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Rory McIlroy – Teil 2

Eine eigene Liga

Von Jan Langenbein, Fotos: Mike Meyer

GP: Du meintest, dass du dir mittlerweile eine gute Flasche Wein aufmachst, wenn du dir etwas gönnen möchtest. Sammelst du Weine?
RM: Ja.

GP: Welche Weine zählen zu deinen Lieblingen?
RM: Mein Geschmackssinn wird mit der Zeit etwas feiner. Vor einigen Jahren habe ich mich nur für X, Y, Z interessiert, doch dann habe ich einige wirklich gute Weine aus Bordeaux probiert und sie haben mir sehr gut gefallen. In letzter Zeit interessiere ich mich sehr für Shiraz und vergleichbare Weine. Ich habe einige gute Weine aus Australien und dem Rhonetal. Zuletzt mag ich auch Weißburgunder - als einzigen Weißwein - sehr. Wir haben gerade ein neues Haus in Florida gebaut und ein Weinkeller ist Teil davon. Ich bin zurzeit also häufig damit beschäftigt, im Internet nach guten Weinen zu suchen, um den neuen Keller zu füllen. Das macht mir großen Spaß.

GP: Was war der Siegerwein, der auf dem Flug von Atlanta in die Schweiz getrunken wurde?
RM: Auf diesem Flug wurden einige Flaschen geöffnet, darunter ein Château Margaux von 2005, der hervorragend war. Dann gab es noch einen Shafer Relentless, ein Shiraz aus Kalifornien. Dieser Wein ist mir vor ein paar Jahren aufgefallen und ich mag ihn seither sehr.

Rory McIlroy:

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ICH DENKE, ES WIRD EIN WENIG ZU VIEL WIRBEL UM DIE MAJOR-TURNIERE GEMACHT. WIR SPIELEN ETWA 25 TURNIERE JEDES JAHR UND ES IST JA NICHT SO, DASS DIE RESTLICHEN 21 NICHT ZÄHLEN WÜRDEN.
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Der Golf Club Crans-sur-Sierre auf 1.500 Metern Höhe in den Schweizer Alpen spielt in der Karriere des Rory Mc Ilroy eine bedeutende Rolle, denn hier hatte er 2008 die wohl beste Chance auf seinen ersten Profisieg. Mit einem Schlag Vorsprung ging die damals 19 Jahre alte Teenager-Sensation auf die letzte Spielbahn, ließ mit einem schlampigen Bogey jedoch ein Play-off gegen den Franzosen Jean-François Lucquin zu, in dessen Verlauf er am zweiten Extraloch einen kurzen Putt verschob und seinen Traum vom ersten Toursieg vertagen musste. Das Ganze ist mittlerweile elf Jahre her, vergessen hat McIlroy diese Niederlage keineswegs: "Bis heute ist es dieses Event, das ich gerne ungeschehen machen würde - einen Mulligan nehmen." Der erste Profisieg gelang fünf Monate später bei der Dubai Dessert Classic 2009. Im Mai 2010 platzte mit dem Sieg bei der Quail Hollow Championship der Knoten auf der PGA Tour, 24 weitere Profisiege sollten diesen beiden Erfolgen bis heute folgen, darunter vier Triumphe bei Major-Turnieren. Rory McIlroy weiß allerdings, dass er längst in der Liga eines Tiger Woods oder Jack Nicklaus spielt und nicht mehr nach Toursiegen, sondern nach Major-Siegen gemessen wird, und sein letzter Major-Sieg, die PGA Championship 2014, ist mittlerweile mehr als fünf Jahre her. Zwar spielte er 2019 die statistisch gesehen bisher beste Saison seiner Karriere (siehe Kasten) und gewann mit der Players Championship und dem FedEx Cup zwei der fettesten Schecks des Jahres, trotzdem scheint jeder Journalist Rory zunächst einmal auf das bisher in seinem Kleiderschrank fehlende Grüne Jackett anzusprechen. Nach seinem Katastrophenauftakt bei der Open Championship in diesem Jahr - immerhin Rorys seit Jahren mit Spannung erwartetem Heimspiel -, bei dem er seinen ersten Abschlag ins Aus schlug und 20 Minuten später mit einem eigentlich für unmöglich gehaltenen Schneemann vom ersten Grün trottete, hat die Major- Durststrecke des Rory McIlroy eine neue Eskalationsstufe erreicht.

