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Sean Crocker

Eier, wir brauchen Eier!

Von Jan Langenbein

Es brauchte mehr Stempel im Pass, als so mancher Diplomat im Laufe seiner Karriere sammelt, um Sean Crocker endlich den lang ersehnten ersten Toursieg zu ermöglichen. Die weltweite Suche nach Rühreiern und Speck geht für den Amerikaner allerdings unverändert weiter...

Amerikaner, die ihr Glück als Profi-Golfer in Europa suchen, sind in etwa so rar wie deutsche Fußballprofis, die in der Major League Soccer kicken. Kein Wunder, spielt die Musik in beiden Sportarten schließlich in der jeweiligen Heimat. Doch zum Glück gibt es Exoten wie Julian Gressel, der 2018 mit Atlanta United Amerikanischer Meister wurde, oder Sean Crocker, der sich seit seinem Wechsel ins Profilager zunächst auf der Challenge Tour und schnell auf der European Tour einen Namen machte. Dass es auch eine Welt außerhalb der USA gibt, war Crocker allerdings von Geburt an bewusst, schließlich kam er in Zimbabwe als Sohn eines Cricketspielers zur Welt, und erst als der Nachwuchs fünf Jahre alt war, siedelte Familie Crocker in die USA über. Dort spielte sich der begnadete Athlet, der auch im Baseball eine rosige Zukunft hätte haben können, sich aber für den kleineren weißen Ball entschied, ins Golfteam der University of Southern California, verlor bei der US Amateur Championship 2015 erst im Halbfinale gegen einen gewissen Bryson DeChambeau und sammelte zweimal die All-American-Ehre ein. Bei seinem Wechsel ins Profilager wählte das damals 20 Jahre alte Amateurtalent nicht den Weg über die Korn Ferry Tour ins amerikanische Golf-Oberhaus, sondern begab sich auf eine Welttournee mit Stopps in Kasachstan, China und Marokko. Einige Kulturschocks, vier ganze Spielzeiten und einen holprigen Start ins Jahr 2022 später ist der mittlerweile 25-Jährige nun endlich im Kreise der Champions angekommen, nachdem er im Juli mit einer dominanten Leistung, bei der er kein einziges Mal die Führung abgab, die Hero Open auf der DP World Tour gewann. Wo? Im Home of Golf natürlich.

Es gibt schlechtere Orte, sein erstes Profiturnier zu gewinnen, als St. Andrews. Wie sahen deine Feierlichkeiten aus, nachdem der letzte Putt gefallen war?
Der beste Ort in St. Andrews für einen Drink ist das "Dunvegan", ganz klar! Keine 90 Minuten nach der Siegerehrung waren mein Caddie und ich bereits dort und haben das erste Bier bestellt. Ein Turnier zu gewinnen ist großartig, es an diesem Ort zu schaffen ist die Kirsche auf dem Milchshake.

Wie viele Selfies musstest du als Sieger des Tages mit all den Golftouristen im Pub machen?
Wir kamen vor dem großen Ansturm ins "Dunvegan" und hatten das Glück, einen Tisch in einer ruhigen Ecke zu bekommen. Danach wird meine Erinnerung an diesen Abend etwas verschwommen. [lacht] Einige Selfies wurden gemacht und gegen Ende des Abends lief die Wiederholung der Finalrunde auf den großen Fernsehern. Es war cool, die letzten Löcher noch mal zu sehen. Als ich auf dem 18. Grün vor dem entscheidenden Eineinhalb-Meter Putt stand, raunte das gesamte Pub: "Uuuuhh." Als der Ball dann fiel, brach noch einmal Jubel aus. Ein toller Abend!

