GolfPunk – die Welt ist Golf

 
 
Featured StoriesFeatured Stories

Rory McIlroy

Reine Kopfsache

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images, Imago

Rory McIlroy hat seinen Masters-Fluch besiegt und sich den Karriere-Grand-Slam geholt. Auch weil der legendäre Sportpsychologe Bob Rotella dem Nordiren beigebracht hat, wie man mit Rückschlägen umgeht.

Gerade mal eineinhalb Meter trennen Rory McIlroy noch von seinem Grünen Jackett, als er am 13. April 2025 um 18:50 Uhr Ortszeit auf dem 18. Grün von Augusta National seinen Putter zurückzieht. Eineinhalb Meter nur und doch eine Welt. Neun Monate zuvor hatte er bei der US Open kurz nacheinander zwei Putts von genau dieser Länge verschoben und die Chance auf seinen ersten Major-Titel nach zehn Jahren weggeworfen. Doch all das ist vergessen, wenn er diesen Putt locht. Es ist der Putt zu seinem ersten Masters-Sieg. Der Putt zum Karriere-Grand-Slam. Zur Unsterblichkeit. Ohne Angst oder Zögern und voller Zuversicht geht McIlroy durch den Ball, doch der läuft knapp unter dem Loch lang. McIlroy atmet zweimal tief durch. Als er den Rück-Putt zum Bogey locht, ist sein federnder Schritt, mit dem er zuvor noch über die Fairways lief, verschwunden. Langsam beugt er sich nach unten, um den Ball aus dem Loch zu holen, und kann ein kleines, fast unmerkliches Kopfschütteln nicht verbergen. Statt ultimativer Triumph wartet die Nervenmühle Play-off.

Nur wenige Meter von ihm entfernt nimmt ein älterer Herr das Geschehen fast schon stoisch wahr: Bob Rotella. "Alle haben mich gefragt, ob ich nervös war. Nein, ich bin so an die Sache herangegangen, wie ich wollte, dass Rory rangeht", erklärt der 75-Jährige seine Reaktion. Rotella ist einer der berühmtesten Sportpsychologen der Welt, hat unzählige Bücher über die richtige Einstellung zum Golf geschrieben und seine prominenten Klienten von Padraig Harrington bis Darren Clarke für 82 Major-Titel fit gemacht. Doch ein Sieg für Rory McIlroy wäre auch für ihn der wohl größte Erfolg seiner Karriere.

Zwölf Jahre zuvor wurde der Amerikaner von McIlroys Vater Gerry kontaktiert. Rory hatte gerade bei der Open den Cut verpasst und einen klaren Schuldigen ausgemacht: "Es hat nichts mit Technik zu tun, es ist alles mental." Unter Rotellas Anleitung gewann McIlroy 2024 die PGA Championship und die Open, doch das Masters blieb ihm immer verwehrt - auf eine Art und Weise, wie es Spuren hinterlassen musste. Ein Blick, den jedoch nur Außenstehende haben. "Jeder redet über Narbengewebe, wir sprechen nie darüber", erklärt Rotella bei Sky Sports. "Alle Athleten auf diesem Level haben die Kunst des Vergessens gemeistert. Es gibt ein tolles Zitat von Mark Twain: ,Die Unfähigkeit zu vergessen ist um ein Vielfaches verheerender als die Unfähigkeit zu erinnern.'"

Rory McIlroy:

»
ICH BIN STOLZ DARAUF, WIE ICH ZURÜCKGEKOMMEN BIN, MIR DEN STAUB ABGEKLOPFT HABE UND MICH NICHT HABE RUNTERZIEHEN LASSEN.
«

Zu vergessen hat McIlroy in Augusta wahrlich einiges. 2011 sah er wie der sichere Sieger aus, nur um an der 10 seinen Drive so sehr zu verhauen wie dereinst Uli Hoeneß seinen Elfer in den Belgrader Nachthimmel. 2018 startete der Nordire in der Finalgruppe, blieb aber als Einziger in den Spitzengruppen über Par. Und natürlich all das, was in den drei Tagen zuvor während der wildesten Achterbahnfahrt des Golfsports geschehen ist. Doch genau darauf hat Bob Rotella ihn vorbereitet, wie er Sky News verrät. "Vor dem Turnier habe ich ihm eine lange Textnachricht geschickt mit allen Aspekten, auf die er sich konzentrieren soll. [...] Wir wussten, dass es eine herausfordernde Woche werden und nicht alles perfekt laufen wird."

Am Donnerstag schien es lange Zeit so, als habe sich der Chefpsychologe geirrt. McIlroy begann das Masters wie ein Mann mit einer Mission. Nach 14 Löchern lag er vier unter Par und hatte sich mit seinem Abschlag auf der 15 in eine ideale Ausgangsposition gebracht, um mit einem Birdie, womöglich sogar einem Eagle, die Führung auszubauen. Der zweite Schlag kam neben der Fahne auf, bekam aber auf den harten Grüns nicht genug Spin und rollte rüber. Und als der Rückchip Bremse und Gaspedal verwechselte und in den Teich rollte, stoppte das Momentum - besonders als er an der 17 mit einem Drei-Putt ein zweites Doppel-Bogey nachlegte.