GP: Was war am ersten Tag der Open Championship los?
RM: Ich habe versucht, die erste Runde bei der Open in Portrush wie jede andere Turnierrunde anzugehen. Das war wahrscheinlich nicht der richtige Ansatz. Als ich am ersten Abschlag stand, fühlte es sich tatsächlich anders an. Das Umfeld und die Atmosphäre haben sich stark von allen anderen Turnieren, die ich bisher gespielt habe, unterschieden. Vielleicht war ich auf diesen Moment nicht optimal vorbereitet, denn ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich nervös sein könnte und den Druck während der Open wirklich spüren würde. Daher war ich über mich selbst verwundert, als ich spürte, wie mein Puls am ersten Abschlag höher war als sonst und ich tatsächlich Nerven gezeigt habe. Der Auftakt der Runde war dann wirklich hart zu verdauen, trotzdem hatte ich das Gefühl, danach streckenweise richtig gutes Golf zu spielen, bevor mich das schlechte Finish wieder zurückgeworfen hat. Am Freitag ging ich dann mit einer "Ich kann hier ohnehin nichts mehr verlieren"- Mentalität auf den Platz und habe nur versucht, es ins Wochenende zu schaffen. In Runde zwei habe ich gut gespielt, der Rückstand aus Runde eins war jedoch einfach zu groß. Ich war schlicht nicht darauf vorbereitet, wie sich der Start ins Turnier anfühlen würde, war mit meinem Kampfgeist am Freitag aber sehr zufrieden.

GP: Ist das Masters von nun an jedes Jahr der wichtigste Termin in deinem Kalender und was kannst du tun, um Brooks Koepkas Major-Dominanz zu durchbrechen?
RM: Ich muss schlicht so spielen wie am Sonntag bei der Tour Championship, dort habe ich ihn schließlich geschlagen. Ich denke, es wird ein wenig zu viel Wirbel um die Major-Turniere gemacht. Wir spielen etwa 25 Turniere jedes Jahr und es ist ja nicht so, dass die restlichen 21 nicht zählen würden. Auch bei diesen Events geht es um sehr viel. Ich kann verstehen, dass sich die Medien auf die Major-Turniere stürzen und ihre Geschichten darauf aufbauen. Einige Spieler machen übrigens genau das Gleiche. Dadurch entsteht dieser schier unendliche Kreislauf: Majors, Majors, Majors. Ich habe Major-Turniere gewonnen und sie sind ohne Zweifel die größten Turniere in unserem Sport. Es wäre jedoch falsch, aufgrund der Major-Turniere alle anderen Events und ihre Sieger als weniger wichtig zu betrachten. Es gab in den vergangenen Jahren großartige Sieger auf der Tour, die kein Major gewinnen konnten. Würden diese Jungs ihre Karriere gegen die eines Spieler eintauschen, der ein Major und darüber hinaus kein weiteres Turnier gewinnen konnte? Das würden sie ganz sicher nicht, denn sie hatten weitaus bessere, konstantere Karrieren. Wir müssen vorsichtig damit sein, den kompletten Fokus nur auf die Major-Turniere zu legen, denn das tut unserem Sport nicht gut. Gleichzeitig möchte ich natürlich weitere Major-Titel einfahren, und wenn ich weiter so spiele wie im Moment, werde ich früher oder später auch weitere Majors gewinnen.

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GP: Kannst du etwas gegen die mediale Überpräsenz der Major-Turniere tun?
RM: Ich kann meine Herangehensweise an Major-Turniere ändern. Aber das ist eine heikle Angelegenheit. Wenn es so weitergeht wie bisher, dann wird es bald Golffans geben, die sich lediglich für vier Wochen einer gesamten Saison interessieren. Mir wäre es viel lieber, wenn sich die Menschen das ganze Jahr über für unseren Sport begeistern würden. Mein Beitrag kann also darin bestehen, andere Turniere zu fördern und zu zeigen, dass auch diese Events hochkarätig und wichtig sind.