Eddie Pepperell hat es dir am Sonntag bei der Hero Open nicht leicht gemacht. Wie hast du die Runde und die Spannung an der Spitze des Leaderboards als Beteiligter erlebt?
Das stimmt, Eddie wollte einfach nicht lockerlassen! [lacht] Auf der Tour zu gewinnen ist nie einfach und es macht es für mich noch cooler, dass ich bis zum Schluss darum kämpfen und gute Schläge machen musste und es auf den letzten Putt ankam. Erst auf der 17 schaute ich zum ersten Mal aufs Leaderboard und sah, dass ich eine knappe Führung von einem Schlag hatte. Das erste Mal, dass ich während der gesamten Woche Anspannung und Druck gespürt habe, war auf dem 17. Grün. Mein Putter funktionierte das ganze Turnier über hervorragend und dann hämmerte ich wie aus heiterem Himmel meinen ersten Putt zweieinhalb Meter übers Loch hinaus. Mir war klar, dass ein Drei-Putt an dieser Stelle den Sieg kosten könnte, und daher war es eine riesige Erleichterung, den Rück-Putt zu lochen. Als ich auf der 18 dann über einem Eineinhalb-Meter-Putt zum Sieg stand, war mein einziger Gedanke: "Nicht atmen und ein ruhige Bewegung!" Als der Ball ins Loch fiel und der Jubel losging, musste ich erst mal nach Luft schnappen, bevor ich die Siegerfaust ballen konnte.

Mit neun verpassten Cuts in Folge hattest du einen denkbar üblen Start in die Saison 2022. Wie wird man mental mit einem solchen Fehlstart fertig?
Meine längste Serie verpasster Cuts vor dieser Saison waren drei Stück und das fühlte sich bereits wie eine Ewigkeit an. Meine Stärke ist die Konstanz und ich hatte deshalb selten Probleme mit verpassten Cuts. Ein Saisonstart wie dieses Jahr mit dreieinhalb Monaten, ohne es ins Wochenende zu schaffen, hinterlässt Spuren. Zu Beginn war ich sauer auf mich selbst, irgendwann mussten dann ein paar Schäfte dran glauben, kurzzeitig sprach ich nicht mehr mit meinem Caddie und schaltete sogar mein Telefon für eine ganze Woche aus. Irgendwann realisierte ich, dass all diese Dinge nichts nützen und mich nur noch weiter zurückwarfen. Also bin ich auf den Golfplatz gegangen und sagte mir: "Spiele das Spiel so, wie du es kannst, schlag den Ball nicht in die Wicken und bleib ruhig, wenn etwas nicht klappt wie geplant." Ich bin ein Typ, der wenig Ratschläge annimmt und seine Lektionen auf die harte Tour lernen muss. In den vergangenen Jahren konnte ich so sprichwörtlich jede Menge Daten sammeln und der Anfang dieser Saison zählt ebenfalls dazu. Phasen wie diese sind wichtig, um sich selbst und sein Spiel besser kennenzulernen. Ohne am eigenen Leib gespürt zu haben, wie hart das Golfspiel tatsächlich sein kann, hätte ich wahrscheinlich nicht das mentale Rüstzeug gehabt, wenige Wochen später zu gewinnen.

Sean Crocker: Jubelstimmung: Fairy Ultra schafft sogar Verkrustungen (r.)Sean Crocker: Jubelstimmung: Fairy Ultra schafft sogar Verkrustungen (r.)
Jubelstimmung: Fairy Ultra schafft sogar Verkrustungen (r.)

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Ich bin ein Typ, der wenig Ratschläge annimmt und seine Lektionen auf die harte Tour lernen muss.
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Aber es ging nicht so weit, dass du ans Aufhören gedacht hast, oder?
Auf der Tour ist es leicht, undankbar gegenüber allem zu werden, was das Spiel einem bietet. Besonders wenn man jedes Jahr die Tourkarte hält und gutes Geld verdient. Es kann sich schnell der Gedanke breitmachen: "Ich bin Profi-Golfer und so wird es bis in alle Ewigkeit bleiben." Mir war stets klar, dass es auch Szenarien gibt, in denen ich meinen Job verlieren kann. Gleichzeitig wusste ich aber auch, wenn ich gutes Golf spiele, dann kann ich die Jungs auf der Tour schlagen. Während der neun verpassten Cuts witzelte ich mit meinem Caddie: "Oh Mann, ich muss wohl bald lernen, Poloshirts zusammenzufalten, und im Pro-Shop anheuern, denn so wird mich dieses Spiel noch in die Knie zwingen." Das war zwar alles Spaß und ich habe nicht ernsthaft darüber nachgedacht, die Schläger an den Nagel zu hängen, aber es waren drei äußerst harte Monate.

