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PGA Tour Start – Teil 2

Stille neue Welt

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

An der ein oder anderen Stelle lugten zwar vereinzelte Schaulustige über den Zaun rund um den Colonial Country Club und von den glücklichen Besitzern der stattlichen Häuser rund um die Anlage nutzten einige ihre Balkone und Dachfenster als Behelfstribünen, abgesehen davon blieben Spieler, Caddies und Turnierpersonal aber in alles umhüllender Stille unter sich. Gary Woodland beklagte durch das Fehlen der Fans nicht nur den Mangel an Atmosphäre, sondern sogar einen Einfluss auf sein Spiel: "Ich habe meinem Caddie schon nach wenigen gespielten Löchern gesagt, dass ich das Gefühle habe, meine Bälle kürzer zu schlagen, weil der Adrenalinpegel einfach niedriger war als üblich."

Jon Rahm orakelte bereits im Vorfeld des Turniers, dass es zu eigenartigen Situationen kommen könnte: "Stelle dir vor, auf dem 18. Grün versenkt jemand eine Bombe aus über zehn Metern zum Turniersieg und alles, was zu hören ist, ist das Gezirpe von Grillen." Auf die Erfüllung seiner Prophezeiung musste der Spanier dann weder auf die Finalrunde noch auf deren letzte Spielbahn warten, denn bereits am Donnerstag feuerte Sung Kang am 13. Loch ein perfektes Eisen 9 in Richtung Fahne. Da lediglich Grillen zirpten, bemerkte der Südkoreaner erst auf dem Grün, dass ihm gerade das erste vollkommen unbeklatschte Hole-in-One der Tourgeschichte gelungen war.

Kurze Zeit später pullte Rory McIlroy seinen Drive auf der gefürchteten fünften Spielbahn, traditionell das schwerste Loch im Colonial CC, ins linke Rough und musste sein ganzes Können aufbringen, um den Ball aus dieser miesen Lage um einige Bäume herumzuzirkeln und wenigstens im Grün-Bunker zu landen. Einen durchschnittlichen Bunkerschlag und einen versenkten Putt aus knapp fünf Metern später stand ein hart erkämpftes Par auf seiner Scorekarte und abgesehen von seinen Mitspielern waren gerade einmal sechs weitere Personen anwesend, diese Zurschaustellung golferischer Extraklasse zu bestaunen.

PGA Tour Start: Außer Kontrolle: die erste Reihe beim Scorpions-Konzert
Außer Kontrolle: die erste Reihe beim Scorpions-Konzert

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Die offensichtliche Ansteckung des 39-jährigen Amerikaners in den Tagen vor dem Turnierstart führte sämtlichen Anwesenden in Hilton Head Island schmerzlich vor Augen, dass trotz aller Hygienemaßnahmen, Social-Distancing und einer vermeintlichen ,Bubble' rund um das Starterfeld die erste Ansteckung mit dem Coronavirus lediglich eine Frage der Zeit war.
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Für viele Teilnehmer war es allerdings weder die Rückkehr zum Wettkampfgeschehen noch die 7,5 Millionen Dollar Gesamtpreisgeld und auch nicht die Gefahr, nach einem ausgelippten Putt die betretene Stille mit einem für amerikanische TV-Anstalten inakzeptablen Fluch zu durchbrechen, was einen erhöhten Puls bei der Charles Schwab Challenge erzeugte. Für den sorgte die Wartezeit auf die Testergebnisse, wie Ryan Palmer offen zugab: "Ich möchte nicht lügen, ich war ziemlich nervös, als ich auf die Ergebnisse meiner beiden Tests wartete, schließlich zeigt nicht jeder Infizierte sofort Symptome." Von den mehr als 400 in Texas durchgeführten Tests waren jedoch alle negativ und so konnten sowohl Ryan Palmer als auch seine 147 Kollegen nach getaner Arbeit gen Harbour Town Golf Links aufbrechen, wo eine Woche später die RBC Heritage auf dem Programm stand.