GP: Longhitter wie Dustin Johnson und Brooks Koepka sind meist mindestens einen Kopf größer als du, trotzdem kannst du vom Tee locker mit ihnen mithalten. Spielt Körpergröße im Golf eine Rolle?
RM: Seit der Grundschule habe ich nicht zu den Größten gezählt. Mein Vater hatte diesbezüglich einen Satz, den er mir immer wieder eingebläut hat: "Wenn du gut genug bist, dann bist du auch groß genug." Diese Weisheit ist bei mir hängen geblieben. Ich denke nicht, dass es eine perfekte Größe für einen Profigolfer gibt. Körpergröße ist meiner Meinung nach kein wichtiger Faktor im Golf. In anderen Sportarten hätte ich wahrscheinlich echte Nachteile aufgrund meiner Größe, im Golf aber glücklicherweise nicht. Im Gegenteil: Ich denke, dass mir meine Statur sogar geholfen hat, denn so musste ich Wege finden, wie ich den Ball genauso weit schlagen kann wie Jungs, die einen Kopf größer sind. Würde ich den Ball weiter schlagen, wenn ich in Dustins Johnsons Körper stecken würde? Wahrscheinlich nicht.

GP: Du hast eine sehr konstante Saison gespielt. Lag das auch an deinem veränderten Turnierplan?
RM: Weniger Flüge über den Atlantik spielen sicher eine Rolle. Ich denke, es ist der richtige Weg, den Fokus während der ersten sieben, acht Monate auf die PGA Tour zu legen und mich danach die kommenden vier bis fünf Monate auf Europa zu konzentrieren. Die Turnierkalender der beiden Touren geben das ja ohnehin mittlerweile vor, denn die European Tour hat viele ihrer bedeutendsten Turniere an das Ende der Saison gestellt. In den Jahren 2012, '13 und '14 bin ich ständig zwischen Europa, Asien und Amerika hin und her gependelt. Das ist keine ideale Ausgangslage für eine gute Vorbereitung. Mein neuer Turnierplan ist also sicher ein Faktor. Die Tatsache, dass wir uns in Florida niedergelassen und unser neues Haus bezogen haben, ist ebenfalls sehr wichtig. Das gibt mir das Gefühl, eine Basis und somit mehr Stabilität zu haben.

GP: Ist es ein Ziel für dich, am Ende des Jahres wieder auf Rang eins der Weltrangliste zu stehen?
RM: Brooks hat im Moment einen Vorsprung von drei Punkten. Ich bin mir daher nicht sicher, ob dieses Ziel bei den Events, die noch bleiben, erreichbar ist, denn Brooks wird selbstverständlich ebenfalls noch Turniere spielen. Wentworth steht als großes Turnier mit vielen Weltranglistenpunkten noch aus und ein WGC Event haben wir ebenfalls noch auf dem Kalender. Es geht in diesem Herbst also um eine ganze Menge und mein Ziel ist es, den Abstand auf Brooks zu verringern und weiterhin gutes Golf zu spielen.

Vier Tage nachdem er mir diese Sätze in das iPhone gesprochen hatte, sollte Rory seinem Wunsch nach einem Mulligan beim Omega European Masters zum Greifen nahe kommen. Nach vier Tagen voll streckenweise fantastischer Golfschläge fand sich die Nummer drei der Weltrangliste nach 72 gespielten Löchern in einem Fünfmann-Play-off wieder und hatte am ersten Extraloch einen äußerst realistischen Birdie-Putt, diesen spannenden Royal Rumble abermals in die Verlängerung zu schicken, doch wie schon 2008 hatten die eidgenössischen Golfgötter auch 2019 keine Gnade mit dem Nordiren.

Als der Schwede Sebastian Söderberg sich noch hoch oben in Crans Montana für seinen ersten Sieg auf der European Tour feiern ließ, bestieg Rory McIlroy unten im Tal bereits einen Privatjet, um auf direktem Wege nach Hause zu fliegen - ganz wie es sich für einen Superstar gehört. Auf dem Tisch atmete wahrscheinlich bereits ein guter Tropfen aus Frankreich in der Karaffe und in Rorys Tasche steckte ein Scheck über 166.318 Euro für den gerade erspielten zweiten Platz. Auf Ersteres wird er sich bereits den ganzen Tag gefreut haben, Zweiteres könnte ihm nicht egaler sein.

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