Was war der Grund für deine dominante Leistung in St. Andrews? Hat es kurz vorher klick gemacht und das Spiel war plötzlich einfach?
Die Negativserie zu Beginn des Jahrs lag weniger daran, dass ich technisch schlechtes Golf gespielt hätte. Ich war mental nicht in der richtigen Verfassung, gut zu scoren. Schon in den Wochen vor St. Andrews habe ich gut gespielt, aber das nötige Quäntchen Glück hat gefehlt. Bei der Hero Open bin ich an allen vier Tagen einfach ans erste Tee marschiert und habe alles geschehen lassen. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die einzige Person, die mir hier im Wege stehen könnte, ich selbst bin, denn ich spielte wirklich gutes Golf. Normalerweise werde ich am ersten Abschlag ziemlich nervös, doch in St. Andrews steckte ich einfach das Tee in den Boden und dachte mir: "Spiele einfach dein Spiel." Es macht mich stolz, dass ich nicht zugelassen habe, mir selbst im Weg zu stehen, und ich spüre, wie ich als Golfer in den letzten Monaten erwachsen geworden bin.

Nach einer erfolgreichen Amateurkarriere fand dein Start ins Profileben für einen Amerikaner untypischerweise auf der Challenge Tour in Europa statt. Was waren die größten Kulturschocks, als du hier ankamst?
Den größten Kulturschock hatte ich zwar auf dem Radar, es hat mich dann aber doch überrascht, wie groß der Unterschied ist, den das Wetter ausmacht. Geboren bin ich in Afrika, wo es meist sehr heiß ist. Aufgewachsen bin ich in Kalifornien, wo das Wetter stets perfekt ist, und nun lebe ich in Florida. Mit anderen Worten: Ich hatte mein bisheriges Leben im Sonnenschein verbracht. Auf der Challenge Tour war es dann jede Woche windig, kalt und es regnete oft. Ich musste meinen Schwung anpassen, um besser mit dem Wetter klarzukommen. Die zweite Sache, an die ich mich immer noch nicht gewöhnt habe, sind die Ernährungsgewohnheiten. Meine Lieblingsmahlzeit ist das Frühstück und in den Vereinigten Staaten esse ich jeden Tag exakt dasselbe. Mein erstes Event in Europa war in Italien und danach kam Crans-Montana in der Schweiz. Ich rannte wie ein kopfloses Huhn durch die Austragungsorte und habe nach einem herzhaften Frühstück bestehend aus Rühreiern, Speck und Kartoffeln gesucht. Doch wo ich auch hingekommen hieß es: "Du kannst ein Croissant und einen Espresso bekommen." Ich dachte nur: "Wie soll ich fünf Stunden lang Golf spielen mit nichts als ein wenig Gebäck und einem Kaffee im Magen?"

Besonders auf der Challenge Tour ist man als Spieler oft mit herausfordernden kulinarischen Besonderheiten in den entlegensten Ecken der Welt konfrontiert. Was waren deine größten Mutproben, wenn es ans Essen ging?
Ich bin ganz ehrlich: In Ländern, in denen ich keine Ahnung von der lokalen Küche habe und nicht weiß, was mir auf der Karte schmecken könnte, gehe ich zu McDonald's. Ich muss selbst darüber lachen, denn in Amerika würde ich niemals zu McDonald's gehen. Ich kann mich noch gut an mein erstes Challenge-Tour-Event in China erinnern, wo ich beim besten Willen nicht ausmachen konnte, was das alles war, was auf den Tellern auf Förderbändern an uns vorbeifuhr. Dafür fehlt mir wirklich der Mut.