DER FALL WATNEY

Im Urlaubs-Hotspot Hilton Head Island bot sich dem Wanderzirkus PGA Tour dann ein vollkommen anderes Umfeld als in der weitläufigen Schlafmützigkeit von Forth Worth, Texas. "Ich möchte niemandem hier zu nahe treten, aber die Pandemie scheint hier nicht besonders ernst genommen zu werden", zeigte sich Justin Thomas nach seiner ersten Autofahrt zum Golfplatz entsetzt. "Es geht hier zu wie im Zoo, Menschen überall. Die Strände sind voll und jedes Restaurant, an dem wir vorbeigefahren sind, schien aus allen Nähten zu platzen." Tatsächlich meldete South Carolina zur gleichen Zeit mit 1.157 Neuinfektionen einen neuen bundesstaatweiten Tageshöchstwert.

Eine dieser Corona-Infektionen traf die PGA Tour dann wenige Tage später bis ins Mark. Nick Watney, der bei seiner Ankunft auf dem Golfplatz am Montag noch mit negativem Ergebnis getestet wurde, begann, sich während der Auftaktrunde am Donnerstag unwohl zu fühlen, und tatsächlich ergab ein Covid-19-Test nach der Runde das erste positive Ergebnis seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs auf der Tour. Die offensichtliche Ansteckung des 39-jährigen Amerikaners in den Tagen vor dem Turnierstart führte sämtlichen Anwesenden in Hilton Head Island schmerzlich vor Augen, dass trotz aller Hygienemaßnahmen, Social Distancing und einer vermeintlichen "Bubble" rund um das Starterfeld die erste Ansteckung mit dem Coronavirus lediglich eine Frage der Zeit war.

PGA Tour Start: Nette Geste: das Wechselgeld aus den Handschuhfächern zusammengelegt
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Watneys Mitspieler vom Donnerstag Luke List und Vaughn Taylor erfuhren während der zweiten Runde, dass sie am Vortag mit einem Covid-19-Infizierten in Kontakt gekommen waren, was Vaughn Taylor nach der Runde im Interview sichtlich zusetzte. "Die Nachricht hat mich nach den ersten neun Löchern erreicht. Ich war geschockt und mein Herz begann zu rasen. Für die weiteren neun Löcher gab es kein anderes Gesprächsthema in unserer Gruppe und ich hoffe, Nick erholt sich schnell wieder."

Die Tests aller elf Personen, die mit Watney in Kontakt gekommen waren, darunter List, Taylor und die jeweiligen Caddies, ergaben am darauffolgenden Wochenende negative Ergebnisse.

Im Vorfeld der Charles Schwab Challenge sprach PGA Tour Commissioner Jay Monahan offen darüber, dass es ihm schlaflose Nächte bereiten würde, darüber nachdenken zu müssen, wie viele positive Tests es bräuchte, um den Spielbetrieb der Tour erneut auszusetzen. Ganz offensichtlich war der Fall des Nick Watney nicht ausreichend und Luke List sowie Vaughn Taylor traten eine Woche später bei der Travelers Championship erneut an den Abschlag, während Nick Watney auf Hilton Head Island die vorgeschriebene zweiwöchige Quarantänezeit absaß. Zeitgleich schlugen im Vorfeld der Travelers Championship weitere Covid-19-Tests positiv an. Dieses Mal traf es Cameron Champ, der in der Woche zuvor freihatte und keinerlei Symptome zeigte, genauso wie die Caddies von Brooks Koepka und Graeme McDowell.

Ob der Plan des Memorial Tournament, Mitte Juli wieder eine begrenzte Anzahl von Fans auf die Anlage zu lassen, tatsächlich umsetzbar ist und die neue Stille der PGA Tour so zumindest zeitweise unterbrochen wird, ist wieder fraglicher geworden. Immerhin hätte in genau dieser Woche kein geringeres Turnier als die Open Championship im Royal St. Georges Golf Club stattfinden sollen. Doch der R&A zog als Veranstalter des ältesten Golfturniers der Welt bereits im April die Reißleine und sagte die Veranstaltung ab. Die letzten beiden Gründe für eine Absage der Open gingen als Weltkriege in die Geschichtsbücher ein.

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