Rory McIlroy: Protest gegens Augustas Handyverbot? Rory macht das Facepalm-Emoji (r.)Rory McIlroy: Protest gegens Augustas Handyverbot? Rory macht das Facepalm-Emoji (r.)
Protest gegens Augustas Handyverbot? Rory macht das Facepalm-Emoji (r.)
Am nächsten Morgen stand für McIlroy nicht etwa eine Extrastunde Chippen auf dem Plan, sondern ein Gespräch mit Rotella: "Ich nahm ihn fest in den Arm und habe ihm direkt gesagt, dass zwei Löcher nicht diktieren dürfen, wie er die Runde sieht. Rory war mit seinen Chips zufrieden. Er hat nicht das gewünschte Resultat bekommen, aber sie so gespielt, wie er wollte." Vor allen Dingen war es Rotella wichtig, seinem Schützling mitzuteilen, dass seine Runde etwas völlig anderes war als seine Selbstzerstörung 2011. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass er entgleist ist. Man entgleist, wenn man seine Fassung verliert, aber er hat an der 16 Par gespielt und an der 18 ein starkes Par Save gehabt."

Ein großes Thema für Rotella war es auch klarzustellen, dass es für jeden schwierig ist, Majors zu gewinnen. "Ich habe mit ihm darüber gesprochen, dass Jack Nicklaus zwar 18 Majors gewonnen hat, er aber auch 28 zweite und dritte Plätze und 25 weitere Top-Ten-Ergebnisse hatte. Nur wenn man sich in die richtige Position bringt, hat man eine Chance. Die Alternative ist, aus Angst davor wieder verletzt zu werden, sich zu sagen: "Es war mir nicht bestimmt." Viele Menschen wählen diesen Weg, aber Rory kämpft für seine Träume", rekapitulierte Rotella gegenüber der "Daily Mail" das Gespräch, das offenbar Wirkung gezeigt hatte.

Rory McIlroy: 'Fünf Bier, bitte!' McIlroy übt schon mal fürs Champions Dinner
'Fünf Bier, bitte!' McIlroy übt schon mal fürs Champions Dinner
Am Freitag und Samstag spielt McIlroy die Konkurrenz in Grund und Boden. Acht Birdies, drei Eagles und zwei 66er-Runden später liegt er in alleiniger Führung und muss ausgerechnet mit Bryson DeChambeau, dem Mann, der ihm die US Open in Pinehurst weggeschnappt hatte, auf die Runde gehen. Umso wichtiger war es für Rotella, dass Rory die richtige Einstellung findet. Und die geht in diesem Fall auf Kosten von DeChambeau. Der Amerikaner bricht in der Schlussrunde gnadenlos ein und ist im Anschluss pikiert über Rorys Verhalten: "Er hat den ganzen Tag nicht mit mir geredet." Was wie Animosität klingt, ist tatsächlich Teil der Strategie, stellt Rotella einige Tage danach beim Studentensender WUVA News klar. "Es hatte nichts mit Bryson zu tun, wir wollten in einer Blase bleiben und keine Ablenkung riskieren. Wenn man so intelligent wie Rory ist und in ein Gespräch verwickelt wird, das sein Interesse weckt, kann er den Fokus verlieren."

Dabei sieht es für Außenstehende so aus, als habe McIlroy auch so den Fokus verloren. Gleich am ersten Loch unterläuft ihm ein Doppel-Bogey und die Führung ist dahin. Als er dann noch an Loch 13 völlig unerklärlich seinen Pitch ins Wasser schlägt, muss er etwas schaffen, was niemandem zuvor in der Masters-Geschichte gelungen ist. Bei den bisherigen 88 Masters-Austragungen gab es nur 30 Spieler, die trotz Doppel-Bogey ein Grünes Jackett überstreifen konnten. Zwei Doppel-Bogeys überstand Gay Brewer 1967. Drei Doppel-Bogeys konnte lediglich Craig Stadler 1982 überwinden. Vier waren bisher immer ein Sargnagel gewesen.

 
Steckbrief

Steckbrief

Name
Rory McIlroy

Jahrgang
1989

Wohnort
Jupiter, Florida (USA)

Profi seit
2007

Lieblingsverein
Manchester United

Erfolge (Auszug)
2009
Dubai Desert Classic
2011
U.S. Open
2012
PGA Championship
2014
BMW PGA Championship
The Open Championship
PGA Championship
2015
WGC-Cadillac Match Play Championship
Dubai World Championship
2019
Players Championship
2022
Tour Championship
RBC Canadian Open
2023
Genesis Scottish Open
2025
The Masters
Players Championship
AT&T Pebble Beach National Pro-AM
2010, 2012, 2014, 2018 & 2023
Sieg im Ryder Cup für Europa

Featured Stories