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Benedict Staben – Teil 2

Schattenboxen

Von Fritz Lüders, Fotos: Patrick Runte

"Die ersten Male hat er mich verflucht", lacht Tony. "Einmal stellte er sich vor das Gerät und sagte nur: 'Das geht nicht.'" Anfangs legte der Coach seinen Fokus darauf, den Sportler schmerzfrei zu bekommen, Verspannungen zu lösen. Inzwischen arbeiten beide an seiner Performance. "Benes Hauptproblem ist, es zu sehr mit Kraft zu versuchen", sagt Tony. "Das Zusammenspiel aus Körper und Kraft ist für Golfer extrem wichtig. Wenn Bene den Ball einfach nur prügelt und dabei nicht atmet, fliegt die Kugel meistens nicht dahin, wohin sie soll. Dann gewinnt man keine Turniere."

Pilates ist neben der Ernährung und der neuen WG ein wichtiger Punkt, den Staben im letzten Jahr änderte. "Ich kann natürlich meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, ob ich meine Ziele am Ende erreichen werde", sagt er. "Durch Pilates-Training, mein verändertes Bewusstsein und mein neues Umfeld, zu dem auch Osteopath Sebastian Klöckner, Sportmediziner Philip Catala, Michael Blesch von Green Eagle und Coach Holger Fischer zählen, stehen die Chancen jetzt aber deutlich besser. Hätte ich diese Dinge schon früher geändert, wäre ich jetzt schon viel weiter."

Benedict Staben: Übel: das leichte Grinsen des Foltermeisters
Übel: das leichte Grinsen des Foltermeisters

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ICH HABE DEN SCHRITT VOM AMATEUR HIN ZUM PROFI DAMALS UNTERSCHÄTZT UND VERKRAMPFTE. ICH WAR NICHT IM REINEN MIT MIR SELBER UND AGGRESSIV MIR GEGENÜBER. ICH LEBTE DEN GANZEN TAG IM DAUERSTRESS, DEN ERWARTUNGEN MEINES UMFELDS GERECHT ZU WERDEN.
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11:00 UHR - FEINSCHLIFF


"Klar fragt man sich, wie es wäre zu gewinnen", grübelt Staben, als er auf die Anlage der Green Eagle Golf Courses geht. Hier wird Anfang September die Porsche European Open stattfinden. Schon zweimal durfte der Hamburger als Lokalmatador auf der ganz großen Bühne südlich der Hansestadt mitspielen. Einmal scheiterte er am Cut, 2018 wurde er 60. Würde Staben ein European- Tour-Turnier wie dieses gewinnen, hätte er die Tourkarte für zwei Jahre sicher und könnte sich den langen Weg über die Challenge Tour sparen. "Ich spüre trotzdem weniger Druck als bei anderen Turnieren", sagt er. "Die Porsche European Open ist keine Just-for-Fun-Veranstaltung für mich, aber meine Prioritäten liegen derzeit einfach auf der Nordic Tour." Einladungen zu European-Tour-Events sieht er vielmehr als Bonus. "Auch weiß ich, dass die Erwartungen schnell wieder wachsen, wenn ich auf großen Events einmal gut spiele."

Die Erwartungen sind es, die den Profi zu Beginn seiner Karriere hemmten. "Ich habe den Schritt vom Amateur hin zum Profi damals unterschätzt und verkrampfte. Ich war nicht im Reinen mit mir selber und aggressiv mir gegenüber. Ich lebte den ganzen Tag im Dauerstress, den Erwartungen meines Umfelds gerecht zu werden." Welche Erwartungen das waren? "Dass ich so hochschieße wie Martin Kaymer. Ich wiederum hatte damals Schiss, dass ich das nicht schaffe." Durch das neue und professionellere Umfeld kann sich Staben davon inzwischen lösen. "Jetzt gebe ich mir jeden Tag kleine Ziele, die ich erreichen kann, um positive Dinge zu erleben."

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Zum Warmmachen geht Bene aufs Putting-Grün. Die kleinen Ziele: immer fünf Bälle in Folge versenken. Vorher gibt es keine neue Übung. So kann ein Training auch mal den ganzen Tag dauern. Im Schatten herrschen inzwischen 29 Grad. Von Negativität trotzdem keine Spur. "Golf hat mich früh erwachsen werden lassen", sagt er. "Schon zur Schulzeit musste ich mich entscheiden. Neben Bildung und Sport war da kein Platz für Partys, Freunde oder Playstation." Nur 20 Kilometer von Green Eagle entfernt wuchs Staben auf. In Hittfeld schlug er das erste Mal einen Golfball, nachdem ihm seine Großmutter zum siebten Geburtstag einen Satz Schläger mit Mickey-Mouse-Headcover geschenkt hatte. Später wurde er im Hittfelder Club Nationalspieler und ist dort noch heute verwurzelt. Ein weiterer Grund, warum ihm die Porsche European Open im benachbarten Winsen (Luhe) viel bedeutet. "Und das Preisgeld bei dem Event ist eigentlich dringend nötig für mich", fügt er an. Auf der Nordic Tour gibt es davon nicht viel, 40.000 Euro werden meistens auf alle Spieler verteilt. "Da gibt es häufig nur 1.000 Euro für mich", sagt Bene. Abzüglich Steuern, Gehälter und Lebenskosten bleibt davon nichts für den Norddeutschen übrig. "Freunde und Familie finanzieren bisher meine Karriere." Ohne einen Gönner oder Sponsor gibt es wohl kaum eine Chance, den klassischen Weg über die unteren Ligen zu meistern. "In Deutschland ist es schwierig, an Sponsoren im Golf zu kommen", weiß Staben. "Hier ist Fußball einfach zu groß, da gibt es für untere Golfligen wenig Sympathien. Die Schweden auf der Nordic Tour haben da deutlich mehr Sponsoren." Solange er nicht auf der European Tour spielt, sind die Turniere für ihn durchweg ein Minusgeschäft. "Das macht den Druck jetzt nicht weniger", gibt Bene zu.

2016 war er mit zwei Siegen auf der Nordic Tour, auf der er 25 bis 30 Turniere pro Saison spielt, nah dran, den Aufstieg zu schaffen. Am Ende fehlte ihm der dritte Sieg knapp. Den Optimismus hat er dennoch nicht verloren. Der Weg über die Nordic Tour gefällt ihm: "Ich kann mir die Unterkünfte mit anderen Spielern teilen und in Skandinavien sind die Lebenskosten auch okay."

Benedict Staben: Belastungsprobe bestanden: Das Bett ist für alle Spielereien gewappnet
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14:00 UHR - HALBZEIT


Staben, der bereits Lucas Bjerregaard schlug und mit Topspielern wie Thorbjørn Olesen zusammenspielte, macht Mittagspause. Es gibt Quinoa-Reis mit Hähnchen, Avocado und frischem Obst. Noch hat er eine 18-Loch-Runde und anschließend eine Laufeinheit um die Alster vor sich. Neben der Clubhaus-Terrasse fangen die Greenkeeper mit den ersten Vorbereitungen für die Porsche European Open an.

Staben schaut dem Motorengeräusch des Mähers hinterher. Dabei muss er gar nicht in die Zukunft blicken. Sein Training und seine Einstellung machen ihn schon jetzt mehr als bereit für den großen Kampf Anfang September. Wo er sich in fünf Jahren sieht, fragen wir ihn trotzdem: "Auf der European Tour und hoffentlich für Majors qualifiziert."

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