Sean Crocker:
Wie beurteilst du deinen Werdegang in Europa bisher?
Natürlich ist es mein Ziel, die volle Spielberechtigung auf der PGA Tour zu bekommen. Aber zurückblickend möchte ich keinen Tag auf der Challenge und der DP World Tour missen. All die Menschen, die ich getroffen habe, die Orte, die ich besuchen, und die Golfplätze, auf denen ich Turniere spielen durfte - es war bisher einfach großartig und diese Erfahrungen zählen zu den wertvollsten meines Lebens. Aber allem voran sind es die Spieler auf der DP World Tour, die meine Erfahrungen hier so großartig machen. Ich bin einer von drei Amerikanern, die im Moment regelmäßig auf der DP World Tour spielen, und es hat mich überrascht, wie schnell wir großartige Freunde unter den Kollegen gefunden haben. Veteranen wie Robert Rock haben mich unter ihre Fittiche genommen und dafür bin ich unendlich dankbar. Mittlerweile übers Fairway schlendern und mit Spielern wie Robert, Martin Kaymer oder Sergio García Trashtalk austauschen zu können ist unglaublich. Es ist gerade mal zehn Jahre her, da gab mir Martin Kaymer einen Golfball, als ich als Fan bei Tiger Woods' Turnier auf der Anlage war. Nun habe ich schon unzählige Runden mit ihm gespielt, kann ihm alles Mögliche an den Kopf werfen und er lacht darüber.

Würdest du sagen, all die unterschiedlichen Länder und Bedingungen, unter denen du bereits gespielt hast, haben dich zu einem besseren und kompletteren Golfer gemacht?
Absolut. Ich habe in den vergangenen Jahren beinahe ausschließlich in Europa und nur drei Events in den USA gespielt. Mein Coach meinte einmal, dass ich in den USA meist ziemlich gut spiele, und ich konnte nur antworten: "Weißt du, wie einfach es ist, in Amerika Golf zu spielen? Wo immer ich den Ball hinschlage, er wird dort landen." In Europa muss ich ständig 30 Meter rechts oder links anhalten und den Ball vom Wind zurücktragen lassen. Es gibt auf der DP World Tour schlicht viel weniger "einfache" Tage als auf der PGA Tour. Dadurch habe ich mittlerweile ein viel tiefer gehendes Verständnis vom Golfspiel.

Sean Crocker: Bilderbuch-Finish: zur Nachahmung empfohlenSean Crocker: Bilderbuch-Finish: zur Nachahmung empfohlen
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Wie würdest du dich als Golfer beschreiben? Welche Stärken und welche Schwächen hast du?
Alles, was einen vollen Schwung und sauberen Ballkontakt erfordert, würde ich als Stärke bezeichnen. Egal ob vom Tee, vom Fairway oder aus dem Rough - Ballstriking und Driving sind meine Stärken. Meine Wedges sind ebenfalls ziemlich gut und mein Chippen verbessert sich zum Glück ständig. Der einzige Teil meines Golfspiels, den ich schon immer kritisieren musste, ist mein Putten. Aber auch da habe ich mich stark verbessert, denn ich habe mich zu lange auf harte Fakten und Statistiken verlassen. Natürlich sind Zahlen wichtig, denn sie lügen nicht. Sie zeigen aber auch meist nicht das ganze Bild. Wenn ich 32 Putts pro Runde benötige, aber 17 Grüns treffe, ist das natürlich etwas anderes als eine Runde mit 21 Putts, aber nur zehn getroffenen Grüns. Gute Ballstriker werden immer ein paar mehr Putts benötigen als Spieler, die mehr Grüns verfehlen.

Hat der Sieg bei der Hero dafür gesorgt, dass du dir nun andere Ziele für die Saison und darüber hinaus setzt?
Ich denke, dass Ziele, die man sich setzt und dann nicht sofort erreicht, zu negativen und demotivierenden Gedanken führen können, daher mache ich das kaum. Ich versuche, jeden Tag als neue Herausforderung auf dem Golfplatz zu sehen und mich so zu motivieren. Das einzige Ziel, das ich mir nach dem Triumph bei der Hero Open in St. Andrews setzen würde: Ich hoffe, der nächste Sieg auf der Tour lässt nicht wieder vier Jahre auf sich warten.

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME
Sean Crocker

ALTER
25 Jahre

WOHNORT
Harare, Zimbabwe

PROFI SEIT
2017

LIEBLINGSPLATZ
McArthur GOLF Club, Florida

ERFOLGE
2016
Monroe Invitational (Amateur)
2017
Italian International Amateur Championship (Amateur)
2019
T2 Trophee Hassan II (DP World Tour)
2020
Alfred Dunhill Championship (DP World Tour)
2021
T2 D+D Real Czech Masters (DP World Tour)
2022
Hero Open (DP World Tour)

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