite." Ich kann nicht zu Brooks sagen: "Okay, heute spielen wir ausschließlich Doglegs, die nach links verlaufen." So funktioniert Golf leider nicht. Wenn aus der Rory vs.- Brooks -Sache eine richtige Rivalität würde, fände ich das großartig, denn solche Duelle tun jeder Sportart gut.

GP: Hast du dir nach dem Gewinn des FedEx Cup etwas gegönnt?
RM: Wie bereits gesagt: Ich bin kein besonders materialistischer Typ. Das habe ich alles hinter mir. Wenn ich mir etwas gönnen wollte, dann würde ich mich vielleicht auf die Liste für Premier Cru in Bordeaux setzen oder etwas Ähnliches.

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GP: Wie war die Pro-Am-Runde mit Justin Timberlake?
RM: Ich habe Justin bereits einige Male getroffen. Er ist, wie wir alle wissen, nicht nur ein großer Golffan, sondern auch ein sehr guter Golfer. Die Runde mit Dennis und ihm heute war wirklich cool. Wann immer man Zeit mit jemandem verbringen kann, der so gut ist in dem, was er tut, ist es etwas ganz Besonderes. Ich kann mir noch nicht einmal vorstellen, wie es sich anfühlen muss, vor 80.000 Leuten auf der Bühne zu stehen und ein Konzert zu geben. Er ist auf so vielen Gebieten unglaublich talentiert. Er schauspielert, er singt, er tanzt, er beherrscht mehrere Instrumente - Justin ist einfach unglaublich! Er hat gerade erst seine Welttournee beendet, was für ihn relativ wenig Golf bedeutete. Darum versucht er nun, wieder mehr Runden in seinem Terminkalender unterzubringen, denn in einigen Wochen wird er bei der Dunhill Links Championship in St. Andrews am Start sein.

GP: Du sagst, Tennis lässt sich halbwegs mit Golf vergleichen. Wenn Tennisprofis Turniere auf unterschiedlichen Belägen spielen, müssen sie sich erst einmal an die neuen Bedingungen gewöhnen. Wie schaffst du die Umstellung von einem typisch amerikanischen Platz wie gerade noch in Atlanta auf etwas vollkommen anderes wie hier in der Schweiz?
RM: In dieser Hinsicht unterscheiden sich Tennis und Golf gewaltig. Tennisplätze ändern sich nicht. Es gibt zwar verschiedene Beläge, die Abmessungen sind jedoch immer und überall dieselben. Wir spielen Golfplätze, die sich von einem Tag auf den anderen unterscheiden, denn unterschiedliche Teeboxen, Fahnenpositionen und Windverhältnisse können die Anforderungen, die ein Platz an uns stellt, völlig verändern. Die Variablen, die die äußeren Umstände zum Spiel beitragen, sind im Golf definitiv größer als im Tennis. Man muss sich schnell auf unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten einstellen können. Es stimmt, das Gras hier ist komplett anders als letzte Woche in Atlanta, und das Gras in Atlanta unterschied sich stark vom Gras in Chicago die Woche zuvor. Dazu fliegt der Ball hier oben aufgrund der Höhe mindestens zehn Prozent weiter als in Atlanta. All das muss bedacht werden. Einfach bei einem Turnier aufkreuzen und gut spielen funktioniert in den seltensten Fällen. Ich muss mir Gedanken darüber machen, wie weit mein Eisen 8 hier fliegt im Vergleich zur Woche davor. Genau das ist es aber, was ich an Golf so mag: Es hält einen wirklich auf Zack.

 
Steckbrief

Steckbrief

Name: Rory McIlroy
Alter: 30 Jahre
Wohnort: Holywood, Nordirland & Palm Beach Gardens, Florida
Profi seit: 2007
Erfolge:
• 4 Major-Siege
• 2 World Golf Championships
• 1 Players Championship
• 5 Siege bei FedEx Cup Play-off Events
• 2 Race-to-Dubai-Siege

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