Nur wenige Meter von ihm entfernt nimmt ein älterer Herr das Geschehen fast schon stoisch wahr: Bob Rotella. "Alle haben mich gefragt, ob ich nervös war. Nein, ich bin so an die Sache herangegangen, wie ich wollte, dass Rory rangeht", erklärt der 75-Jährige seine Reaktion. Rotella ist einer der berühmtesten Sportpsychologen der Welt, hat unzählige Bücher über die richtige Einstellung zum Golf geschrieben und seine prominenten Klienten von Padraig Harrington bis Darren Clarke für 82 Major-Titel fit gemacht. Doch ein Sieg für Rory McIlroy wäre auch für ihn der wohl größte Erfolg seiner Karriere.
Zwölf Jahre zuvor wurde der Amerikaner von McIlroys Vater Gerry kontaktiert. Rory hatte gerade bei der Open den Cut verpasst und einen klaren Schuldigen ausgemacht: "Es hat nichts mit Technik zu tun, es ist alles mental." Unter Rotellas Anleitung gewann McIlroy 2024 die PGA Championship und die Open, doch das Masters blieb ihm immer verwehrt - auf eine Art und Weise, wie es Spuren hinterlassen musste. Ein Blick, den jedoch nur Außenstehende haben. "Jeder redet über Narbengewebe, wir sprechen nie darüber", erklärt Rotella bei Sky Sports. "Alle Athleten auf diesem Level haben die Kunst des Vergessens gemeistert. Es gibt ein tolles Zitat von Mark Twain: ,Die Unfähigkeit zu vergessen ist um ein Vielfaches verheerender als die Unfähigkeit zu erinnern.'"

»ICH BIN STOLZ DARAUF, WIE ICH ZURÜCKGEKOMMEN BIN, MIR DEN STAUB ABGEKLOPFT HABE UND MICH NICHT HABE RUNTERZIEHEN LASSEN.«
Am Donnerstag schien es lange Zeit so, als habe sich der Chefpsychologe geirrt. McIlroy begann das Masters wie ein Mann mit einer Mission. Nach 14 Löchern lag er vier unter Par und hatte sich mit seinem Abschlag auf der 15 in eine ideale Ausgangsposition gebracht, um mit einem Birdie, womöglich sogar einem Eagle, die Führung auszubauen. Der zweite Schlag kam neben der Fahne auf, bekam aber auf den harten Grüns nicht genug Spin und rollte rüber. Und als der Rückchip Bremse und Gaspedal verwechselte und in den Teich rollte, stoppte das Momentum - besonders als er an der 17 mit einem Drei-Putt ein zweites Doppel-Bogey nachlegte.


Ein großes Thema für Rotella war es auch klarzustellen, dass es für jeden schwierig ist, Majors zu gewinnen. "Ich habe mit ihm darüber gesprochen, dass Jack Nicklaus zwar 18 Majors gewonnen hat, er aber auch 28 zweite und dritte Plätze und 25 weitere Top-Ten-Ergebnisse hatte. Nur wenn man sich in die richtige Position bringt, hat man eine Chance. Die Alternative ist, aus Angst davor wieder verletzt zu werden, sich zu sagen: "Es war mir nicht bestimmt." Viele Menschen wählen diesen Weg, aber Rory kämpft für seine Träume", rekapitulierte Rotella gegenüber der "Daily Mail" das Gespräch, das offenbar Wirkung gezeigt hatte.

Dabei sieht es für Außenstehende so aus, als habe McIlroy auch so den Fokus verloren. Gleich am ersten Loch unterläuft ihm ein Doppel-Bogey und die Führung ist dahin. Als er dann noch an Loch 13 völlig unerklärlich seinen Pitch ins Wasser schlägt, muss er etwas schaffen, was niemandem zuvor in der Masters-Geschichte gelungen ist. Bei den bisherigen 88 Masters-Austragungen gab es nur 30 Spieler, die trotz Doppel-Bogey ein Grünes Jackett überstreifen konnten. Zwei Doppel-Bogeys überstand Gay Brewer 1967. Drei Doppel-Bogeys konnte lediglich Craig Stadler 1982 überwinden. Vier waren bisher immer ein Sargnagel gewesen.

Steckbrief
NameRory McIlroy
Jahrgang
1989
Wohnort
Jupiter, Florida (USA)
Profi seit
2007
Lieblingsverein
Manchester United
Erfolge (Auszug)
2009
Dubai Desert Classic
2011
U.S. Open
2012
PGA Championship
2014
BMW PGA Championship
The Open Championship
PGA Championship
2015
WGC-Cadillac Match Play Championship
Dubai World Championship
2019
Players Championship
2022
Tour Championship
RBC Canadian Open
2023
Genesis Scottish Open
2025
The Masters
Players Championship
AT&T Pebble Beach National Pro-AM
2010, 2012, 2014, 2018 & 2023
Sieg im Ryder Cup für Europa